Lebenskunst
25./26.12. | 07:05 | Ö1
Wem gehört Weihnachten? – Gedanken zu einem weltweiten Fest
Fast alle begehen es auf irgendeine Weise – aber wem gehört Weihnachten? Die christlichen Kirchen feiern zu Weihnachten die „Menschwerdung Gottes“, die Geburt eines göttlichen Kindes im heutigen „Heiligen Land“. Demnach kommt der transzendente Gott in einem in einer einfachen Bleibe geborenen Kind zur Welt. Er haust, wohnt, zeltet (so die Übersetzung des altgriechischen Verbs) im konkreten Menschen Jesus von Nazareth; bei ihm ist Gottes Wort zu hören und sein Wirken zu erfahren, lautet eine theologische Erklärung. Doch ob man nun das Fest mit Transzendenzbezug oder ohne feiert, ob im christlich-spirituellen Sinn oder nicht, bleibt Weihnachten das Fest der Menschwerdung: Und sei es der Menschwerdung des Menschen nach einem humanen Ideal, streicht die katholische Theologin Ingrid Fischer hervor.
Von Menschenkindern und Gotteskindern – Das Weihnachtsgeheimnis, Teil 2
„Gott ward ein Menschenkind, damit die Menschenkinder Gotteskinder werden könnten. Einer von uns ist er geworden (…) und eins mit uns“, so sagt das die 1891 in Breslau geborene Philosophin Edith Stein in ihrem 1931 gehaltenen Vortrag „Das Weihnachtsgeheimnis. Menschwerdung und Menschheit“. Edith Stein, die in einer orthodoxen jüdischen Familie aufgewachsen ist, konvertierte 1922 zur katholischen Kirche und trat 1933 in die intensiv kontemplativ lebende Ordensgemeinschaft der Karmelitinnen ein. 1942 wurde sie als Ordensfrau jüdischer Herkunft in Auschwitz ermordet. „Wenn wir einen Menschen in Gott geborgen haben, dann sind wir ja mit ihm in Gott eins“, so Edith Stein in ihrem Vortrag, den LEBENSKUNST in sechs Abschnitten wiedergibt. Es spricht die Schauspielerin Andrea Eckert.
Gegen die Geburtsvergessenheit – Die Gynäkologin und Theologin Barbara Maier
„Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten, mit denen die Weihnachtsoratorien ‚die frohe Botschaft‘ verkünden: ‚Uns ist ein Kind geboren‘.“ So hat das die Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) einst formuliert und den Begriff der „Natalität“ eingeführt. Geburtlichkeit, Natalität, als Grundbedingung der menschlichen Existenz, weil „dem Neuankömmling die Fähigkeit zukommt, selbst einen neuen Anfang zu machen, das heißt: zu handeln“, schreibt sie in ihrer „Vita activa“. Geburt und Geburtlichkeit betreffen also alle Menschen, alle Geborenen, meint auch Primaria Barbara Maier, Theologin und Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der Klinik Ottakring in Wien. Ebenso wie „Mütterlichkeit“ eine Eigenschaft aller Menschen sein kann und soll. Maria Harmer hat Barbara Maier in der Ambulanz besucht und mit ihr auch über das Wunder gesprochen, das Geburt ist.
Ein Brauch „für die Katz“? – Von Sinn und Unsinn der Weihnachtskrippen
Dass das göttliche Kind in einem Stall auf die Welt gekommen sei, erschließt sich einzig aus der Erzählung im Lukasevangelium. Dort heißt es, Maria gebar ihren Sohn und „wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“. Doch das Bild hat sich verfestigt, und erweiterte Futterkrippen mit dem Jesuskind darin werden gern unter den Christbaum gestellt. Ein Brauch „für die Katz“? Der beliebte katholische Bischof der Diözese Innsbruck, Reinhold Stecher, konnte das schon – wie vieles andere auch – hinterfragen. Am 22. Dezember wäre er 100 Jahre alt geworden. Tyrolia hat aus diesem Anlass seine schönsten Texte neu verlegt und als Lesebuch herausgegeben: „Herz ist Trumpf“. Alexander Tschernek liest daraus „Keine Krippe für die Katz“.
Man höre und staune – Bibelessay zu Lukas 2, 15-20
Nachdem traditionellerweise am Heiligen Abend und in der Heiligen Nacht die Erzählung von der Geburt Jesu im Stall zu Bethlehem zu hören war, wird am Weihnachtsmorgen in katholischen Kirchen die Geschichte fortgesetzt: Die Hirten finden tatsächlich das in Windeln gewickelte göttliche Kind in einer Krippe und erzählen davon. „Und alle, die es hörten, staunten …“, heißt es weiter. Das darf durchaus auch ein ungläubiges Staunen sein, meint der emeritierte Abt des Benediktinerstifts Altenburg, Pater Christian Haidinger. Vom Hören und Staunen und vom Vertrauen in das Lächeln Gottes erzählt der Autor von „Und Gott lächelt. Glücklich werden durch Dankbarkeit“.
Redaktion & Moderation: Doris Appel
LEBENSKUNST – Begegnungen am Feiertag, Zweiter Weihnachtsfeiertag /„Stefanitag“, 26. Dezember 2021, 7.05-8.00, Ö1
Er sah den Himmel offen – Bibelessay zu Apostelgeschichte 6, 8-10; 7, 54-60
Wenn auch die katholische Kirche heuer am 26. Dezember das „Fest der Heiligen Familie“ (womit Jesus, Maria und Josef gemeint sind) feiert, das immer am Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr begangen wird und gegebenenfalls das Fest des Heiligen Stephanus verdrängt, so begibt sich LEBENSKUNST doch auf die Spuren des „Erzmärtyrers“. Ihm, dem Heiligen Stephanus, verdankt am „Dies Stephani“, am „Tag des Stephanus“, der Zweite Weihnachtsfeiertag seinen Namen. Stephanus wird im Neuen Testament der Bibel als Diakon der Jerusalemer Urgemeinde geschildert. Für seinen Glauben gestorben, gilt er als erster Märtyrer des Christentums. Kurz vor seinem Tod hat er „den Himmel offen gesehen“. Gedanken von der katholischen Theologin Mirja Kutzer, die an der Universität Kassel lehrt.
Wo ist der Friede auf Erden? – Das Weihnachtsgeheimnis, Teil 3
Schon am zweiten Tag legt die Kirche die weißen Festgewänder ab und kleidet sich in die Farbe des Blutes. Mit Worten wie diesen erklärt die Philosophin Edith Stein in einem Vortrag die weihnachtliche Liturgie der katholischen Kirche. „Stephanus, der Erzmärtyrer, der als erster seinem Herrn im Tode nachfolgte, und die Unschuldigen Kinder, die Säuglinge von Bethlehem und Juda, die von rohen Henkershänden grausam hingeschlachtet wurden, sie stehen als Gefolge um das Kind in der Krippe“, so die spirituelle Intellektuelle weiter. Und sie fragt mit Blick auf die biblischen Geschichten: „Was will das sagen? Wo ist nun der Jubel der himmlischen Heerscharen, wo die stille Seligkeit der Heiligen Nacht? Wo ist der Friede auf Erden?“ Die Philosophin Edith Stein, 1891 in eine orthodoxe jüdischen Familie in Breslau geboren, konvertierte 1922 zur katholischen Kirche und trat 1933 in die intensiv kontemplativ lebende Ordensgemeinschaft der Karmelitinnen ein. 1942 wurde sie als Ordensfrau jüdischer Herkunft in Auschwitz ermordet, 1998 von Papst Paul II. heiliggesprochen. Den Vortrag „Das Weihnachtsgeheimnis. Menscherdung und Menschheit“ hat sie 1931 gehalten, LEBENSKUNST gibt ihn in sechs Abschnitten wieder. Es spricht die Schauspielerin Andrea Eckert.
Omega statt Omikron – Von einer Spiritualität der Zukunft
Der griechische Buchstabe Omikron ist in aller Munde. Bei Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) freilich geht es um den letzten Buchstaben des griechischen Alphabets, um das Omega. Vor 140 Jahren geboren, weist der geniale Naturwissenschaftler, Mystiker und Jesuit eine Spur zu einem erahnten gemeinsamen Endpunkt „Omega“ der menschlichen Geschichte. Der Omegapunkt ist bei Teilhard de Chardin End- und Zielpunkt in der theologischen und philosophischen Betrachtung der Evolution – und seine Einsichten vermögen, fürs Heute zu ermutigen: Sie bedeuten Auftrag und können Lebenssinn vermitteln, meint Raimund Badelt. Der Wirtschaftsexperte mit langjähriger Leitungserfahrung in der Caritas der Erzdiözese Wien, hat ein Masterstudium an der Universität Salzburg in “Spiritueller Theologie im interreligiösen Prozess“ absolviert. Sein jüngstes Buch „Die Omega-Spur. Spiritualität der Zukunft“ ist bei echter erschienen.
Nicht Party, sondern Papst – Warum am 31. Dezember Silvester gefeiert wird
Mit dem Ende des alten und dem Beginn eines neuen Kalenderjahres sind sowohl Hoffnungen als auch Ängste verknüpft. Für viele ist "Silvester" aber schlicht ein Synonym für "Party", wenn auch vielleicht nicht ganz so ausgelassen wie vor der Corona-Pandemie – und wohl in kleinerer Runde. Dass der Name "Silvester" im Kalender steht, hat allerdings im Grunde nichts mit dem Jahreswechsel zu tun: Er gehört vielmehr einem Papst namens Silvester, der der Überlieferung zufolge am letzten Tag des Jahres 335 gestorben ist und dessen Namensfest daher am 31. Dezember gefeiert wird. Als Namensgeber für den Jahreswechsel ist er historisch sicher unterbewertet, denn er steht an einer entscheidenden Wende in der Geschichte des Christentums, die allerdings sonst eher mit dem Namen von Kaiser Konstantin verbunden ist, wie Markus Veinfurter berichtet.