Missbrauch: Zahl der Meldungen stark rückläufig
Sowohl Unabhängige Opferschutzanwaltschaft als auch kirchliche Ombudsstellen verzeichnen deutlich weniger Meldung - Bereits 407 Entscheidungen der Klasnic-Kommission
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Wien, 6.10.11 (KAP) Stark rückläufig ist die Zahl jener Personen, die sich als Betroffene von Gewalt und sexuellem Missbrauch im kirchlichen Bereich gemeldet haben. Das ist das Ergebnis einer "Kathpress"-Anfrage am Mittwoch bei kirchlichen Ombudsstellen und bei der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft. Bei der von Waltraud Klasnic geleiteten Stelle haben sich heuer seit Juni 32 Personen gemeldet. Im Zeitraum von April 2010 bis Mai 2011 gab es demgegenüber noch 1.091 Kontakte. Dieser Trend wird auch von den kirchlichen Ombudsstellen bestätigt, die seit Juni dieses Jahres wieder Erstanlaufstelle für alle Meldungen sind.
In Wien wie auch in den anderen Diözesen sind die Meldungen deutlich zurückgegangen, erklärte der Leiter der Wiener Ombudsstelle, Prof. Johannes Wancata, gegenüber "Kathpress". Demnach gab es in Wien im Vorjahr insgesamt 379 Meldungen. "Heuer haben wir bis jetzt insgesamt 58 Meldungen mit fallender Tendenz, obwohl die Ombudsstellen seit Juni wieder die Erstanlaufstelle sind", sagte Wancata. So habe es im Zeitraum von Jänner bis März 35 Meldungen gegeben, von April bis Juni 12 und von Juli bis September haben sich 11 Personen gemeldet. Ähnliche Entwicklungen gäbe es bei allen Ombudsstellen. Das habe sich bei einem österreichweiten Treffen der Ombudsstellen am Dienstag in St. Pölten bestätigt, so Wancata.
Wancata wies darauf hin, dass bei den Ombudsstellen die Zahl der Kontakte deutlich höher sei als die Zahl der tatsächlichen Missbrauchsfälle. Dies zeige eine nähere Analyse der Zahlen des Vorjahres. So habe sich im Vorjahr bei insgesamt 499 Personen der Verdacht erhärtet, dass sie Opfer von Übergriffen im kirchlichen Bereich geworden sind. Eine strafrechtliche Relevanz sei bei 4,4 Prozent der Fälle - also bei 22 der 499 mutmaßlichen Opfer - wahrscheinlich. Um aber keinesfalls eine mögliche strafrechtliche Relevanz zu übersehen, seien im Vorjahr von kirchlicher Seite dennoch 25,1 Prozent - also 125 Fälle - zur Anzeige gebracht worden.
Bei den insgesamt 499 Opfern ging es laut Wancata bei 55 Prozent um sexuellen Missbrauch, bei 28 Prozent um Gewalt und 17 Prozent waren von Gewalt und sexuellem Missbrauch betroffen. Insgesamt bezogen sich 53 Prozent der Fälle auf Ereignisse vor 1970, sie liegen folglich mehr als 40 Jahre zurück. 42 Prozent der Fälle betrafen den Zeitraum von 1971 bis 1992.
407 abgeschlossene Fälle bei Klasnic-Kommission
Der Sprecher der Unabhängigen Opferschutzkommission, Prof. Herwig Hösele, gab an, dass sich seit April 2010 insgesamt 1.123 Personen gemeldet haben, davon gab es 32 Meldungen seit Juni dieses Jahres. Bei der Bearbeitung der Fälle konnte eine deutliche Beschleunigung erreicht werden: Im Vorjahr gab es insgesamt 729 Betroffenen-Meldungen, davon konnten 97 durch Kommissions-Entscheidungen abgeschlossen werden. Demgegenüber gab es heuer schon 310 Entscheidungen. Somit habe die Klasnic-Kommission bis jetzt in 407 Fällen eine Entscheidung getroffen, so Hösele.
Ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle wird laut Hösele mit einem begleitenden Forschungsprojekt gesetzt. Unter dem Arbeitsthema "Psychotraumatologische Fragestellungen zu sexuellem Missbrauch und Gewalt in der katholischen Kirche" wird man sich unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Brigitte Lueger-Schuster (Universität Wien) mit jenen Opfern befassen, die mit der Klasnic-Kommission Kontakt hatten und sich freiwillig und anonymisiert dafür bereit erklärt haben.
Leitlinien der Bischofskonferenz bewähren sich
Eine positive Zwischenbilanz in der Umsetzung der Leitlinien der Bischofskonferenz im Umgang mit Fällen von Gewalt und Missbrauch zieht auch Msgr. Franz Schuster. Er leitete die Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz zur Erarbeitung der Leitlinien, die seit Juli 2010 österreichweit gelten. "Als sehr hilfreich haben sich die klaren Regelungen für die unabhängige Arbeitsweise der kirchlichen Ombudsstellen erwiesen", sagte Schuster. Dies sei beim österreichweiten Treffen der Ombudsstellen mit der Projektgruppe der Bischofskonferenz, die für die Umsetzung der Leitlinien beauftragt ist, am Dienstag in St. Pölten deutlich geworden.
Bei der Tagung, an der auch der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng teilnahm, ging es laut Schuster darum, die weiteren Schritte für die "Umsetzung der österreichweiten Standards festzulegen". Besonders wichtig seien dabei die Bewusstseinsbildung und Präventionsmaßnahmen. Eine wichtige Verantwortung solle dabei auf pfarrlicher Ebene dem Pfarrgemeinderat zukommen, erklärte Schuster mit Blick auf die nächsten österreichweiten Pfarrgemeinderatswahlen im kommenden Jahr.
Als hilfreich hätten sich auch die Regelungen erwiesen, wenn glaubwürdige Gewalt- bzw. Missbrauchsvorwürfe gegen kirchliche Mitarbeiter erhoben werden. Bei schwerwiegenden Vorwürfe werde die betroffene Person umgehend dienstfrei gestellt, so Schuster. Nach Ende der Untersuchungen wird dann entschieden, ob es zu Abberufungen, Versetzungen, vorzeitigen Ruhestand oder auch bei Unschuld zu einer Rehabilitierung kommt, so dass die betreffende Person wieder in der Seelsorge tätig werden kann.
Informationen im Internet: www.ombudsstellen.at