Kritik an Islamgesetz hält weiter an
Zahlreiche problematische Baustellen ortet der Wiener Religionsrechtler Prof. Richard Potz im neuen Islamgesetz, das sich derzeit in Begutachtung befindet. So sei etwa die Hereinnahme der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft problematisch, so Potz in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Die Aleviten seien in vielen Bereichen durchaus anders als der sunnitische und schiitische Islam. So werde man etwa zwei unterschiedliche Formen des Religionsunterrichts anbieten müssen. Auch beim Lehrpersonal für die vorgesehene islamische Theologie an der Universität Wien könne es Probleme geben, wenn man sich auf die Besetzung der Stellen einigen müsse. Seines Erachtens wäre ein eigenes Alevitengesetz sinnvoller gewesen, meinte Potz.
Problematisch sei auch, dass das Gesetz darauf abzielt, dass die Lehre einer potenziellen neuen Religionsgesellschaft nicht ident mit der einer bestehenden sein darf. Potz: "Diese Differenzierung ist heikel, weil zwangsläufig der Staat entscheiden muss, ob sich zwei Gruppierungen genügend voneinander unterscheiden." Und das kann nicht Aufgabe des Staates sein. Wenn zwei Gruppierungen nicht miteinander arbeiten können, aber das gleiche glauben, dann kann der Staat nicht eine anerkennen und die andere nicht. Er halte diese Bestimmung daher für verfassungswidrig, so der Rechtswissenschaftler.
Die größten Probleme ergäben sich daraus, "dass manche aktuellen Gegebenheiten der islamischen Organisationen mit den österreichischen religionsrechtlichen Standards nicht immer in Einklang zu bringen sind". Er denke hier an die Beziehungen islamischer Verbände und Vereine zur "Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) oder das Verbot der Finanzierung aus dem Ausland. Letzteres sei "mehr als bedenklich".
Dilemma Fremdfinanzierung
Potz räumt bezüglich Fremdfinanzierungsverbotes ein Dilemma ein: Einerseits gehöre die Vermögensverwaltung unbestritten zu den inneren Angelegenheiten von Kirchen und Religionsgesellschaften - "und da darf sich der Staat nicht einmischen", was er auch bei anderen Kirchen und Religionen nicht tue. Andererseits stelle aber das Ausmaß der Finanzierung einiger islamischer Einrichtungen in Österreich aus dem Ausland, insbesondere aus der Türkei und aus arabischen Staaten, "ein beachtliches Problem" dar und erhalte bereits eine politische Dimension, "die für einen souveränen Staat nicht unbedenklich ist". Dieses gebe es bei anderen Religionsgesellschaften einfach nicht. Er wisse freilich selbst auch keine Alternative, um diese Problematik in den Griff zu bekommen, gestand der Religionsrechtler ein.
Potz ortete den Muslimen gegenüber auch einen gewissen "Misstrauensvorschuss" im Gesetzesentwurf. Dass hier der Vorrang des staatlichen Rechts vor dem religiösen Recht festgeschrieben ist, sei eine Selbstverständlichkeit, auf die man bei anderen verzichte. Er finde es zudem auch bemerkenswert, dass einige Meldungen aus der IGGiÖ zum Entwurf den Eindruck entstehen ließen, die Vorlage wäre nicht entsprechend mit bestehenden Vertretungen der Muslime verhandelt worden.
IGGiÖ: Manches unabgesprochen
Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Fuat Sanac, hat sich am Donnerstag ebenfalls kritisch zum neuen Islamgesetz und zum Vorgehen der Regierung geäußert. Sanac war auf der islamischen Pilgerfahrt Haddsch in Saudi-Arabien, als Kultusminister Josef Ostermayr und Integrationsminister Sebastian Kurz den Entwurf vergangene Woche präsentierten. Sanac: "Ich habe sie auch gebeten, dass sie auf mich warten", wenn 16 Jahren auf die Novelle gewartet wurde, wäre es laut Sanac auf weitere 16 Tage nicht angekommen. Als er auf Wallfahrt war, habe man einen Gesetzesentwurf präsentiert, in dem einige Punkte vorher nicht mit ihm besprochen worden seien.
Für problematisch hielt der IGGiÖ-Präsident etwa die Bestimmung, wonach laufende Kosten innerhalb der Glaubensgemeinschaft nicht aus dem Ausland finanziert werden dürfen. Das sei ein naiver Vorschlag, so Sanac: "Man kann auch dort bezahlen und hier zum Beispiel auf Bankomatkarte sein Gehalt bekommen. Das nützt nichts und ist auch nicht notwendig."
Sanac warnte in dem Zusammenhang auch vor diplomatischen Verwicklungen. Österreich setze seine traditionell guten Beziehungen zu den muslimischen Staaten aufs Spiel: "Viele Botschafter haben mich angerufen und mitgeteilt, dass sie mit diesen Entscheidungen nicht glücklich sind."
Beim konsequenten Vorgehen gegen radikale Muslime in Österreich seien ihm die Hände gebunden, versicherte Sanac: "Die Gesetze erlauben uns nicht, zu kontrollieren oder ihnen etwas zu verbieten." Konkret verlangte Sanac eine Änderung des Vereinsgesetzes: Wenn ein Verein gegründet wird, der mit dem Islam zu tun hat, dann müsste dieser nach den Vorstellungen der IGGiÖ deren Zustimmung einholen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft würde kontrollieren, "ob alles in Ordnung ist".
Muslimische Jugend fordert Überarbeitung
Auch die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) hat den aktuellen Entwurf eines neuen Islamgesetzes "mit größter Empörung" zurückgewiesen, wie es in einer Presseaussendung hieß. Die Vorlage der neuen Rechtsvorschrift bedeutet nicht nur eine Entmündigung muslimischer Bürger in Österreich, sondern "einen willkürlichen Eingriff des Staates in die inneren Angelegenheiten einer offiziell anerkannten Religionsgemeinschaft". Die Muslimische Jugend forderte eine umfassende Überarbeitung des vorliegenden Entwurfes sowie die Einbeziehung von muslimischen Vertretern "auf gleicher Augenhöhe".
Der gesetzlich festgeschriebene Generalverdacht gegenüber jedem Muslim sei untragbar und stelle einen "juristischen Skandal" dar. Das aktuelle Weltgeschehen dürfe nicht als Anlass für Verschärfungen genutzt werden, sondern es brauche eine sachliche und seriöse Diskussion.
Äußerst bedenklich stimme die ungleichmäßige Behandlung von Muslimen im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften in Österreich. Eine Vielzahl von Sonderbestimmungen im Gesetzesentwurf sei weder im Israelitengesetz noch im Protestantengesetz zu finden und nehme Muslimen die Möglichkeit, sich als vollwertige Bürger zu fühlen, hielt die Muslimische Jugend fest.
Die derzeitige Vorlage zerstöre etwa jegliches islamische Vereinsleben und führe zu einer massiven Einschränkung der Vereinsfreiheit. Die Unabhängigkeit muslimischer Vereinigungen müsse weiterhin gewährleistet sein.