
Kirche sollte Vegetarier mehr wertschätzen
Der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger wünscht sich mehr kirchliche Wertschätzung und Engagement für ethisch verantwortlichen Fleischkonsum und Vegetarismus. Eine vegetarische Lebensweise habe etwa bei Ordensleuten früher als Vorwegnahme des Paradieses gegolten, und noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) sei der fleischlose Freitag eine fixe Speisevorschrift in der katholischen Kirche gewesen, sagte Rosenberger, der auch Umweltsprecher der Diözese Linz ist, in einem Interview mit "Kathpress" am Donnerstag. Anlass war sein neues Buch "Im Brot der Erde den Himmel schmecken".
Vor allem beim Tierschutz sieht der Theologe kirchlicherseits Aufholbedarf. Im Bereich der Ökologie schätzt er das Bemühen kirchlicher Einrichtungen "überdurchschnittlich" ein, auch wenn nach oben hin "noch Spielraum ist".
Das Thema Tierschutz sei im Vergleich dazu in der katholischen Kirche "leider noch wenig angekommen". Wünschenswert wäre aber eine Verbindung beider Themen, so Rosenberger.
Hinter der stiefmütterlichen Behandlung des Tierschutzes vermutet der Moraltheologe die rationalistische Entwicklung im 17. Jahrhundert, für die namhafte Philosophen wie etwa Rene Descartes und mit ihm eine unüberbrückbare Grenze zwischen dem Mensch als vernünftigem und dem Tier als unvernünftigem Wesen stehen. Die Kirche habe diese strikte Trennung zwar nicht intendiert, ihr aber auch nicht widersprochen. Somit konnte sich die Sichtweise im christlichen Abendland durchsetzen und bis ins Heute hinein wirken.
Ein Blick auf die Bibel mache deutlich, dass weder die Lehre Jesu noch die Bibel an sich diese Sichtweise unterstützen, betonte Rosenberger. Gerade die Reden Jesu, in deren Zentrum die Gerechtigkeit als Schlüsselfrage stehe, hätten weitgehende ethische Auswirkungen auf das Essverhalten und die Lebensmittelproduktion. Dort wo Gerechtigkeit zur Schlüsselfrage wird, haben Massentierhaltung oder der Raubbau an der Natur keinen Platz mehr, befindet der Theologe mit klaren Worten.
Jede Religion kennt Essensregeln
Regeln für Essen und Trinken gibt es laut dem Theologen in allen Religionen, auch im Christentum. In der katholischen Kirche seien die Vorschriften dazu aber mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gelockert worden, um den Menschen mehr Eigenverantwortung zu geben.
Dabei sei u.a. das Gebot der Fleischabstinenz am Freitag in das Gebot irgendeines frei wählbaren Freitagsopfers verändert worden.
"Ob das so klug war, bin ich mir nicht sicher", äußerte der Theologe Bedenken. Denn die völlige Beliebigkeit des Freitagsopfers habe dazu geführt, dass die Menschen es ganz vergäßen.
Erneut ein striktes Fleisch-Verbot für den Freitag einzuführen, werde jedoch nicht viele erreichen. Der fleischlose Freitag sollte aber zumindest als "Ratschlag innerhalb der Kirche" formuliert werden. Dadurch könnten neue Perspektiven eröffnet und zu einem Blick über den eigenen Tellerrand ermutigt werden.
Wertschätzung und Engagement der Kirche im Bereich ethischer Ernährung müsse aber in der Praxis beginnen. Für kirchliche Bildungshäuser etwa wünscht sich der Theologe "umgedrehte Speisekarten". Ganz oben sollten vegetarische Gerichte stehen, nicht Fleischgerichte, so Rosenberger.
Zurzeit seien es vor allem die kontemplativen Orden, wie die Trappisten oder die Karmelitinnen in Linz, die vegetarisch leben. Durch ihre zurückgezogene Lebensweise fehle ihnen aber die nötige Außenwirkung. "Wichtig wären deshalb die großen Orden", denn diese hätten vielfach ihre Häuser für Gäste geöffnet und somit eine größere Vorbildwirkung.
Schließlich plädierte der Theologe dafür, den Vegetarismus zum Evangelischen Rat zu erheben. Zurzeit betrachtet die Kirche Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam als Evangelische Räte und fordert, dass sie alle drei gemeinsam gelebt werden. Sinnvoll wäre, so Rosenberger, eine Auflösung dieser Einheit, die es bis ins 12. Jahrhundert hinein so nicht gegeben habe. In dem Moment könnte etwa auch die vegetarische Lebensweise als vierter Evangelischer Rat eigenständig - also auch für verheiratete Menschen - hinzukommen.
Der Würzburger Diözesanpriester ist Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe zur Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung und forscht zu Themen der Umwelt- und Tierethik.
Das Buch "Im Brot der Erde den Himmel schmecken" ist im August im "oekom"-Verlag erschienen, umfasst 446 Seiten und ist für 34,95 Euro im Buchhandel erhältlich.