Diözese Linz rückt Pfarrer Wagners Haiti-Aussagen zurecht
Generalvikar Lederhilger: Heutige Theologie hält es für völlig unangebracht und unverantwortlich, Naturkatastrophen als "Strafe Gottes" für unmoralisches Verhalten der Opfer zu interpretieren
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Linz, 31.01.10 (KAP) Der Linzer Generalvikar Severin Lederhilger hat Aussagen des Windischgarstener Pfarrers Gerhard Maria Wagner zur Erdbebenkatastrophe in Haiti zurechtgerückt. Die heutige katholische Theologie halte es für völlig unangebracht und für unverantwortlich, Naturkatastrophen als "Strafe Gottes" für unmoralisches Verhalten der Opfer zu interpretieren, verwies Lederhilger am Sonntag auf eine Stellungnahme, die er bereits 2005 aus ähnlichem Anlass veröffentlicht hatte. Naturereignisse und die Moralität des Menschen seien zwei verschiedene, voneinander zu unterscheidende Ebenen, so Lederhilger.
In einem Interview in der Tageszeitung "Kurier" (Sonntagsausgabe) gefragt, ob bei der Katastrophe "ein strafender Gott am Werk war", antwortete Wagner: "Das weiß ich nicht. Gott lässt sich nicht in seine Karten schauen. Aber es ist schon interessant, dass in Haiti 90 Prozent Anhänger von Voodoo-Kulten sind." Ähnlich hatte Wagner den Hurrikan "Katrina", der New Orleans zerstörte, als "Strafe Gottes" bezeichnet.
Bereits damals hatte Generalvikar Lederhilger betont, in der Vergangenheit, als man die naturgesetzlichen Ursachen für solche Katastrophen noch nicht kannte, sei üblich gewesen, diese mit dem zornigen Handeln von Göttern oder mit einem Strafhandeln des Schöpfergottes in Verbindung zu bringen. Dies sei heute aber "Ausdruck einer geradezu zynischen, fundamentalistischen Bibelinterpretation", wenn zwischen der Sündhaftigkeit der Menschen und von vermeintlich von Gott geschickten Naturkatastrophen ein unmittelbarer Zusammenhang hergestellt werde, um die Überlebenden zu mahnen durch den Tod und das Leid anderer Menschen. Das katholische Lehramt habe in seinen Verlautbarungen der jüngsten Zeit nie einen solch unmittelbaren Zusammenhang hergestellt, unterstrich Lederhilger.
Zugleich hob Lederhilger aber auch hervor, dass es legitim und nützlich sei, die Frage zu stellen, ob Menschen selbst durch ihr Verhalten und Handeln Mitverursacher solcher Katastrophen sind: "Wenn die Natur in ihrer Gesetzmäßigkeit nicht entsprechend respektiert wird, kann das negative Folgen für Menschen haben." Es sei auch angebracht, wenn sich Menschen angesichts von Katastrophen Gedanken über den Sinn des Lebens, die Vergänglichkeit und die Möglichkeit eines plötzlichen Endes des Lebens machen und sich fragen, ob ihr Leben im Angesicht eines - wie immer verursachten - plötzlichen Todes bestehen und moralischen Ansprüchen und sozialen Maßstäben gerecht wird.
Erst recht aber sollten Katastrophen die Haltung des Mitleids und der Solidarität mit den Betroffenen auslösen, "damit jene Menschen, deren Leben schwer beschädigt worden ist, den Glauben an die Humanität und die Güte Gottes nicht verlieren", so der Generalvikar.
In Haiti sind 80 Prozent der Bewohner Katholiken, dazu kommen rund 10 Prozent weitere christliche Konfessionen. Der "Voodoo"-Kult hat offiziell nur wenige Anhänger, einzelne religiöse Praktiken, die aus dieser Tradition kommen, finden sich in breiteren Schichten der Bevölkerung, die darin keinen Widerspruch zu ihrem christlichen Glauben sehen. Manche Experten bezweifeln allerdings die von manchen genannten hohen Prozentzahlen an "Voodoo"-Anhängern und sehen dafür keine gesicherten Quellen.
Bischof gegen "emotionale Aufheizung"
Anlass des "Kurier"-Interviews mit Pfarrer Wagner war der erste Jahrestag seiner Ernennung zum Linzer Weihbischof, auf die er später verzichtete. Erst vor kurzem hatte Wagner in einem Beitrag im Programmheft der "Resonanzen", dem Festival der Alten Musik im Wiener Konzerthaus, heftige Kritik an der Lage der Kirche geübt. Der Linzer Bischof Ludwig Schwarz hatte daraufhin einseitige Schuldzuweisungen und pauschale Verdächtigungen als nicht förderlich für die Einheit der Kirche kritisiert.
Es sei nicht zu bestreiten, "dass es neben dem vielen Guten auch Sorgen und Spannungen in unserer Kirche gibt", so der Bischof. "Was wir brauchen ist ein nüchternes und sachliches Gespräch und nicht die emotionale Aufheizung, wie sie Pfarrer Wagner in einem Wiener Programmheft veröffentlicht. Dass wir in der Diözese bereit sind für Versöhnung und Dialog, haben wir im vergangenen Jahr bekundet. Mag sein, dass wir hier noch manches intensivieren müssen."