Corona: NGOs in Österreich vor existenzbedrohender Situation
Spendeneinbußen, fehlende staatliche Unterstützung und Kosten für die notwendige Rückholung von Personal aus Entwicklungsländern stellen gemeinnützige Organisationen in Österreich vor existenzbedrohende Situationen. "Wir wollen weitermachen, wenn es uns ermöglicht wird", meinte etwa Mariama Sow, stellvertretende Geschäftsführerin der Initiative "Volontariat bewegt" im Gespräch mit Kathpress. Ihr von den Salesianern Don Boscos und dem Hilfswerk "Jugend Eine Welt" gegründete Verein habe keine finanziellen Rücklagen, um sich die nächsten Monate selbst finanzieren zu können, Sow. Die Bundesregierung sei nun gefordert "Klarheit zu schaffen", forderte Sow, da auch viele andere Organisationen getroffen seien.
Dringend notwendig seien mehr Rechtssicherheit und Zukunftsperspektiven für zivilgesellschaftliche Organisationen, monierte auch kritisierte die Geschäftsführerin der "AG Globale Verantwortung", Annelies Vilim. "Die angekündigte Coronahilfe ist aber noch nicht in Sicht." Seit nunmehr bereits sieben Wochen hätten NGOs weder Zugang zum staatlichen Härtefonds noch zum Nothilfefonds. Die Voraussetzungen dafür seien auf die Wirtschaft, nicht aber auf gemeinnützige Organisationen abgestimmt, erklärte Vilim. Aktuell bemühe man sich um Gespräche mit der Bundesregierung, Ziel sei ein runder Tisch mit den politisch Verantwortlichen aus Sozial- und Finanzministerium sowie dem Bundeskanzleramt.
Zur Rettung der gemeinwohlorientierten Organisationen in der Covid 19-Krise hat die AG Globale Verantwortung gemeinsam mit dem Bündnis für Gemeinnützigkeit - dem u.a. auch die Armutskonferenz sowie der Fundraising Verband Austria angehören - Vizekanzler Werner Kogler und Finanzminister Gernot Blümel einen "6-Punkte-Plan" vorgelegt. Darin werden verschiedene Lösungsansätze unterbreitet, wie die Sicherstellung der Liquidität der Organisationen, Kurzarbeit für NGOs oder finanzielle Zuschüsse zu den Fixkosten. Das Schreiben sei aber bislang unbeantwortet geblieben, wies die Geschäftsführerin hin.
Gemeinnützige, zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Sozial-, Umwelt-, entwicklungspolitischen und humanitären Bereich bräuchten dringend Unterstützung, um auch nach Abklingen der Corona-Pandemie, ihre Hilfen weiterhin anbieten zu können, appellierte Vilim. NGOs hätten zudem auch kaum finanziellen Rücklagen, da die meisten als gemeinnützige Vereine organisiert seien, die keinen Gewinn machen dürften.
Rückholaktion von "Volontariat bewegt"
Für "Volontariat bewegt" brachte die Corona-Pandemie die "intensivste Arbeitszeit, die wir je hatten", meinte Mariama Sow. So mussten Förderanträge umgeschrieben, der Verein neu organisiert und die heimgeholten Volontäre betreut werden. Wegen der Pandemie wurden alle Freiwilligen innerhalb von 48 Stunden aus Ländern des "Südens" heim nach Österreich geflogen. "Innerhalb weniger Tage hat sich damit nicht nur der Lebenstraum der Volontäre aufgelöst, sondern auch die Geschäftsgrundlage unserer Initiative", sagte Sow.
Alle Bemühungen seien gepaart mit der Angst, "ob die Leistungen, die wir gerade erbringen, überhaupt im Sinne der Fördergeber sind. Denn die Förderungen basieren darauf, dass es freiwillige Einsätze im Ausland gibt", erläuterte Sow. Aktuell habe die Nachbetreuung der Volontäre oberste Priorität, "dafür gibt es auch Verständnis bei den Fördergebern".
Die Volontariate für Sommer 2020 wurden mittlerweile abgesagt, betroffen sind 30 Volontäre zwischen 18 und 25 Jahren, die meisten davon Maturanten. "Wir hoffen auf 2021", meinte die Expertin von "Volontariat bewegt". Das Interesse an Auslandseinsätzen sei nach wie vor vorhanden, die Bewerbungszahlen würden trotz Corona nicht nachlassen.
Auch Spendeneinbußen sind ein Problem
Aktuell hätten viele Organisationen mehr zu arbeiten als vor der Corona-Krise, bestätigte Dachverbandsvertreterin Vilim. Viele Mitarbeiter müssten heimgeholt, Förderanträge adaptiert und Partnerorganisationen im Ausland verstärkt unterstützt werden. Wegen der aktuellen Problemlage sei ein Antrag auf Kurzarbeit für die Mitarbeiter oft nicht möglich, erklärte Vilim. Eine Herausforderung sei auch der Corona-bedingte Einbruch der Spenden. Zu rechnen sei mit Einbußen von mehreren Millionen Euro. Viele NGOs in Österreich stünden nun vor einer ungewissen Zukunft.
Aktuell arbeiten laut AG Globale Verantwortung rund 250.000 Menschen oder 6,7 Prozent der unselbstständig Beschäftigten im sogenannten "Dritten Sektor". Der Beitrag von NGOs und gemeinnützigen Organisationen zur Bruttowertschöpfung soll im Jahr 2019 bei 11,5 Milliarden Euro oder 3,2 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts gelegen sein.
Die AG Globale Verantwortung ist ein Dachverband mit 35 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe, darunter auch kirchliche wie Caritas, Katholische Frauenbewegung oder Diakonie. (Links: www.globaleverantwortung.at; www.volontariat.at)
Quelle: kathpress