Lebenskunst
20.12. | 07:05 | Ö1
Von Grotten und Kulten – Besuch der Mithras-Kultstätte am Neusiedlersee
Am Vortag der Wintersonnenwende, wenn der kürzeste Tag und die längste Nacht überwunden sind, heuer hierzulande am 21. Dezember rund um 11 Uhr vormittags, besucht LEBENSKUNST eine ehemals geheime Kultstätte aus dem 3. Jahrhundert. Sie befindet sich im ungarischen Fertörákos (auf Deutsch: Kroisbach) ganz in der Nähe von Mörbisch und ist Teil des österreichisch-ungarischen UNESCO-Welterbes „Fertö / Neusiedler See". Die Grotte ist dem römischen Sonnengott Mithras geweiht, dessen Verehrung wiederum auf den altiranischen Gott Mithra zurückgehen dürfte und besonders zu den Sonnenwenden zelebriert wurde. Zur Zeit der Einführung des Julianischen Kalenders lagen die Sonnenwenden auf dem 24. Juni und dem 25. Dezember – Parallelen nicht nur zu Weihnachten drängen sich auf. Manche Riten von Mithraskult und Christentum scheinen einander tatsächlich inspiriert zu haben. Die Organisation in kleinen Kultgemeinden und die Beschränkung nur auf Männer widersprechen freilich einer Gemeindereligion wie dem Christentum. Das Relief an der Wand der Mithras-Grotte von Fertörákos zeigt eine Stiertötung. Nach der mithräischen Mythologie hat Mithras einen Stier verfolgt, eingefangen und auf seinen Schultern in eine Höhle getragen, wo er ihn zur Erneuerung der Welt opferte. Aus Blut und Samen des Stiers sollen sich die Erde und alles Leben regenerieren. Nicht nur davon erzählt die Kunsthistorikerin Ursula Düriegel, die Maria Harmer die Mithras-Grotte und das Relief unter Einhaltung aller Corona-Auflagen gezeigt hat.
Der Jude Jesus – Eine Heimholung
In wenigen Tagen wird weltweit, bewusst oder unbewusst, religiös, säkular oder sowohl als auch, die Geburt eines jüdischen Babys gefeiert, in dem viele Menschen den in alten Heiligen Schriften verehrten Messias, übersetzt Christus, erkannt haben und erkennen: Jesus von Nazareth. Wer aber ist dieser Wanderprediger, der rund um die sogenannte „Zeitenwende“ gelebt hat, für Jüdinnen und Juden? Wer kann er für sie heute sein? Walter Homolka, Rabbiner, Universitätsprofessor für Jüdische Religionsphilosophie und engagiert im interreligiösen Dialog, hat diesen Fragen ein Buch gewidmet und damit eine besondere Begegnung ermöglicht – für Juden und Jüdinnen genauso wie für Christinnen und Christen: „Der Jude Jesus – Eine Heimholung“ ist bei Herder erschienen. Brigitte Krautgartner hat das Buch gelesen und mit Walter Homolka gesprochen.
Beethovens Missa Solemnis – Und die Geburt der Kunst aus der Religion
Am Donnerstag, 17. Dezember, jährt sich zum 250. Mal der Tauftag Ludwig van Beethovens, sein genauer Geburtstag im Jahr 1770 ist nicht bekannt. Wenn auch Corona viele Beethoven-Projekte verhindert hat, im Bereich der Buchneuerscheinungen in diesem Beethoven-Jahr fällt eine Publikation schon allein durch den Titel auf: „Kult und Kunst - Beethovens Missa Solemnis als Gottesdienst". Auf knapp 300 Seiten zeichnet der Kulturwissenschaftler Jan Assmann die Geschichte der katholischen Messfeier nach - ausgehend vom Letzten Abendmahl Christi über die Ausformung liturgischer Abläufe, den mehrstimmigen Gesang bis hin zu heutigen Vertonungen. Am Beispiel der "Missa Solemnis" Beethovens zeigt Assmann "Die Geburt der Kunst" aus der Religion, genaugenommen aus der Entwicklung der Gottesdienstliturgie und ihrer Musik. Gerhard Krammer, der bei Ö1 das Ressort Aktuelle Musik leitet, ist den Überlegungen mit Begeisterung gefolgt und hat mit Jan Assmann gesprochen.
Von der Bereitschaft, das Unerwartete zuzulassen – Bibelessay zu Lukas 1,26-38
Mehrfach steht der biblische Text von der Ankündigung der Geburt Jesu auf dem Leseplan der katholischen Kirche – und heuer gleich zweimal innerhalb kürzester Zeit: Am Festtag der Empfängnis der Maria im Schoss ihrer Mutter, am 8. Dezember, um damit auszudrücken, dass sie von der ersten Sekunde ihrer Existenz an erwählt ist, „den Retter“ zu gebären. Und dann wieder am vierten Adventsonntag, wenn das Geburtsfest dieses Retters kurz bevorsteht. Der Name Jesus ist dabei nicht von ungefähr gewählt, geht er doch auf das hebräische Jeschua oder Jehoschua zurück, was „Gott rettet“ bedeutet. Eine wundersame Erzählung mit vielen Andeutungen und Versprechen ist dieser Text, aufgeschrieben im um das Jahr 80 verfassten Lukasevangelium. Der katholische Theologe und Professor für Judaistik an der Universität Wien, Gerhard Langer, sieht in ihm einen Ruf gegen die Skepsis, gegen die Hoffnungslosigkeit, gegen die Verzweiflung und für die Bereitschaft, das Unerwartete und Überraschende in seinem guten Sinn zuzulassen. Das, so Gerhard Langer, ist keine Frage des Glaubens, sondern der inneren Einstellung zur Welt und zum Leben.