Lebenskunst
LEBENSKUNST – Begegnungen am Feiertag, 25.12.2020
Fasten, beten und feiern – Weihnachten bei den orthodoxen Mönchen in St. Andrä am Zicksee
Sie feiern das Weihnachtsfest nicht wie andere orthodoxe Kirchengemeinden am 6./7. Jänner, sondern wie die Westkirche am 24./25. Dezember und in den Tagen darauf: griechisch-orthodoxe Christinnen und Christen und so auch die Mönche im burgenländischen St. Andrä am Zicksee. Ende September konnte – wenn auch coronabedingt weniger feierlich als geplant – der Grundstein für das erste griechisch-orthodoxe Kloster in Österreich gelegt werden. Derzeit lebt, betet und feiert freilich die Mönchsgemeinde noch gegenüber dem Bahnhof von St. Andrä in nebeneinander liegenden Reihenhäusern. Dort hat sie Maria Harmer schon vor den Feiertagen besucht und sich in die „göttliche Liturgie“ von Weihnachten einführen lassen.
Der Statist in der Weihnachtskrippe – Hintergründe zum „Nährvater“ Josef
In keiner Weihnachtskrippe darf er fehlen, er ist Teil des „trauten hochheiligen Paars“ – und dennoch recht schweigsam und still: der vielleicht berühmteste „Stiefvater“ der Geschichte. Welche Rolle ist dem „Nährvater“ des Jesus von Nazareth, dem Heiligen Josef, darüber hinaus zugedacht? Und was hat sein Beispiel zu bedeuten? Markus Veinfurter hat in Theologie, Bibelwissenschaft und Bildender Kunst recherchiert.
“Meine Religion ist Menschlichkeit“ – Das Projekt des Suchdeep Singh
Er feiert die Feste, wie sie fallen, auch Weihnachten – und er glaubt an die Menschlichkeit. Der in der Religion der Sikhs aufgewachsene gebürtige Inder Suchdeep Singh ist mit gerade einmal 17 als Flüchtling allein nach Österreich gekommen. Heute ist er 34, Projektmanager bei Siemens und hat das Flüchtlingsheim, in dem er sechs Jahre lang gelebt hat, gekauft: das ehemalige Laura-Gatner-Haus im niederösterreichischen Hirtenberg. Hier entstehen nun mehrere Mietwohnungen und vier Sozialwohnungen. Susanne Krischke hat Suchdeep Singh während des Umbaus getroffen und sich von seinen Erfahrungen und Ideen erzählen lassen.
Alles anders als sonst – Bibelessay zu Lukas 2,1-14
Die Ungewissheit in Bezug auf die Gestaltung der traditionellen Familienfeier ist in diesem Jahr groß, die Angst vor Infektion mit dem Coronavirus allgegenwärtig, die richtigen Geschenke zu kaufen, schwierig. Doch gleich, wie Menschen die „Heilige Nacht“ und den Morgen danach erleben – sie ereignet sich, ist der Bischof der katholischen Diözese Gurk-Klagenfurt, Josef Marketz, überzeugt. Ein göttliches Kind wird geboren, ein Menschenleben beginnt, ohne Verwandte seiner Eltern, ohne Geschenke, in aller Einfachheit anschlussfähig für viele unterschiedliche Lebenssituationen.
Moderation: Brigitte Krautgartner
Redaktion: Doris Appel
LEBENSKUNST - Begegnungen am Feiertag, 26.12.2020
Die erste Märtyrerin – Thekla aus Ikonium
Am katholischen Hochfest des ersten christlichen Märtyrers, des „Erzmärtyrers und Erzdiakons Stephanus“, begibt sich Markus Veinfurter auf die Spurensuche nach der ersten Märtyrerin: Als „Protomärtyrerin“ gilt die Heilige Thekla, eine Frau aus der Umgebung des Apostels Paulus, deren gewaltsamer Tod aber durch mehrere Wunder verhindert werden konnte. So soll ein Regenguss ihren Scheiterhaufen gelöscht haben – und in der Arena wurde sie angeblich von einer Löwin vor den anderen wilden Tieren verteidigt.
Caritas-Präsident Michael Landau – Weihnachtsbräuche der Kindheit und das Streben nach Gerechtigkeit
Er ist Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien, Präsident der Caritas Österreich und seit Mai 2020 auch Präsident der Caritas Europa; ist Doktor der Biochemie und Doktor der Theologie, katholischer Priester und väterlicherseits jüdischer Herkunft: Michael Landau, der ungebrochen daran glaubt, dass jeder und jede Einzelne die Kraft und den Mut haben kann, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. In einem Gespräch mit Sandra Szabo blickt „der Anstifter zur Menschlichkeit“ zurück auf Weihnachtstage seiner Kindheit und erinnert sich an „ungewöhnliche Bräuche“ in seiner Familie. Der 60-Jährige erzählt über seine Eltern und sagt, dass sich diese gemeinsam über Unrecht ärgern konnten. Die Mutter war Katholikin, der Vater Jude, der in Shanghai den Holocaust überlebt hat. Weihnachten habe man „ganz normal“ gefeiert, so der Caritas-Präsident, der auch an Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnert: Man dürfe nicht als Liebesgabe anbieten, was als Gerechtigkeit geschuldet sei.
Der Sufismus – Eine kaum bekannte Seite des Kosovo
Zur Vielfalt der Kulturen in der Balkan-Region gehört auch der Sufismus – eine spirituelle Ausprägung des Islam mit ganz besonderen, mystischen Traditionen, die sich vom orthodoxen Islam oft stark unterscheiden. Sufis aus dem Kosovo und aus Albanien leben auch in Wien, und die letzten Tage des Jahres sind für sie – so wie für unzählige andere Menschen – eine Zeit des Innehaltens und sich Erinnerns. Hinzu kommt freilich für einige von ihnen die Suche nach einem inneren Sinn und einem göttlichen Prinzip. Lise Abid hat mit einer Psychologin gesprochen, die familiäre Wurzeln in dieser Region Europas hat.
Den Himmel offen sehen – Bibelessay zu Apostelgeschichte 6,8-10;7,54-60
Am Zweiten Weihnachtsfeiertag, dem sogenannten Stephanitag, steht ein Text aus der neutestamentlichen Apostelgeschichte auf dem Leseplan der katholischen Kirche, der davon erzählt, wie Stephanus, ein engagierter und weiser Diakon aus der Jerusalemer Urkirche, von seinen Gegnern gesteinigt wird. Vor seinem Sterben sieht Stephanus den Himmel offen, er sieht „die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes“, wie es heißt. Für die Theologin, Pädagogin und Psychoanalytikerin Helga Kohler-Spiegel aus Feldkirch in Vorarlberg eine Erzählung, die darin bestärkt, nicht aufzugeben: Jeder Mensch, egal welches Geschlecht, welchen sozioökonomischen Status oder welche Herkunft jemand hat, jeder Mensch kann die Botschaft vom offenen Himmel leben und sie umsetzen. Im Großen wie im Kleinen, vom Umweltschutz bis zu den Menschenrechten, kann er oder sie erfahrbar machen, dass das Leben und die Liebe stärker sind als Tod und Gewalt.
LEBENSKUNST - Begegnungen am Sonntagmorgen, 27.12.2020
Weihnachten anders – Multiethnische Stimmen zum Fest der Feste
Es ist nolens volens das Familienfest schlechthin und selbst die strengen Corona-Bestimmungen wurden für kurze Zeit gelockert: Weihnachten gilt in Österreich als das Fest der Feste und auch unabhängig von seiner religiösen Bedeutung als familiärer Pflichttermin. Dabei hat es längst nicht für alle denselben Stellenwert. Juden, Musliminnen, Atheistinnen und Skeptiker finden ihre eigenen Wege, mit der kulturellen Dominanz des Festes umzugehen. Mariella Kogler hat sich umgehört: Der Soziologe Kenan Güngör entstammt einer alevitischen Familie. In Ostanatolien geboren, in Köln aufgewachsen, ist eine seiner Kindheitserinnerungen „an Fenstern vorbeizugehen, wo andere Weihnachten feiern und man ist aber draußen in der Kälte“. Für ihn war immer klar, seine Kinder sollen Geschenke bekommen, einen Christbaum zu Hause haben. Die Judaistin und Politikwissenschafterin Ruth Winkler ist orthodoxe Jüdin und hingegen froh, dass sie den Stress nicht haben muss, den sich manche Menschen mit Weihnachten machen, wie sie sagt. Allerdings sei Österreich noch immer ein stark christlich geprägtes Land. Da könne man sich manchmal ein bisschen abseits fühlen, wenn man nicht mitmache. Als weihnachtlicher Mitläufer - und als Atheist - bezeichnet sich Eytan Reif. Seine Cousine ist die dialogorientierte und aus einer multireligiösen Familie kommende Katholikin Ruth Steiner, Pensionistin und Autorin. Sie vermutet, dass sich mehr und mehr andere Kulturen und Religionen dem Fest öffnen und es so künftig mitprägen werden.
Vom Wieder-Aufleben und Beschenkt-Werden – Erfahrungen mit Weihnachtswundern
Zugegeben, es hat schon etwas für sich, wenn Psychologinnen und Psychologen dazu raten, sich von den Weihnachtsfeiertagen nicht allzu viel zu erwarten. Gutes Einvernehmen (wo doch sonst familiäre Spannungen herrschen), Freude, Harmonie … Dort, wo das nicht realistisch ist, hoffen trotzdem viele darauf – es könnte ja ein Weihnachtswunder geschehen, meinen sie. Und obwohl diese Art von Wunder vielfach ausbleibt, gibt es sie: Menschen, die von wundersamen Erlebnissen zur Weihnachtszeit berichten können. Die können – objektiv betrachtet – recht unspektakulär wirken. Für diejenigen, die sie erlebt haben, sind sie über Jahre und Jahrzehnte hindurch von Bedeutung. Brigitte Krautgartner hat Weihnachtswunder gesammelt – unter anderem im Gespräch mit einer katholischen Ordensfrau und einem evangelisch-reformierten Pfarrer.
Der Herold der Heiligen Drei Könige – Christian Herret und das entwicklungspolitische Engagement der Dreikönigsaktion
Auch wenn heuer – Corona-bedingt – alles anders ist als gewohnt: Die Sternsingeraktion ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Im Gedenken an die biblischen Weisen aus dem Orient, die dem neugeborenen Jesuskind Geschenke gebracht haben, ziehen in „normalen“ Jahren Kinder und Jugendliche von Haus zu Haus. Verkleidet als die Weisen oder Könige aus dem Orient bringen die Mädchen und Buben Segenswünsche und sammeln Spenden für Projekte in den Ländern des Südens. So üben die Jüngsten unserer Gesellschaft internationale Solidarität. Einer, der selbst mit viel Engagement mitgemacht hat, ist Christian Herret. Später hat er diese Begeisterung zu seinem Beruf gemacht und ist nun schon seit Jahren für die Öffentlichkeitsarbeit der Dreikönigaktion zuständig. Oder, wie er es selber formuliert: „Ich bin der Herold der Drei Könige“. Was er im Laufe seiner Tätigkeit erlebt und gelernt hat – und was er sich für das kommende Jahr wünscht – darüber hat er mit Brigitte Krautgartner gesprochen.
Über Gotteskinder und andere Verwandte – Bibelessay zu Lukas 2, 22.39-40
Wer oder was ist Familie, fragt der Theologe, Priester und Sozialethiker Markus Schlagnitweit am „Festtag der Heiligen Familie“, der in der katholischen Kirche am Sonntag nach Weihnachten begangen wird. Als Bibelstelle ist in dem Zusammenhang diesmal ein Abschnitt aus dem Lukasevangelium vorgesehen, der davon erzählt, wie Maria und Josef das Jesuskind in den Tempel bringen, wo es gesegnet wird. Später wird Jesus den Tempel „als Haus meines Vaters“ bezeichnen - und immer mehr den engen Familienbegriff sprengen. Markus Schlagnitweit, der nun Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreich ist, findet somit eine Antwort auf seine Frage bei Jesus von Nazareth, den Christinnen und Christen als Messias - übersetzt Christus - verehren. Eine Antwort, die gerade in Corona-Zeiten aufhorchen lässt: Wichtiger als Verwandtschaftsverhältnisse sei für Jesus die gemeinsame Herkunft aller Menschen von Gott. Diese Idee der Gotteskindschaft aller Menschen eröffne gerade jenen eine Perspektive, die es selbst schwer haben mit ihrer Familie oder eine solche überhaupt entbehren müssen.
Moderation: Martin Gross
Redaktion: Doris Appel