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Was den Kirchen-Rebell bewegte

Seit sich der Gründer der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. vor 25 Jahren durch die eigenmächtige Weihe von vier Bischöfen ins kirchliche Abseits der Exkommunikation manövrierte, hat sich seine Gefolgschaft vermehrt, aber auch mehrfach gespalten - Hintergrundbericht von Ludwig Ring-Eifel (KNA)

25.06.2013

Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), der Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., ist für seine Anhänger bis heute eine Ikone des konservativen Widerstands gegen die "modernistischen" Reformen in der katholischen Kirche. Von den Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), bei dem er zur kleinen Minderheit der Reformgegner zählte, bis zu seinem Bruch mit dem Vatikan 1988 war der Franzose Wortführer all jener, die am alten vorkonziliaren Ritus der Messfeier festhalten und eine Anpassung an die Moderne verhindern wollten. Seit er sich vor 25 Jahren, am 30. Juni 1988, durch die eigenmächtige Weihe von vier Bischöfen ins kirchliche Abseits der Exkommunikation manövrierte, hat sich seine Gefolgschaft vermehrt, aber auch mehrfach gespalten.

Die wichtigste Gruppe ist bis heute die von Lefebvre ins Leben gerufene "Priesterbruderschaft St. Pius X." (FSSPX). Sie wurde 1970 zunächst kirchlich anerkannt - jenem Jahr, in dem die katholische Kirche unter Paul VI. den neuen Messritus verbindlich einführte und damit mit einer mehr als 1.000 Jahre alten liturgischen Tradition brach. Die Piusbrüder halten dies bis heute für fatal.

 

Anders als die noch radikalere Gruppierung der "Sedisvakantisten", die seit Johannes XXIII. (1958-1963) nur Häretiker auf dem Papstthron wähnen, stehen die Piusbrüder trotz ihrer Kritik an Konzilsbeschlüssen und vielen Lehrentscheidungen nach 1965 prinzipiell zum Papsttum. Die Bruderschaft mit ihrem Oberen, dem Schweizer Bernard Fellay, folgt auch darin Lefebvre, der nach eigenem Bekunden nie die Kirchenspaltung anstrebte, sondern den Kurs der katholischen Kirche als konservativer Kritiker zuerst von innen und dann vom Rand her zu beeinflussen versuchte.

 

Wie jeder von seiner Sache überzeugte Rebell wollte auch Lefebvre stets "nur das Beste" für seine Kirche - und doch musste ihn der Vatikan ausschließen, weil er sich nicht an die Spielregeln hielt und den Gehorsam verweigerte. Das Beste für die Kirche - das wäre aus Sicht Lefebvres das Festhalten an den katholischen Riten und Glaubenssätzen aus der Zeit Pius X. (1903-1914) gewesen. Dieser hatte den Modernismus verdammt und den "Feinden Christi" nicht den Dialog, sondern den Kampf angeboten. Mit dieser Haltung stand Lefebvre nicht nur gegen den Zeitgeist der 1960er und 70er Jahre, sondern auch gegen die Päpste.

 

Mit dem Papst Johannes Paul II. hatte er sich an einem weiteren Punkt überworfen. Dessen Bereitschaft zum Dialog mit den anderen Religionen, vor allem das Weltgebetstreffen für den Frieden in Assisi 1986, war in Lefebvres Augen ein weiterer Schritt des Papsttums in Richtung Häresie; ein Untergraben der Lehre, wonach es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gibt. Ähnliches galt für die ökumenische Annäherung an die Protestanten sowie für die kirchliche Anerkennung der bürgerlichen Religionsfreiheit.

 

Ein knappes halbes Jahrhundert nach dem Konzil sympathisieren mehrere hunderttausend Laien und einige hundert Priester auf allen Erdteilen offen mit Lefebvres Bewegung. Am lautstärksten sind sie nach wie vor in Frankreich. Weltweit stellen sie zwar nur knapp 0,1 Prozent der Katholiken - doch sie bewirkten, dass Johannes Paul II. seit 1984 die vorkonziliare Liturgie unter bestimmten Auflagen wieder duldete. Benedikt XVI. erlaubte sie gar 2007 wieder weltweit als "außerordentliche Form" des einen Messritus. 2009 nahm er die Exkommunikation der von Lefebvre unerlaubt geweihten Bischöfe zurück.

 

Für Lefebvre selbst kam all dies zu spät. Die innere Dynamik des Prozesses, der ihn erst zum Wortführer einer konservativen Strömung und dann zum Kirchenspalter von rechts werden ließ, ist bis heute nicht restlos erklärt. Auch der damalige Kardinal Joseph Ratzinger stand vor einem Rätsel, als Lefebvre eine mit ihm am 5. Mai 1988 ausgehandelte Fünf-Punkte-Erklärung buchstäblich über Nacht wieder zurückzog und den Weg in die Exkommunikation wählte.

 

Für seine Anhänger freilich waren seine Motive stets redlich. Sie bezweifelten denn auch, dass sich Lefebvre überhaupt gültig die Tatstrafe der Exkommunikation zuzog, als er drei Jahre vor seinem Tod gegen das Verbot des Papstes vier Bischöfe weihte, um das Überleben seiner Priesterbruderschaft zu sichern. Sie beriefen sich auf kirchenrechtliche Sondermeinungen. Demnach hätte Lefebvre wegen der akuten Notsituation nach dem Konzil ein Recht oder gar die Pflicht gehabt, die päpstliche Anordnung zu übertreten.

 

Noch ist es zu früh zu entscheiden, ob Lefebvre eines Tages als "Retter des alten römischen Ritus" oder als "Ewiggestriger" und Spalter in die Kirchengeschichte eingehen wird. In Papst Franziskus haben seine Anhänger jedenfalls keinen Freund und Förderer. Wie viel Toleranz er ihnen gegenüber aufbringt, ist noch ungewiss.

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