Lebenskunst
8.11. | 07:05 | Ö1
Von der Weisheit des Herzens in Tagen des Schreckens – Bibelessay zu Weisheit 6,12-16
Manchmal, gar nicht so selten, beinhaltet jahrtausendealte Literatur Lebenshilfe für die Gegenwart. Am Sonntag, 8. November, steht ein Abschnitt aus dem alttestamentlichen Buch der Weisheit auf der katholischen Leseordnung: Für den Psychotherapeuten, Seelsorger und Bischof der Vorarlberger Diözese Feldkirch Benno Elbs vermag sie, eine Botschaft gerade in diese Tage mitzugeben. Es sind Tage, in denen Geschichten des Grauens mit Geschichten der Hoffnung und Solidarität zusammengehen. In den sozialen Medien haben Menschen berichtet, was sie unmittelbar nach der Terror-Tat am Abend des 2. November in der Wiener Innenstadt erlebt haben. Sie erzählten von den Hotelmitarbeitern, die Passantinnen und Passanten aufgenommen und die ganze Nacht lang versorgt haben. Sie berichteten von den beiden Männern, die einem verletzten Polizeibeamten das Leben retteten; vom Straßenbahnfahrer, der außerhalb einer Station stehen blieb, um Fliehende aus der Gefahrenzone zu bringen; oder von der muslimischen Frau, die am Morgen die Beamtinnen und Beamten der Polizei mit Gebäck und Kaffee versorgte. Es sind Geschichten des Zusammenhalts, Geschichten, die den Frieden und das Miteinander groß schreiben. So zu handeln ist Weisheit des Herzens, die vor der Tür meines Lebens sitzt und Einlass sucht, sagt Bischof Benno Elbs.
Ich folge der Religion der Liebe – Gedankliche Reise zum Grab des Philosophen, Mystikers und Sufi Ibn Arabi
„Mein Herz hat sich für jegliche Form geöffnet / Es ist eine Weide für Gazellen / und ein Kloster für christliche Mönche / und ein Tempel für Götzenbilder / und die Kaaba der Pilgernden / und die Tafeln der Torah / und das Buch des Korans / Ich folge der Religion der Liebe / Welchen Weg die Kamele der Liebe auch einschlagen / das ist meine Religion und mein Glaube.“ Worte des im 12. und 13. Jahrhundert lebenden muslimischen Mystikers, Philosophen und Sufi Ibn Arabi, die gerade in Tagen religiös verbrämten Terrors zu denken geben. Geboren 1165 im heute spanischen Murcia hat sich Ibn al-ʿArabī nach vielen Reisen 1223 in Damaskus niedergelassen, wo er 1240 gestorben ist. Bis heute kann man sein Grab in der syrischen Metropole besuchen, mehr noch: Es ist ein Wallfahrtsort. Lise Abid hat es vor Jahren aufgesucht und erinnert sich gern daran. Und sie hat mit dem Islamwissenschaftler Yunus Valerian Hentschel, der aus einer österreichischen Sufi-Familie stammt und in Damaskus zu Ibn Arabi geforscht hat, über den bedeutenden Sufi und Dichter gesprochen. Ein Beitrag auch zum Ö1-Schwerpunkt „Nebenan. Erkundungen in Europas Nachbarschaft: Syrien“.
Zwischen Turnertempel und Storchenschul – Einstmals jüdisches Leben im 15. Bezirk Wiens
Nächte des Terrors auch vor 82 Jahren, das Gedenken an die Novemberpogrome 1938 führt unter anderem in den 15. Bezirk Wiens. Die jüdischen Vorstadtgemeinden „Fünfhaus“ und „Sechshaus“ reichen als religiöse Gemeinde bis 1846 zurück, als jüdischer Siedlungsort einige Jahrzehnte weiter. Davon erzählen nicht zuletzt bis heute Straßen- und Gassennamen im 15. Wiener Bezirk „Rudolfsheim-Fünfhaus“, westlich des Wiener Stadtzentrums und jenseits des „Gürtels“. So waren in der Herklotzgasse 21 soziale Vereine der jüdischen Gemeinde untergebracht. Die Storchenschul, auch Storchentempel genannt, war eine Synagoge in der Storchengasse 21. Sie wurde ursprünglich unter anderem als Schule genutzt und erst 1930 in eine Synagoge umgebaut. Der Turnertempel wiederum war eine Synagoge in der Turnergasse 22, einer Gasse, benannt nach dem Turnverein Sechshaus. Die Arnsteingasse erinnert an den Bankier und Großhändler Nathan Adam Freiherr von Arnstein, gestorben 1838, der mit der stadtbekannten Salonière Fanny von Arnstein verheiratet war. In diesem „Dreieck seiner Kindheit“, wie Moshe Hans Jahoda (geb. 1926 in Wien, gest. 2016 Israel) das Grätzl genannt hat, blühte jüdisches Leben, das jäh zerstört und ausradiert wurde: Mit den Pogromen am 9. und 10. November 1938 begann die systematische Vertreibung und Ermordung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten. Heute ist Rudolfsheim-Fünfhaus eines der multikulturellsten Viertel Wiens. Eine interkulturelle katholische Schule, das sogenannte Schulzentrum Friesgasse, errichtet auf dem Grund des Palais der jüdischen Familie Arnstein-Pereira-Fries, zeigt sich ihrer Verantwortung bewusst, die evangelisch-methodistische Kirche hat in der Sechshauserstraße ihre Zentrale, mehrere römisch-katholische Kirchen und eine koptisch-orthodoxe Kirche befinden sich auf dem Gebiet. 82 Jahre nach den Novemberpogromen hat sich Maria Harmer auf Spurensuche nach der jüdischen Vergangenheit des 15. Wiener Bezirks gemacht und ist im Archiv fündig geworden: Der im Grätzl geborene Moshe Hans Jahoda erzählt.
Ein Gebäude macht Karriere – Zu Besuch im Martinsdom von Eisenstadt
Als vor 60 Jahren die "Apostolische Administratur Burgenland" zu einer vollwertigen Diözese aufgewertet wurde, da musste für den neuen Bischof selbstverständlich ein Amtssitz und eine Bischofskirche gefunden werden. Die Politik hatte diese Entscheidung freilich im Grunde schon einige Jahrzehnte davor vorweggenommen – denn: Mit der Erhebung von Eisenstadt zur Landeshauptstadt des neuen Bundeslandes im Jahr 1925 war bereits klar, dass hier - mit hoher Wahrscheinlichkeit, zumindest - früher oder später auch ein römisch-katholischer Diözesanbischof residieren würde. Zur Kathedrale der neuen Diözese wurde die Pfarrkirche Sankt Martin erhoben, benannt nach dem in der römischen Provinz Pannonia geborenen späteren Soldaten und noch späteren Kriegsdienstverweigerer Martin von Tours. Der einstmalige römische Soldat ließ sich taufen und wurde schließlich als Heiliger verehrt, dessen Gedenktag der 11.11. ist. Ein Gebäude macht Karriere, könnte man sagen - denn in der römisch-katholischen Kirche sind sogar die sakralen Bauwerke hierarchisch geordnet. Markus Veinfurter mit einem Beitrag zum Jubiläum "60 Jahre Diözese Eisenstadt".
Redaktion & Moderation: Doris Appel