Zentrale Papstanliegen in Wenders-Film "passgenau rübergebracht"
Der deutsche Starregisseur Wim Wenders hat in seinem neuen Film zentrale Botschaften des Papstes "passgenau rübergebracht": Diesen Eindruck über den am kommenden Donnerstag in Österreichs Kinos anlaufenden Dokumentarstreifen "Papst Franziskus - ein Mann seines Wortes" äußerte der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück nach einer Preview im Gespräch mit "Kathpress". Auch die Pastoraltheologin Viera Pirker und der Wiener Dompfarrer Toni Faber zeigten sich danach beeindruckt von Wenders' gelungenem Mix aus filmisch dokumentierten Papstauftritten bei Reisen und Empfängen und ruhigen Interviewpassagen des Regisseurs mit Franziskus.
In diesem Zusammenschnitt aus insgesamt vier rund zweistündigen Gesprächen trete der Papst sehr authentisch und jenseits von "vorgestanzten Worten" um Formulierungen ringend sympathisch auf, befand Tück. Der Papst-Wunsch nach einer "armen Kirche für Arme" werde durch entsprechende Bilder noch anschaulicher, z.B. wenn der höchste Vertreter des katholischen Christentums von protzigen Hochsicherheitslimousinen der Securities begleitet wird, während er selbst in einem "Mister-Bean-Auto" im Konvoi mitfährt.
Laut dem Wiener Theologen erweist sich Franziskus als glaubwürdiger "Apostel des Ohres", der sein jeweiliges Gegenüber aufmerksam ansieht und ihm zuhört. Eindrucksvolle Bilder zeigen den Blick des Papstes für jene, die sonst übersehen werden, z.B. bei filmisch aufgezeichneten Besuchen an Orten der europäischen Migrationskrise wie Lampedusa und Lesbos, in einem Roma-Lager und in afrikanischen Krankenhäusern, wo er auf die verzweifelte Mutter eines todkranken Kindes trifft.
Für gelungen hält Tück auch die Parallelsetzung zwischen dem Papst aus Argentinien und seinem Namensgefährten im mittelalterlichen Assisi, dessen radikale Bekehrung in Schwarz-Weiß-Szenen nachgestellt wird. Dies werde zur aktuellen Kehr-um-Botschaft an die Begüterten dieser Welt, die auf Kosten der meisten anderen leben; der Sonnengesang mit dem Lobpreis "Laudato si" an die Schöpfung werde zum Protest gegen den Raubbau an der Erde; und die Reise des Bettelmönchs zum Sultan, der sich im Krieg mit christlichen Kreuzrittern befindet, zum gerade heute aktuellen Appell, Menschen jenseits religiöser Differenzen als Geschwistern zu erkennen.
Die enorm wache Sensibilität des Papstes für konkretes Leiden, seine Haltung der Barmherzigkeit kommt nach den Worten Tücks "ohne jede Verhärmtheit" aus: Auch der Wenders-Film zeige: Compassion geht einher mit der Freude am Evangelium, immer wieder blitzt in einzelnen Szenen auch der Humor des Papstes auf.
"Sie könnten ein Papst-Fan werden..."
"Gleichsam face to face wird im Film der Mensch Franziskus im höchsten Kirchenamt gezeigt, als leidenschaftlicher Seelsorger, dem ein aufrichtiges Lächeln und die persönliche Zuwendung so viel mehr bedeuten als eine theologisch überspitzte Diskussion über dieses oder jenes Erlaubt-Sein oder Doch-Nicht-Erlaubt-Sein": So gab Dompfarrer Faber in einem "Kurier"-Kommentar seine Eindrücke von der Dokumentation wieder.
Wim Wenders gelinge es, "den geistbewegten, leidenschaftlichen und, ja, auch zärtlichen Menschen hinter dem Reform-Papst" mit teils aus den Vatikan-Archiven entnommenen Filmsequenzen herauszustreichen. Skeptische Bemerkungen über die Qualität seiner Theologie wirkten demgegenüber "wie überhebliche Haarspaltereien" und sind laut Faber höchst verzichtbar. Der Dompfarrer schloss seine Filmempfehlung mit der Prognose an seine Leser:
Sie könnten zu Tränen gerührt werden und ein Papst-Fan werden, falls Sie es nicht eh schon sind.
Selbst für gut informierte Papstkenner sei der Film "ein lohnendes Erlebnis", bekannte die Theologin und Filmexpertin Viera Pirker in ihrer Rezension auf "feinschwarz.net":
Ich sehe viele Bilder ganz neu, bin überrascht und berührt von einzelnen Momenten.
Vor allem zeige Wenders die Kirche, die der Papst sich wünscht und vorlebt, in einer "Dringlichkeit, die keine kirchliche Pressestelle bisher erreicht hat". Als "Mann seines Wortes" spreche Franziskus viel in diesem Film, "vor allem aber handelt er". Seine bloße Präsenz in seiner weißen Soutane, seine spürbare Hoffnung für die Menschheit stellen laut Pirker vor die Frage: "Was tun wir selbst für die Erneuerung jener Welt, die unsere einzige ist?"
"Der Papst, den die Welt gerade braucht"
Der mehrfach Oscar-nominierte Wenders suchte nicht die kritisch-erkundende Distanz, sondern die Nähe eines Bewunderers:
Ich habe nach einigen Überlegungen vorgeschlagen, nicht einen biografischen Film über den Papst zu machen, sondern einen Film mit ihm.
Der Zuschauer folgt dem Pontifex an die "Ränder der Gesellschaft": zu Flüchtlingen auf Lampedusa und in die Favelas von Rio. Neben Kolumbiens Präsident Evo Morales fordert der Papst mehr Rechte für Landarbeiter; in Memphis umarmt er Gefangene, in Rom wäscht er ihnen am Gründonnerstag die Füße. Wenders erhielt nach eigenen Angaben freie Hand bei der Sichtung der Archive des Vatikanfernsehens. So verfolgt der Zuschauer Franziskus auf der Weltbühne: am Ground Zero, in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem oder vor dem US-Kongress, wo er den Waffenhandel anprangert. Korruption und Machtstreben geißelt er auch an der eigenen Kurie.
In der aktuellen Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" wandte sich Wim Wenders gegen manche Kritik an einer Glorifizierung seiner Hauptfigur. Dahinter stehe "das Ressentiment, Kino sei keine Plattform für spirituelle Themen. Was für ein Unsinn!", sagte Wenders. Das Kino dürfe alles - "sogar predigen", betonte der Filmemacher.
Franziskus erscheint in seinem Streifen als Mann der Vorsehung, seine Umwelt-Enzyklika "Laudato si" als prophetischer Appell an die Menschheit. "Gott schickt uns den Papst, den die Welt gerade braucht", erklärt die Ordensfrau Eufemia, die ihm aus seiner Zeit in Argentinien verbunden ist. Sie ist die einzige Person, die Wenders zusätzlich zu Wort kommen lässt.
Der 96 Minuten lange Dokumentarfilm "Papst Franziskus - ein Mann seines Wortes" läuft am Donnerstag, 14. Juni, in den österreichischen Kinos an.
Quelle: kathpress