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AKV/Politische Akademie

AKV-Symposium bekräftigt Auftrag der Christen in der Politik

Finanzminister Blümel, Bischofskonferenz-Generalsekretär Schipka, Rechtswissenschaftler Mazal und Sozialethikerin Gabriel debattieren Begriff "christlich-sozial" - AKV-Präsident Kukacka verabschiedet sich mit hochkarätigem Symposium und Sammelband

09.09.2020

Christen haben einen Auftrag in Politik und Gesellschaft und müssen dafür ihre geistigen Fundamente immer wieder reflektieren und fruchtbar machen. Das war die übereinstimmende Meinung eines hochkarätigen Symposiums der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände am Dienstagabend in Wien. Zu Wort kamen dabei als Referenten Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, der Sozial- und Familienrechtsexperte Prof. Wolfgang Mazal und die katholische Sozialethikerin Prof. Ingeborg Gabriel. Aufgrund der Corona-Bedingungen war die Teilnehmerzahl der mehrfach überbuchten Veranstaltung begrenzt und wurde via Facebook live übertragen.

 

Minister Blümel bekräftigte die bleibende politische Relevanz der Katholischen Soziallehre, mit der er sich schon in seiner Diplomarbeit im Rahmen des Philosophiestudiums befasst hatte. "Was ist die Soziale Frage heute?" - Dieser Zugang müsse laut Blümel in einer Grundsatzdebatte prioritär sein. Erst danach könne man anhand der nach wie vor gültigen Prinzipien der Katholischen Soziallehre Lösungen suchen.

 

Sei es bei der Sozialen Frage des 19. Jahrhunderts um das Massenelend des Industrieproletariats gegangen, so gehe es heute "um die finanzielle und kulturelle Zukunft des Mittelstands", so der ÖVP-Politiker. Viele hätten den Eindruck, man arbeite, aber es bleibe nichts übrig, und daneben gebe es viele, die ohne zu arbeiten auch viel bekommen. Diesem breit wahrgenommenen Missverhältnis müsse man sich in der Politik stellen und dabei fragen, was eine christlich-soziale Antwort darauf sein kann, so Blümel.

 

Gemeinwohlorientierung

 

Von Politikern ist aus christlicher Sicht gefordert, dass sie sich am Gemeinwohl orientieren. Das betonte Peter Schipka in seinem Statement und räumte ein, dass dies nicht einfach sei, zumal die Gemeinwohlorientierung oft die Zukunft betrifft und gegen die Interessen der jetzt Lebenden gerichtet sein kann, wie es beispielsweise beim Klimaschutz der Fall sei.

 

Grundsätzlich verdiene es "Hochachtung", wenn Politiker bzw. Parteien sich einer christlichen Ausrichtung verschrieben. "Sie machen sich angreifbar, weil sie an diesem hohen Standard auch gemessen werden wollen. Sie dürfen auch nicht überrascht sein, wenn sie daran gemessen werden", so Schipka, der exemplarisch einige für Christen wichtige Themen benannte. Dazu zähle die Förderung der Familie und deren steuerliche Entlastung ebenso wie der Schutz des freien Sonntags, der den Familien - und vielen anderen - gemeinsame freie Zeit ermöglicht. Auch die Zukunft der Pflege und die Gefahr der Vereinsamung von Menschen könne Christen nicht unberührt lassen.

 

Zentral sei der "Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen", so der Bischofskonferenz-Generalsekretär, der im Blick auf die Befassung des Verfassungsgerichtshofes zum Thema Beihilfe zum Suizid christliche Politiker ermunterte, sich in die Debatte einzubringen. Es gelte klar zu machen, dass die in Österreich "geltende Rechtslage der Verfassung entspricht bzw. die Verfassung keine Beseitigung dieses Schutzes fordert".

 

Unaufgeregter Realismus

 

Die Sozialethikerin Prof. Gabriel erinnerte daran, dass die Katholische Soziallehre nicht nur philosophische Wurzeln habe, sondern dass die Fragen nach Recht und sozialer Gerechtigkeit auch in der Bibel zentral seien. Das christliche Menschenbild zeichne ein "unaufgeregter Realismus" aus. Das Wissen um menschliche Schwächen und seine Sterblichkeit ermögliche ein "nüchternes Innehalten" und gebe Orientierung.

 

Soziale Fragen drehten sich heute oft um die gerechte Verteilung der vorhandenen materiellen Grundlagen im weltweiten Kontext, so die an der Wiener Theologischen Fakultät lehrende Sozialethikerin. Die christliche Antwort darauf sei "ein Mehr an Multilateralismus und globaler Solidarität", gerade angesichts eines erstarkenden Nationalismus. Es gelte die Europäische Integration genau so zu fördern wie die Regionalisierung im Sinne einer Stärkung des ländlichen Raumes.

 

Christliche Spezifika

 

Das spezifisch Christliche im Unterschied zu anderen Religionen und Weltanschauungen stellte der Sozialrechtsexperte Mazal in das Zentrum seiner Ausführungen. Dazu zähle die radikale Anerkennung der Person als Subjekt unabhängig von familiären und anderen Zugehörigkeiten. Das sei gemeint, wenn im Neuen Testament von einem "Neuem Volk Gottes" die Rede sei.

 

Typisch christlich und von grundlegender Bedeutung sei auch die "Differenz von staatlicher und religiöser Sphäre", so Mazal, der auf das Wort Jesu verwies, wonach man dem Kaiser geben soll, was des Kaisers ist, und Gott, was Gott gehört. Das unterscheide ein christliches Gesellschaftskonzept vom islamischen Konzept der Umma und der damit verbundenen Identität von Religion und Staat. "Aus christlicher Sicht sind daher religiöse Symbole zu achten, solange sie nicht gleichzeitig staatliche Symbole sind", so der Rechtswissenschaftler an der Uni Wien.

 

Stabübergabe bei der AKV

 

Eröffnet wurde die Tagung vom langjährigen AKV-Präsidenten Helmut Kukacka, der sich gleichzeitig aus seiner Funktion verabschiedete, nachdem kurz vor dem Symposium mit Matthias Tschirf sein Nachfolger an der Spitze der AKV gewählt worden war. Bei seinem "Abschied von einem auf Zeit verliehenen Ehrenamt" erinnerte Kukacka an den Stellenwert einer christlich inspirierte ökosozialen Marktwirtschaft.

 

Wer sich für den Begriff "christlich-sozial" einsetze, solle dies nicht einseitig tun, gerade wenn man sich auf Papst Franziskus und sein Lehrschreiben "Laudato si" berufe, merkte Kukacka kritisch an. Für die Päpste gehörten Umweltökologie und Humanökologie, also der absolute Schutz des Lebens genauso wie der Schutz der Umwelt, zusammen. Wer das nicht zusammenhalte, betreiben eine "Doppelmoral", so Kukacka bei seinem letzten offiziellen Auftritt als AKV-Präsident.

 

Gleichsam als Rechenschaftsbericht über die letzten Jahre präsentierte Kukacka am Ende des Symposiums die Broschüre "65 Jahre AKV. Der Auftrag der Christen in Staat und Gesellschaft". Darin werden auf 170 Seiten zahlreiche Vorträge namhafter Referenten sowie offizielle Resolutionen und Projekte der AKV in einer Auswahl dokumentiert.

 

Mitveranstalter des AKV-Symposiums war die Politische Akademie der ÖVP. Die gemeinsame Veranstaltung sei ein konkreter Beitrag zur Debatte über den Begriff "christlich-sozial", wie die Leiterin der ÖVP-Bildungseinrichtung, Bettina Rausch, erklärte. Diesem Thema sei auch der von Rausch jüngst herausgegebene Sammelband "Christlich-soziale Signaturen. Grundlagen einer politischen Debatte" gewidmet. Er enthält u.a. Beiträge von Caritas-Bischof Benno Elbs, den Sozialethikern Clemens Sedmak und Ingeborg Gabriel sowie der Theologin und Werteforscherin Regina Polak.

 

Die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände wurde April 1954 im Niederösterreichischen Landhaus in Wien begründet. Ihr gehören knapp 20 katholische Organisationen an, darunter der Cartellverband, die Sportunion, der Mittelschüler-Kartell-Verband und die Christliche Lehrerschaft. Die AKV organisiert sich eigenverantwortlich und wirtschaftlich selbstständig. Sie ist formell von den Strukturen der Kirche unabhängig, versteht sich aber als bewusst loyal zum kirchlichen Leitungsamt.

 

(Infos: www.akv.or.at)

 

 

Quelle: kathpress

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