
Geschichte "eng mit Kirche verbunden"
Die Universität Wien hat am Donnerstagabend ihren 650. Gründungstag im Wiener Stephansdom gefeiert. Vertreter der Universität, der Religionsgemeinschaften in Österreich, aus Staat und Gesellschaft sowie das gesamte Domkapitel kamen zu einem ökumenischen Wortgottesdienst, um sich "auf die Tiefe der Quellen zu besinnen, aus denen Wissenschaft und Weisheit seit jeher geschöpft haben", wie Kardinal Christoph Schönborn betonte. Verlesen wurde im Rahmen der Feier, bei der ein Kranz für den in der Domkrypta bestatteten Universitätsstifter Rudolf VI. niedergelegt wurde, auch eine Grußbotschaft von Papst Franziskus.
Der lutherische Bischof Michael Bünker unterstrich in seiner Predigt das nötige Wechselspiel von Vernunft und Glaube sowie den Platz der Theologie in den Wissenschaften: Theologie bewahre die Vernunft vor reiner Selbstbeschäftigung, trete für deren Freiheit ein und rufe zu "wacher und kritischer Zeitgenossenschaft" auf. Damit sei sie eine "Anwältin der Wissenschaft, die die Vernunft vor Unvernunft bewahrt", nahm Bünker Bezug auf Papst Benedikt XVI. in dessen Regensburger Rede 2006. Umgekehrt sei auch christlicher Glaube ohne Vernunft nicht vorstellbar: "Vernunft kann Glaube vor Irrglaube bewahren", so der oberste heimische Vertreter der evangelischen Kirche A.B.
Nach Worten von Papst Franziskus muss sich die Universität außer um Wissen ebenso um das "Erkennen, was recht, gut und wahr ist", bemühen und in Zeiten notwendiger Spezialisierung das Ganze nicht aus den Augen verlieren. Der Papst sprach in seinem Brief die Prinzipien der Vernunft und Wahrheit an, die die Freiheit der Wissenschaft begründeten, im Laufe der Universitätsgeschichte jedoch manchmal auch missachtet worden seien; heute bestehe die Herausforderung darin, diese Freiheit durch Mittelvergabe, Förderungen, Nützlichkeits-Orientierung oder Machteinflüsse nicht zu gefährden. "Die Vernunft darf nicht die Sensibilität für das Wahre, den Mut zur Wahrheit verlieren", so sein Auftrag. Weiters erinnerte der Papst daran, dass die christliche Welt des Mittelalters "Nährboden" für die Universitätsgründung gewesen sei.
Gemeinsame Höhen und Tiefen
Auf die seit Anfang enge Verbindung und gemeinsame Geschichte der Universität und der Katholischen Kirche in Wien wies auch Universitätsrektor Heinz Engl hin: So habe Rudolf IV. im Jahr 1365 bloß vier Tage nach der Universität das Wiener Domkapitel gegründet, das zum Grundstein für den erst rund 100 Jahre später errichteten Wiener Bischofssitz werden sollte. Monate später am 18. Juni erfolgte die päpstliche Genehmigung durch Urban V. Der jeweilige Wiener Dompropst war dann über Jahrhunderte stets Kanzler der Universität - bis 1873, als diese Funktion auf die 1384 gegründete Katholische Fakultät beschränkt wurde.
Universität und katholische Kirche hätten in Wien gute und schwierige Zeiten stets gemeinsam durchlebt, betonte Engl. So habe nach der Hochblüte im ersten Jahrhundert ab der Gründung die Reformationszeit eine schwere Krise für die damals päpstliche Einrichtung brachte. Belastend sei später jedoch auch der Streit mit dem ab 1551 tonangebenden Jesuitenorden gewesen, bis schließlich Kaiserin Maria Theresia im 18. Jahrhundert dessen Einfluss auf die Universität zugunsten der Professoren beschränkte. Im nächsten Jahrhundert habe Wohlstand und die Bildungsreform zu einem erneuten Aufbruch beigetragen.
Auf die dunklen Jahrzehnte der Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts legte der Rektor besonderes Augenmerk: Als besonderer "Ort weltanschaulicher Auseinandersetzung", habe es hier gegen Ende der Monarchie eine Radikalisierung gegeben, an der Unrecht, Gewalt und Antisemitismus eingezogen seien; die Universität rufe dies "mit Trauer" in Erinnerung und gedenke der Opfer im Nationalsozialismus, unterstrich Engl. Zahlreiche jüdische Lehrende wurden ab 1938 ihrer Ämter enthoben und landeten in Konzentrationslagern.
Heute sei die Universität Wien säkular, dabei aber Heimat für die Theologie in Forschung und Lehre geblieben, und zwar für katholisches, evangelisches und orthodoxes Christentum ebenso wie für Judentum und Islam, betonte der Universitätsrektor. Eine heutige Herausforderung sei es, dass für Menschen aus bildungsfernem Hintergrund der Zutritt weiterhin erschwert sei. Engl erinnerte an die Worte von Kardinal Franz König vor 50 Jahren zum 600. Gründungstag: Seine Mahnung, zu einer Umschichtung der Gesellschaft beizutragen, sei auch in der Gegenwart aktuell.
Größte und älteste deutschsprachige Uni
Bereits am Donnerstagvormittag hatte ein Festakt im Festsaal der Universität mit Bundespräsident Heinz Fischer, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Bürgermeister Michael Häupl stattgefunden. Am Freitag stand eine Eröffnungskonferenz zum Thema "Global Universities as Driving Forces of Innovations" auf dem Programm, die den wissenschaftlichen Auftakt für das Jubiläumsjahr bildet.
Die Universität Wien - im lateinischen Namen "Alma Mater Rudolphina Vindobonensis" - wurde am 12. März 1365 gegründet. Heute ist sie mit rund 92.000 Studierenden und 9.500 Mitarbeitern die älteste und größte Hochschule im gesamten deutschsprachigen Raum und eine der größten in Mitteleuropa. 187 Studienrichtungen werden derzeit angeboten.