
Kärntner und Südtiroler Bischof zur Versöhnung zwischen Volksgruppen
Unter dem Titel "Südtirol und Südkärnten: Gesellschaftliche Herausforderungen damals und heute" haben die Landesbischöfe und Landeshauptmänner über Bruchlinien und Wunden europäischer Geschichte in Kärnten und Südtirol diskutiert, wie es der Kärntner Bischof Josef Marketz ausdrückte. Der Zweite Weltkrieg, Nationalsozialismus und Faschismus haben die Fronten zwischen den slowenischsprachigen bzw. italienischsprachigen und deutschsprachigen Volksgruppen verhärtet. "Daraus resultierten Traumata, mit denen wir auch heute leben und umgehen müssen", sagte Marketz am Montag im Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje. Wie auch der Südtiroler Bischof Ivo Muser betonte er die versöhnende Kraft der Kirche damals und heute in den Minderheitenregionen.
Die Kirche habe die Aufgabe, in Zeiten der Spannung Orientierung zu geben und Hoffnung zu stärken, so Marketz. Nach 1945 sei Südkärnten ein Raum der Unsicherheit gewesen. Politische Spannungen zwischen der deutschsprachigen und der slowenischsprachigen Bevölkerung seien durch die Ereignisse des Nationalsozialismus und des Partisanenkampfes verschärft worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei für viele Menschen in Südkärnten die Kirche zu einem der wichtigsten sozialen und moralischen Bezugspunkte geworden. Sie habe Muttersprache, Heimat und Halt im Glauben vermittelt. Heute würden die Kärntner Sloweninnen und Slowenen Kärnten als ihre Heimat bezeichnen.
Das Zweite Vatikanische Konzil und die darauffolgende Diözesansynode hätten entscheidende Impulse für das Miteinander der beiden Volksgruppen gesetzt, die Friedens- und Versöhnungsdimension der Kirche gezeigt und deutlich gemacht, dass "Versöhnung kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess ist", sagte der Kärntner Bischof und ermutigte dazu, die slowenische Sprache und Kultur auch künftig als Schatz und nicht als Problem zu betrachten. "Wir wollen als Kirche auch in Zukunft nicht Zuschauerin, sondern Mitgestalterin gesellschaftlicher Entwicklungen sein und dazu beitragen, Frieden zu stiften, Gerechtigkeit zu fördern und Menschen dazu zu ermutigen, im Anderen nicht nur den Gegner, sondern den Mitmenschen zu sehen.
"Identität in Verschiedenheit"
Der Südtiroler Bischof Muser wies darauf hin, dass der Nationalsozialismus, vor allem aber der Faschismus tiefe gesellschaftliche Spaltungen hinterlassen habe. "Besonders schmerzlich war die sogenannte Option, die Familien, Nachbarschaften, Pfarrgemeinden und die Gesellschaft gespaltet hat", sagte Bischof Muser über die Zwangswahl in Südtirol 1939/40 zwischen Verbleib in Italien oder Übersiedlung ins damalige "Deutsche Reich". Nach dem Zweiten Weltkrieg sei "Identität in der Verschiedenheit zum zentralen Programm" geworden. Dabei habe die Kirche einen entscheidenden Beitrag für Versöhnung, Verständigung und gegenseitigen Respekt in Südtirol geleistet.
"Minderheit ist in erster Linie nicht ein Problem, sondern vor allem Chance, Auftrag und Reichtum", sagte der Südtiroler Bischof. "Auf die eine oder andere Weise" gehörten auch die Gläubigen einer Minderheit an, "und das verändert die Perspektive". Die Kirche in Südtirol stehe heute, wie in vielen anderen Ländern auch, vor Herausforderungen wie Individualisierung, schwindende Glaubenskraft, abnehmende Kirchlichkeit und zunehmende Polarisierung innerhalb der Gesellschaft. Gerade in einer solchen Situation müsse Kirche "Heimat für alle sein, denn wir sitzen alle im selben Boot".
Wachsamkeit
Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser hob die positive wirtschaftliche Entwicklung Südkärntens seit dem Zweiten Weltkrieg hervor und verwies auf Fortschritte im zweisprachigen Schulwesen und die Bedeutung der Elementarpädagogik für die slowenische Sprachentwicklung. Künstlerinnen und Künstler aus Südkärnten hätten weit über die Region hinaus Wirkung entfaltet. Kärnten sei heute geprägt von gegenseitiger Akzeptanz und dem Bewusstsein, dass zwei Landessprachen ein Vorteil seien.
Zugleich rief Kaiser zur Wachsamkeit angesichts jüngster Vorfälle im Südkärntner Raum auf. So war es am 25. Juli zu einem umstrittenen Polizeieinsatz zur Identitätsfeststellung von jungen Erwachsenen aus Österreich, Italien und Slowenien am Persmanhof gekommen. Veranstaltet wurde ein antifaschistisches Camp anlässlich des 80. Gedenkjahres an das Ende des Zweiten Weltkrieges vom Club Slowenischer Studierender in Wien. Auch kommt es aktuell wieder vermehrt zu Beschmierungen von zweisprachigen Ortstafeln.
Der Südtiroler Landeshauptmann Kompatscher, der kurzfristig verhindert war, übermittelte eine Videobotschaft. Er sprach von einer grundsätzlich positiven Entwicklung Südtirols seit 1945 und verwies auf die Bedeutung des EU-Beitritts beider Staaten und der gemeinsamen Währung. Das Jahr 2001 und die weltpolitischen Veränderungen danach hätten jedoch auch Südtirol vor neue Fragen gestellt. Vielfalt müsse als Mehrwert verstanden werden, wofür Politik, Kirche und Gesellschaft gemeinsam Verantwortung trügen.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des Erinnerungsjahrs 2025 statt und wurde gemeinsam vom Bildungshaus Sodalitas und der EURAC Bozen/Bolzano organisiert.
Quelle: kathpress