Benedikt XVI. als Kommunikator unterschätzt
Kardinal Christoph Schönborn hat eine mangelnde Wertschätzung Benedikts XVI. bedauert und den emeritierten Papst, dessen Schüler er war, vor dem Vorwurf in Schutz genommen, persönlich für die damaligen Pontifikats-Kommunikationspannen verantwortlich gewesen zu sein. In der Schadensbegrenzung zur Affäre um den Holocaustleugner Richard Williamson etwa habe sich Benedikt XVI., "der für dieses Desaster selbst gar nicht verantwortlich war", sogar als "Meister der Kommunikation" gezeigt, sagte Schönborn bei einer Buchpräsentation am Mittwoch in Rom. Das Problem sei damals die nicht funktionierende interne Kommunikation im Vatikan gewesen.
Obwohl Benedikt XVI. keine Schuld an der Megapanne getroffen habe, habe er sich dennoch in einem Brief an die Öffentlichkeit gewandt und darin die Verantwortung übernommen. Dies mache seine Größe als Kommunikator aus, so der Wiener Erzbischof. Der für den Fall unmittelbar zuständige Kardinal Dario Castrillon Hoyos sowie der damalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone hätten hingegen keinerlei Verantwortung für die Affäre übernommen, kritisierte Schönborn. Dabei wäre dies eigentlich zu erwarten gewesen.
Kardinal Schönborn äußerte sich anlässlich der Präsentation des Buches "L'ultima parola" der italienischen Vatikan-Korrespondentin Giovanna Chirri, zu dem Vatikan-Sprecher P. Federico Lombardi das Vorwort geschrieben hat. Chirri, Mitarbeiterin der italienischen Nachrichtenagentur ANSA, wurde durch die Rücktrittserklärung von Benedikt XVI. am 11. Februar berühmt. Von der Italienerin stammt die erste Meldung, über die Rücktrittserklärung. Aufgrund ihrer Latein-Kenntnisse hatte sie als erste Medienvertreterin den Inhalt der Papstrede erfasst. Ihr Buch ist eine Bilanz des Pontifikats von Benedikt XVI., in der sie auch ausführlich auf die schwierigen Momente - z.B. Regensburger Rede und Causa Williamson - eingeht.
Benedikt XVI. hatte in einem Brief vom März 2009 Fehler in der Vorbereitung der Aufhebung der Exkommunikation von Richard Williamson und weiteren Bischöfen der lefebvrianischen Piusbruderschaft eingestanden. Zugleich beklagte sich der Papst über die unsachgemäße Berichterstattung in den Medien.
Schönborn würdigte die damalige Reaktion des Papstes. Dessen Kommunikationstalent sei allerdings nicht darin gelegen, dass er eine Strategie besessen habe. Benedikt XVI. habe vielmehr darauf vertraut, dass es das "Licht der Wahrheit" sei, das letztlich Klarheit schaffe.
Mangelnde Wertschätzung für Benedikt XVI. in Deutschland
Der Wiener Erzbischof kritisierte auch die mangelnde Wertschätzung Benedikts XVI. in Deutschland. Nach einer kurzen Phase der Euphorie unmittelbar nach der Wahl hätten sich Ignoranz und Unverständnis ausgebreitet.
Auch als Theologe werde Benedikt XVI. in seiner Heimat nur unzureichend gewürdigt, so der Kardinal. Es gebe nur wenige Theologieprofessoren, die das Werk Joseph Ratzingers schätzten.
Schönborn äußerte die Einschätzung, dass Benedikt XVI. einst als der große Klassiker unter den Theologen des 20. Jahrhunderts gelten werde. Ebenso wie John Henry Newman für das 19. Jahrhundert werde Ratzinger für das 20. Jahrhundert der Theologe sein, dessen Werk die Jahrhunderte überdauere wie jene eines Augustinus oder eines Thomas von Aquin. In seiner privaten Bibliothek stehe das Werk Ratzingers schon heute neben jenem des Kirchenvaters Augustinus, verriet der Wiener Erzbischof.