Vatikan: Williamson muss alles zurücknehmen
Er muss Shoah-Leugnung vollinhaltlich zurücknehmen; die vier lefebvrianischen Bischöfe, deren Exkommunikation aufgehoben wurde, haben keine Funktion in der Kirche
Vatikanstadt (KAP) Das Päpstliche Staatssekretariat hat am Mittwoch die seit Tagen erwartete Klarstellung veröffentlicht: Der lefebvrianische Bischof Richard Williamson muss die Leugnung der Shoah vollinhaltlich zurücknehmen; die insgesamt vier lefebvrianischen Bischöfe, deren Exkommunikation aufgehoben wurde, haben keine Funktion in der katholischen Kirche und keine Erlaubnis, priesterliche oder bischöfliche Dienste in der katholischen Kirche auszuüben; die "unerlässliche Vorbedingung" für Verhandlungen über eine Anerkennung der "Pius-Bruderschaft" ist die volle Akzeptanz des Zweiten Vatikanischen Konzils und "des Lehramts der Päpste Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II. und Benedikt XVI."
In der Erklärung des Staatssekretariats wird neuerlich unterstrichen, dass Papst Benedikt XVI. "zum Zeitpunkt der Aufhebung der Exkommunikation" keine Kenntnis von der Leugnung des Holocaust durch Richard Williamson hatte. Die Thesen Williamsons über die Shoah seien "absolut inakzeptabel" und würden "vom Heiligen Vater entschieden zurückgewiesen".
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko:
Vatikanstadt, 4.2.09 (KAP) Es war nicht der Papst persönlich, der eine weitere Klarstellung zur Auseinandersetzung um die Rücknahme der Exkommunikation der vier lefebvrianischen Bischöfe vorgelegt hat. Aber immerhin meldete sich das Päpstliche Staatssekretariat und damit die zentrale vatikanische Verwaltungsbehörde zu Wort, um die Wogen zu glätten. Das war bisher weder dem Papst persönlich durch eine bewegte Stellungnahme am 28. Jänner noch dem vatikanischen Pressesprecher P. Federico Lombardi SJ gelungen.
Die Note stellt klar, dass der Papst bei der Aufhebung der Exkommunikation nichts von Richard Williamsons skurrilen Äußerungen gewusst habe. Und sie widerspricht der Behauptung, Benedikt XVI. habe einen Holocaust-Leugner als katholischen Bischof "rehabilitiert": Williamson werde erst dann eine Funktion in der katholischen Kirche erhalten können, wenn er öffentlich und unmissverständlich seine Aussagen zum Holocaust widerrufen hat. Im übrigen bleibt er - ebenso wie die drei anderen lefebvrianischen Bischöfe - so lange suspendiert, bis sie das gesamte Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) und die Lehre aller nachfolgenden Päpste anerkannt haben. Dazu zählen ausdrücklich auch die von den Lefebvrianern oft geschmähten Konzilspäpste Johannes XXIII. und Paul VI.
Die Note des Staatssekretariates enthält in der Sache wenig Neues - aber sie präzisiert und antwortet auf Missverständnisse. Im Prinzip waren die Bedingungen für eine Rückkehr der Lefebvrianer klar. Jedoch legten die Betroffenen die geforderte Annahme des Konzils auf höchst eigenwillige Art aus, bis hin zum Ausspruch eines der vier Bischöfe, der Vatikan müsse sich nun zu ihnen bekehren. Williamson selbst hat sich zwar beim Papst entschuldigt, aber mit keinem Wort seine Leugnung des Holocaust erwähnt.
Neben inhaltlicher Präzisierung demonstriert die Note vor allem Klarheit gegenüber dem Verdacht eines vatikanischen Kompetenz-Wirrwarrs. Bislang vermuteten manche einen Alleingang des kolumbianischen Kurienkardinals Dario Castrillon Hoyos (der an der Spitze der Kommission "Ecclesia Dei" steht, die für die Betreuung der rückkehrwilligen Lefebvrianer zuständig ist), vorbei an vatikanischen Dienstwegen und Kontrollmechanismen.
Der Schritt signalisiert, dass die weitere Abwicklung und Umsetzung des Gnadendekrets der Bischofskongregation in geordneten und zuverlässigen Bahnen erfolgt; mit dem Ziel der vom Papst ersehnten Kircheneinheit. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Vatikan-Note auf die umstrittene Intervention der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückgeht. Vatikanprälaten äußerten sich verwundert und überrascht über deren Aufforderung an den Papst, er möge Dinge klarstellen, die er bereits klargestellt hatte. Im übrigen vermuteten Beobachter schon seit Tagen, dass sich das Staatssekretariat, dessen Chef Kardinal Tarcisio Bertone am Mittwoch in Spanien zu Gast war, über kurz oder lang einschalten würde.
Erste Reaktionen, etwa des Jüdischen Weltkongresses, lassen vermuten, dass dem Vatikan jetzt eine Klärung gelungen ist. Jedoch gab es schon zuvor von jüdischer Seite Signale, dass der Dialog weitergehen würde - wie auch die Planungen für eine Papstreise nach Israel. Schwieriger dürfte der Dialog mit den Lefebvrianern sein. "Der Ball liegt jetzt im Feld der Lefebvrianer", meinte am Mittwoch ein kurialer Monsignore. Nach dem Entgegenkommen des Papstes müsse der Generalobere der "Pius-Bruderschaft", Bernard Fellay, den nächsten Schritt tun. Erst müsse man die "Lehrfragen" klären, dann könne man auch über Struktur- und Rechtsfragen und alles weitere reden.
Freilich gibt es auch Stimmen, die dem vatikanischen Apparat vorhalten, dass man sich die "Zores" hätte sparen können, wenn man bereits am 24. Jänner mit ebensolcher Klarheit wie jetzt in der Note des Staatssekretariats formuliert hätte. Und manche fügen maliziös hinzu, dass man sich vielleicht auch ein anderes Datum für die Veröffentlichung hätte einfallen lassen können - nicht gerade den Vorabend des 50. Jahrestags der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch Johannes XXIII.
Auf einem ganz anderen Blatt steht freilich, welche Konsequenzen der Vatikan aus dieser Panne zieht. Theoretisch kann der Papst jederzeit Personalveränderungen vornehmen - was jedoch allenfalls mittelfristig denkbar scheint. Spannend ist auch, welche Präventionsmaßnahmen Rom nun ergreift; ob für die Zukunft eine bessere Kommunikation zwischen den kurialen Abteilungen angestrebt wird, wie sie Kardinal Walter Kasper einmahnt. Denn daran haperte es im Umgang mit dem Gnadenakt für die Lefebvrianer...