
Meldestelle dokumentiert 726 antisemitische Vorfälle im ersten Halbjahr
Insgesamt 726 antisemitische Vorfälle in Österreich hat die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) im ersten Halbjahr 2025 registriert. Im Vergleichszeitraum 2024 waren es 808 Vorfälle, 2023 - vor dem Hamas-Terrorangriff auf Israel - 311, wie die Meldestelle am Mittwoch mitteilte. Laut IKG-Präsident Oskar Deutsch zeigt der aktuelle Bericht, eine bedrohliche Lage jüdischen Lebens in Österreich; zugleich halte man weiterhin am jüdischen Leben als selbstverständlicher Bestandteil Österreichs und als beste Antwort auf Antisemitismus fest. Jedoch: "Der antisemitische Tsunami wurde zu einer andauernden Überflutung", so Deutsch mit Verweis auf die antisemitischen Übergriffe.
Laut der IKG-Statistik wurden 5 physische Angriffe, 8 Bedrohungen, 78 Sachbeschädigungen, 203 Massenzuschriften sowie 432 Fälle verletzenden Verhaltens dokumentiert. In 77 Fällen war ein Aufruf zu oder eine Verherrlichung von Terror enthalten. Die häufigste Erscheinungsform blieb mit 80 Prozent israelbezogener Antisemitismus, gefolgt von antisemitischem Othering (53,7 Prozent) und Schoa-Relativierungen bzw. -Leugnungen (44,3 Prozent). Seit 2025 wird zudem auch antijudaistischer Antisemitismus als Kategorie erfasst.
Die ideologische Zuordnung der Vorfälle zeigt ein breites Spektrum: 202 Vorfälle wurden politisch links motivierten Personen oder Gruppen zugeschrieben, 195 einem muslimischen Hintergrund, 147 einem rechten - in 182 Fällen blieb der Hintergrund unklar. Der Leiter der Meldestelle, Johannan Edelman, betonte, dass nur verifizierte eindeutige antisemitische Meldungen in die Statistik eingehen. Zugleich sei die Meldebereitschaft rückläufig, weil sich Betroffene zunehmend zurückziehen oder weder Betreuung noch statistische Erfassung wünschen, so Edelman, der von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. Diskriminierungen, Drohungen oder gar Angriffe würden immer häufiger hingenommen, heißt es im Bericht.
IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele sprach von einer "Dauerbelastung" für viele Gemeindemitglieder infolge antisemitischer Übergriffe. Der Alltag sei "von einem latenten Unsicherheitsgefühl begleitet". Politik, Justiz und Zivilgesellschaft seien gefordert, "gegen jede Form des Antisemitismus aufzustehen".
Speziell in den Sommermonaten war eine Häufung von physisch besonders bedrohlichen Vorfällen festzustellen. Laut Meldestellen-Leiter Edelman überstieg die Zahl der dokumentierten Angriffe und Bedrohungen bereits kurz nach Ende des Berichtszeitraums jene des gesamten ersten Halbjahres. Eine statistische Auswertung des gesamten Kalenderjahres 2025 ist für Frühjahr 2026 avisiert.
Die IKG zieht Parallelen zu Entwicklungen in anderen europäischen Ländern: Nach dem Hamas-Massaker vom Oktober 2023 habe sich das Niveau antisemitischer Vorfälle "auf hohem Niveau" eingependelt.
(Vollständiger Bericht: https://www.antisemitismus-meldestelle.at/berichte)
Quelle: kathpress