Sozialstaat muss besonders Gefährdete schützen
Starke Sozialstaaten reduzieren die Armutsgefährdung der gesellschaftlichen Mitte, effektive Hilfen brauche es angesichts der Corona-Krise jedoch bei Kinderarmut, älteren Arbeitslosen, Altersarmut und chronischen Erkrankungen. Diese Erkenntnisse hat die Armutskonferenz aus den am Donnerstag vorgelegten Armutszahlen der Statistik Austria gezogen, die sich noch auf 2019 - als von einer Pandemie noch keine Rede war - beziehen. "In der Krise jetzt müssen wir die Stärken des Sozialstaats erhöhen und die Schwächen korrigieren", so die Forderung.
Sozialleistungen tragen laut dem Bündnis entscheidend zum sozialen Ausgleich bei und wirken armutspräventiv: "Sie reduzieren die Armutsgefährdung von 45 auf 13 Prozent." Am wirksamsten seien Arbeitslosengeld, Notstands- und Mindestsicherung sowie Wohnbeihilfe und Pflegegeld. Während die Lohneinkommen und die Vermögen laut der Armutskonferenz auseinander gehen, blieben die Haushaltseinkommen in Österreich relativ stabil. "Die soziale Schere geht auf, der Sozialstaat gleicht aus", wird dessen Bedeutung unterstrichen.
Dennoch seien Kinder, Frauen im Alter, Alleinerzieherinnen, Langzeitarbeitslose und chronisch Kranke besonders gefährdete Gruppen. Gerade die hohen Wohnkosten würden viele in Existenznöte bringen. Die Armutskonferenz warnte vor Kürzungen in der Mindestsicherung und damit verbundenen Verschlechterungen: "Das erhöht soziale Unsicherheit und vergrößert die Schere zwischen Arm und Reich in Österreich." Die Krise zeige, wie wichtig jetzt eine gute Mindestsicherung statt einer schlechten Sozialhilfe wäre, betonte die Armutskonferenz.
Sie erwartet von der Regierung die rasche Umsetzung der im Regierungsprogramm vermerkten Punkte zur Armutsbekämpfung, etwa beim Umgang mit Minderheiten und Menschen am Rand, beim bundesweiten Ausbau früher Hilfen, bei der Übernahme von Therapien und bei der Ferienbetreuung von Kindern. Wichtig sei auch, den Unterhalt mit Familienbeihilfe zu verlängern, Jugendhilfe länger als bis zum 18. Lebensjahr zu gewähren und niederschwellige Familienberatungsangebote ausbauen. Gegen "vererbte" Armut solle ein "Chancenindex" an Schulen helfen, und auch in die Verfassung gelte es soziale Grundrechte einzubringen.
Daten 2019 von Corona überholt
Laut der Pressemitteilung der Statistik Austria waren bereits 2019 knapp eineinhalb Millionen Menschen in Österreich armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, davon 303.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Diese Zahlen - basierend auf der Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC) - sind durch die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung jedoch Schnee von gestern.
Die Europa-2020-Strategie von vor mehr als einem Jahrzehnt hatte als Kernziel im Sozialbereich formuliert, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen oder bedrohten Menschen bis zum Jahr 2020 EU-weit um mindestens 20 Millionen Personen zu senken. Das entsprechende österreichische Ziel der Armutsreduktion um 235.000 Personen wurde 2019, mit einem Jahr Verspätung, annähernd erreicht. Eine Nachfolgestrategie seitens der Europäischen Kommission steht noch aus. (Info: www.armutskonferenz.at; www.statistik.at)
Quelle: kathpress