
Linz: Buch regt zu zeitgemäßer Gestaltung von Kriegerdenkmälern an
Um "neue Perspektiven auf Kriegerdenkmäler" geht es in einem gleichnamigen Buch, das am Donnerstagabend im Linzer Bischofshof präsentiert wurde. Beiträge von Historikern, Künstlern und Kulturvermittlern geben darin Pfarren, Gemeinden und Bildungseinrichtungen Impulse für die Beschäftigung mit den steinernen Denkmälern, die bis heute zumeist an die Gefallenen der Weltkriege erinnern. Oft sagten sie den Menschen von heute jedoch nichts mehr - und es sei dennoch "zentral, darüber zu reden", eröffnete Kunstvermittlerin Eva Meran die Buchvorstellung. Tenor der anwesenden Fachleute: Kriegerdenkmäler sollten kontextualisiert, historisch erklärt und erlebbar gemacht werden, um Erinnerung lebendig zu halten und gesellschaftliche Auseinandersetzung zu fördern.
Der Historiker und Theologe Andreas Schmoller vom Franz und Franziska Jägerstätter Institut machte die historische Dimension deutlich: "Die Kriegerdenkmäler stehen für eine Erinnerungskultur, in der sich der kollektive Umgang der Gesellschaft mit der Zeit des Nationalsozialismus widerspiegelt. Sie sind keine Monolithen, sondern Zeugen ihrer Entstehungszeit." Viele Denkmäler seien mittlerweile über 70 Jahre alt, ihre Symbolik und Bildsprache für heutige Betrachter nicht mehr unmittelbar verständlich. Schmoller riet Gemeinden und Pfarren zu prüfen, welche Geschichten sichtbar gemacht und wie Denkmäler heute wahrgenommen werden. Ziel sei eine kritische Reflexion, die Opferperspektiven einbezieht und Täterverantwortung thematisiert.
Einblicke in die praktische Arbeit mit historischen Orten gab Kunstvermittlerin Meran, zuständig für den Bereich "Diskussionsforum und Kulturvermittlung" am Haus der Geschichte Österreich am Wiener Heldenplatz. "Wir arbeiten viel mit Biografien von Opfern, aber auch von Tätern und Mitläufern. Lernen funktioniert über Nähe, über Emotionen." In Workshops bekommen Jugendliche und Erwachsene nicht nur Fakten vermittelt, sondern auch konkrete Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungen der Menschen, "damit wir verstehen, wie Ausgrenzung und Feindbilder heute funktionieren". Zentral sei, dass Erinnerung als lebendiger Prozess gestaltet werde, der über reine Wissensvermittlung hinausgehe.
Das Buch selbst enthält zahlreiche praxisrelevante Beispiele: Künstler wie Hubert Lobnig und Moritz Matschke erläutern, wie bestehende Kriegerdenkmäler dekonstruiert und in Friedensdenkmäler transformiert werden können. Rosa Andraschek und Simon Nagy zeigen, wie Denkmäler aktiv abgebaut, archiviert oder an neue Orte verlegt werden können, ohne die Erinnerung zu verlieren. Die Historikerin Eva Bauernfeind-Schimek gibt Hinweise, wie alle Interessengruppen - Pfarren, Gemeindevertreter, Historiker und lokale Initiativen - in Umgestaltungsprozesse eingebunden werden können. Ziel sei es, Denkmäler nicht nur zu erhalten, sondern sie als Lern- und Begegnungsorte zu aktivieren.
Bischof Manfred Scheuer betonte im Rahmen der Buchpräsentation die Bedeutung der sinnlichen Vermittlung von Erinnerung, die auf Anschauung angewiesen sei: "Texte, Briefe, kleine Kunstwerke, Alltagsgegenstände. Erinnerung braucht das Zeugnis der Dinge, das nackte Anschauen der Gefängnisse, der Hinrichtungsorte, der Gaskammern, das Zeugnis der Wahrheit und das Wahrnehmen der tödlichen Ideologie." Nur so könne Erinnerung wirksam werden. Zugleich warnte Scheuer vor einer Übervereinfachung: "An Orten wie Gusen, Hartheim, Gunskirchen, Ebensee oder Ternberg darf es aber nie ein 'Einhausen', eine Eingewöhnung geben." Historische Gedenkorte müssten authentisch bleiben, ohne die Singularität der Opfer durch Verallgemeinerung zu verwässern.
Die Buchpräsentation wurde begleitet von Diskussionen über die Rolle von Kunst und Vermittlung. Meran wies darauf hin, dass Kriegerdenkmäler oft nur durch Dialog und kreative Interventionen für die Öffentlichkeit greifbar werden: "Kunst ermöglicht Perspektivwechsel und eröffnet neue Denkräume, die reine wissenschaftliche Aufarbeitung nicht leisten kann." Schmoller ergänzte, dass Denkmäler als epochale Erinnerungszeichen erhalten bleiben, aber erst durch Kontextualisierung und Vermittlung für Gegenwart und Zukunft Bedeutung entfalten.
Das Buch kann kostenlos beim Eigenverlag der Diözese Linz bezogen werden. Es soll Gemeinden und Pfarren als praktischer Leitfaden dienen, um Kriegerdenkmäler kritisch aufzuarbeiten, in Bildungsprogramme einzubinden und als Orte lebendiger Erinnerung zu nutzen.
Quelle: kathpress