Kranke irakische Kinder brauchen dringend Hilfe
Die mutige Wiener Ärztin Eva-Maria Hobiger: "Nicht nur das Land ist zerstört, die Menschen sind psychisch zerstört". Engagement begann mit Appell: "Helft uns, wir verlieren alle unsere Kinder!"
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Eva-Maria Hobinger wurde vom Papst für ihr Engagement zur "Dame des Gregoriusordens" ernannt. Im Bild bei der Verleihung mit Kardinal Schönborn |
Wien-Bagdad, 29.7.09 (KAP) Mit einem dringenden Hilfsappell hat sich die Wiener Ärztin Eva-Maria Hobiger an die Öffentlichkeit gewandt. Hobiger betreibt seit 2001 das medizinische Hilfsprojekt "Aladins Wunderlampe" für krebskranke Kinder in einem Mutter-Kind-Spital der südirakischen Stadt Basra und benötigt dringend Spenden für eine neue Medikamentenlieferung.
Im vergangenen Mai konnte Hobiger erstmals seit dreieinhalb Jahren wieder in den Irak reisen, um sich vor Ort über die Situation zu informieren. Die Sicherheitslage habe sich zwar ein wenig verbessert, doch die Lebensumstände für die Bevölkerung seien nach wie vor katastrophal, so ihr Resümee in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Linzer "Kirchenzeitung". Hobiger wörtlich: "Noch nie wurde mir das Ausmaß der Zerstörung dieses Landes so bewusst wie während meiner letzten Reise. Nicht nur das Land ist zerstört, die Menschen sind psychisch zerstört. Jahrzehnte von Krieg, Sanktionen, Diktatur, Besatzung und Gewalt haben sie zerstört und es gibt keine Hilfen, um diese Traumatisierung zu bewältigen."
Kind starb, weil simples Gerät fehlte
2001 besuchte Hobiger erstmals den Irak und kam auch nach Basra im Süden des Landes, wo sie das dortige Mutter-Kind-Spital besuchte. "Ich war dabei, wie ein neunjähriges Mädchen an einer Erkrankung starb, die bei uns leicht behandelbar gewesen wäre. Es fehlte einfach an einem simplen Gerät. Die hygienischen Bedingungen waren katastrophal. Neben dem Mädchen stand seine Mutter, die bereits ihr viertes Kind innerhalb von drei Jahren verlor. Die Ärztin flehte mich mit Tränen in den Augen an: 'Helft uns, wir verlieren alle unsere Kinder!' Da wusste ich, ich muss etwas tun."
Auf dem Rückweg aus Basra fasste die Ärztin den Entschluss zur Gründung des Hilfsprojekts "Aladins Wunderlampe" für das Krankenhaus. Dieses ist wegen der katastrophalen humanitären Situation im Irak von den Medikamentenlieferungen Hobigers abhängig. Ihr mutiger Einsatz
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Die Sicherheitslage hat sich ein wenig gebessert, die Lebensumstände sind immer noch katastrophal |
rettete in den vergangenen Jahren Tausenden irakischen Kindern das Leben, viele davon waren an Krebs erkrankt. Vor Beginn der Krebshilfe in Basra lag die Kindersterblichkeit bei Krebs und Leukämie bei 100 Prozent. Inzwischen liegt sie bei unter 25 Prozent.
Masern-, Tollwut- und Durchfallerkrankungen
Doch immer noch würden unzählige Kinder an Infektionskrankheiten sterben. So schreibt die Ärztin in einem Bericht anlässlich ihrer jüngsten Reise in den Irak Anfang Mai dieses Jahres (abrufbar im Internet unter www.saar.at/aladin), dass Tausende Kinder an Durchfallerkrankungen leiden. Normalerweise würde man so viele Patienten, die an Durchfall leiden, erst im Juni und Juli registrieren. Aber die Temperaturen seien schon sehr hoch gewesen und die Wasserqualität sei katastrophal. Hobiger: "Wer auf Leitungs- oder gar Flusswasser angewiesen ist, ist hochgradig gefährdet, speziell die Kinder, die noch nicht ausreichend Abwehrkräfte entwickelt haben. Und wenn es dann ein Kind erwischt, das an Leukämie bzw. Krebs leidet und daher unter Chemotherapie steht, ist die Infektion natürlich besonders schwer."
In Basra habe im Mai auch eine Masernepidemie gewütet und als es noch kühler war, grassierte Keuchhusten. Hobiger in ihrem Bericht: "Ich sehe etliche Kinder mit Feuchtblattern in diesen Tagen. Die Impfprogramme konnten im Laufe der letzten Jahre nicht lückenlos durchgeführt werden. Die schlechte Sicherheitslage war schuld, auch die Tatsache, dass vielen Kindern der Schulbesuch nicht möglich ist, viele Impfkampagnen finden in den Schulen statt. Abgesehen davon ist die durchgehende Kühlhaltung der Impfstoffe nicht möglich, aufgrund der fehlenden bzw. immer wieder unterbrochenen Stromversorgung - so sind die Impfstoffe, die verabreicht werden, oft gar nicht mehr wirksam."
Es gebe auch viele Fälle von Tollwut bei Menschen, eine noch immer tödlich verlaufende Krankheit. Wenn man die vielen streunenden Hunde sieht, die im Müll nach Nahrung suchen, der praktisch überall herumliegt, so sei das aber auch nicht weiter verwunderlich, so die Ärztin.
Armutserkrankung befällt unzählige Kleinkinder
Weiters befalle Kala Azar, eine typische Armutserkrankung die durch Parasiten ausgelöst wird, unzählige Kleinkinder. Im November 2008 hatte Hobiger 300 Packungen des Medikamentes "Pentostam" nach Basra gesendet, mit denen ungefähr 1.000 Kinder, die an Kala Azar erkrankt sind, geheilt werden können. Ohne diese Behandlung wären sie verloren. Ein Arzt habe ihr erzählt, dass seinem Spital während des gesamten letzten Jahres seitens des irakischen Gesundheitsministeriums nur fünf Packungen dieses Medikamentes zur Verfügung gestellt wurden, so Hobiger. Ohne Hobigers Medikamentenlieferungen gäbe es für unzählige Kinder in Basra keine Überlebenschance.
Von der Welt vergessen
Spätestens Ende August müsse sie wieder eine größere Medikamentenlieferung auf den Weg nach Basra schicken, so die Ärztin. Doch es fehle ihr noch an Geld. Sie erhalte derzeit kaum Spenden - wohl auch eine Auswirkung der Wirtschaftskrise. Weiters wolle sie auch auf jeden Fall die Behandlung von kranken Kindern im westlichen Ausland fortführen. Im Vorjahr waren es 20 Kinder, in diesem Jahr sind es bis jetzt schon 11 Kinder, die in Europa behandelt wurden und sie habe eine lange Liste von weiteren, die noch auf ihre Chance warten, "denn nur eine Operation in Europa gibt diesen Kindern eine Überlebenschance", so die Ärztin. Weiters würde sie auch gerne ein Patenschafts-Projekt für Kinder beginnen, damit diese die Schule besuchen können.
Der Irak erleide nun das gleiche Schicksal wie alle anderen Länder, in denen Krieg herrschte: "Der Krieg füllt die Schlagzeilen, aber erst nach dem krieg beginnt das wahre Elend der Bevölkerung." Doch dann stehe das Land nicht mehr im Blickpunkt des Interesses der Weltöffentlichkeit, "denn mit Armut, Krankheit und mangelnder Bildung schreibt man keine Schlagzeilen", so Hobiger. Die traurige Tatsache aber sei, dass die Spenden mehr oder minder an die Medienpräsenz gekoppelt seien. Im Irak sei noch die schlechte Sicherheitslage während der letzten Jahre hinzu gekommen, fast alle internationalen Organisationen hätten sich zurückgezogen. Die Menschen im Irak blieben "allein und vergessen", so Hobiger: "Die armen, kranken Menschen in Basra brauchen uns, das Leben ihrer Kinder liegt tatsächlich in unserer Hand."
Spendenmöglichkeit:
Spendenkonto "Aladins Wunderlampe": Erste Bank, Kontonummer: 28520096800, BLZ 20111.