Versprechen des göttlichen Beistandes
Wortlaut eines Interviews mit Prof. Marianne Schlosser, Vorstand des Instituts für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien, über die Quellen der Lehre vom Heiligen Geist. Erschienen in der Zeitschrift "miteinander" (Ausgabe 5/6 2013).
Frau Prof. Schlosser, die Lehre vom Heiligen Geist und den göttlichen Personen gehört wohl zu den schwierigsten Kapiteln in der christlichen Theologie. Versuchen wir es dennoch: Wie würden Sie Bedeutung und Rolle des Geistes im Glauben beschreiben?
Der Heilige Geist als die dritte göttliche Person gehört genauso zentral zum christlichen Glauben wie die beiden anderen Personen. Das zeigt schon die Tauf-Formel „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes". Bereits die ältesten Glaubensbekenntnisse, die uns überliefert sind, haben diese Grundstruktur: das Bekenntnis zum einen Gott in drei Personen. Im Kreuzzeichen zu Beginn unserer Gebete erinnern wir uns an unsere Taufe und fassen sozusagen unser Bekenntnis zusammen: dem dreifaltigen Gott zu gehören, erlöst zu sein durch Christus, der „dem Willen des Vaters gehorsam, im Heiligen Geist der Welt durch seinen Tod das Leben geschenkt hat." Dass Gott einer und dreifaltig ist, bedeutet, dass wir keine der drei Personen sozusagen „definieren" oder beschreiben können ohne die beiden anderen. Ihre Beziehung zueinander ist ihr Wesen.
Augustinus hat versucht, das mit einem genialen Gedanken verständlich zu machen: Gott ist Geist; wir sind nach dem Bild Gottes erschaffen und ebenfalls geistige Wesen. Wir können feststellen, dass zu unserem Geistig-Sein unverzichtbar drei Fähigkeiten gehören: das Bewusstsein (oft als „Gedächtnis" bezeichnet), das Erkennen und das Lieben. Sie sind verschieden, aber keine davon kann man „heraustrennen". Diese drei Fähigkeiten stehen untereinander in Beziehungen, die den Beziehungen der drei göttlichen Personen „ähnlich" sind.
Dennoch kann man den Eindruck gewinnen, dass der Heilige Geist heute in der Glaubenspraxis ein wenig heimatlos geworden ist. Warum ist der Heilige Geist so wenig greifbar, so wenig Thema in der Frömmigkeit?
Die Schwierigkeit scheint mir in der Tat eher im konkreten Glaubensleben liegen: Man kann sich den Hl. Geist nicht so bildlich „vorstellen", etwa mit einem menschlichen Antlitz, wie man sich den Sohn und vielleicht auch den Vater vorstellt, insofern der Sohn „das Bild des unsichtbaren Gottes" ist (Kol 1,15). Deswegen ist der Hl. Geist aber nicht weniger „Person"! Und das Neue Testament ist voll von Zeugnissen über sein Wirken.
Wo liegen denn biblisch die Quellen für die Rede vom Heiligen Geist?
Dass der Hl. Geist „Herr ist und lebendig macht" (nizäno-konstantinopolitanisches Bekenntnis), also nicht etwa ein a-personales Wehen bezeichnet, hat seine Grundlage in den neutestamentlichen Zeugnissen. Drei Beispiele:
In den Abschiedsreden des Johannes-Evangeliums (Joh 15-16) verheißt Jesus „den anderen, den zweiten Beistand" – der erste Beistand ist Jesus selbst –, der vom Vater und von Jesus selbst gesandt werden wird, und der immer bei den Gläubigen „bleiben" wird. Dieser Beistand (gr. Parakletos) oder „Tröster" (lat. Consolator) wird auch als „der Geist der Wahrheit" bezeichnet, der „in alle Wahrheit einführen", die Glaubenden „an alles erinnern" wird, was Jesus gesagt hat. Der Hl. Geist spricht also nicht über sich selbst, sondern er lässt den Sinn der Worte und Taten Jesu verstehen. Er lässt uns den „Sohn" so sehen, wie ihn der „Vater" sieht, und den „Vater", so wie ihn „der Sohn" sieht.
Das Lukas-Evangelium zeichnet die Gegenwart des Hl. Geistes in besonders deutlicher Weise: Jesus wird nicht wie die Propheten berufen, sondern seine ganze menschliche Existenz ist von der Empfängnis an durch das schöpferische Wirken des Hl. Geistes gebildet. Lukas ist es auch, der das Pfingstereignis schildert und den Weg, den die junge Kirche durch den Hl. Geist geführt wird. Der Hl. Geist selbst ist die Gabe schlechthin, von der alle anderen Gaben Gottes abhängen, „die Gabe über allen Gaben".
Paulus spricht vom „Geist des Sohnes", der den Herzen der Christus-Gläubigen eingegossen ist, und der diese dazu fähig macht, zu Gott in der vertrauensvollen Liebe zu beten, in der Jesus selbst gebetet hat: „den Geist, der ruft: Abba, Vater!" (Gal 4,6; Röm 8,15). Dieser Geist baut die Kirche auf, bewirkt fruchtbares Zusammenwirken der verschiedenen Gnadengaben, so dass niemand nur auf das Seinige bedacht ist, sondern auf das Heil aller (vgl. 1 Kor 13).
Woran kann man denn den Hl. Geist und seine Wirkungen konkret erkennen?
Das Neue Testament zeigt, wie vielfältig die Wirkweisen des Hl. Geistes sind. Ganz grundlegend bewirkt der Hl. Geist, dass Christus „anziehend" wird; er ist ja der Geist der Liebe zwischen Vater und Sohn.
Für das Verhältnis von Christus und dem Hl. Geist in der Kirche hat Thomas von Aquin einen wundervollen Vergleich gebracht: Christus ist das Haupt des Leibes, der Hl. Geist ist das Herz. Beide Organe sind unverzichtbar für den lebendigen Leib. Das Haupt ist sichtbar, das Herz nicht; und das Herz bewirkt vor allem die von innen kommende Bewegung der Glieder. Mit andern Worten: Die Liebe, die ja der Hl. Geist in Person ist, formt den Willen der Gläubigen und bewegt sie dazu, freiwillig Gottes Willen zu suchen, ihn zu lieben und zu verwirklichen. Dann kommen die „Früchte des Geistes" zur Entfaltung (vgl. Gal 5,22f: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung).
Wäre es angesichts der fast schon inflationären Rede von Charismen und frei flottierenden Spiritualitäten nicht an der Zeit, eine theologische "Wiederentdeckung" des Hl. Geistes anzustoßen?
Ja, zweifellos. Ein guter Ansatz wäre da, die alte und über Jahrhunderte hindurch immer wieder meditierte Lehre von den „Sieben Gaben des Hl. Geistes" wieder zu entdecken: In Jes 11 werden Eigenschaften des Messias, des Gesalbten, genannt, die auch den „Christen", den in Taufe und Firmung Gesalbten, geschenkt werden, damit sie diese entfalten: Empfinden für die Heiligkeit Gottes („Furcht des Herrn"), Mitleid und Hilfsbereitschaft gegenüber jedem Menschen, weil man in jedem das Abbild Gottes erkennt („Frömmigkeit"), Verstehen der „Logik der Liebe" im Glauben („Einsicht"), und so fort. Hier geht es nicht um vorübergehende Charismen – in denen nicht die Heiligkeit liegt! –, sondern um die beständige Ausformung der „Geistesverwandtschaft" mit Jesus Christus.
Univ.-Prof. Dr. Marianne Schlosser ist Vorstand des Instituts für Theologie der Spiritualität an Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.