Christenverfolgung heute
Die Verfolgung von Christen gewinnt nach einer Erhebung des Hilfswerks "Open Doors" in immer mehr Ländern, aber vor allem in Afrika, an Intensität. Die Spitzenposition auf der Liste der Länder, in denen Christen verfolgt werden, belegt seit zwölf Jahren allerdings Nordkorea, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Weltverfolgungsindex (WVI) 2014 der Organisation hervorgeht. Hauptursache für die Verfolgung ist laut der Organisation der "islamische Extremismus" - in 36 der 50 im Index angeführten Staaten steht dieser hinter der Gewalt und Unterdrückung.
Neben Vorfällen von Gewalt sind für den WVI auch Bedingungen ausschlaggebend, die zur Verfolgung führen. Für den maßgeblichen Zeitraum von 1. November 2012 bis 31. Oktober 2013 hat der WVI so die größte Unterdrückung von Christen in Nordkorea, Afghanistan, den Malediven, Somalia und Saudi-Arabien festgestellt. Sehr schlimm sei die Situation auch in der Zentralafrikanischen Republik, in Syrien, Pakistan, Ägypten und im Irak.
Den größten Zuwachs an Gewalt gegen Christen hat die Organisation in den Ländern der Sahel-Zone wahrgenommen, wobei Somalia am stärksten betroffen sei. Die neue Regierung in der Hauptstadt Mogadischu sei zwar gemäßigter als die vorige, der soziale und familiäre Druck auf Christen aber nach wie vor groß. In vielen Landesteilen würden auch weiterhin verschiedene muslimische Clans herrschen, die "Christen nicht dulden", eine "radikale Form" der Scharia durchsetzen und Konvertiten aus dem Islam "gnadenlos verfolgen und ermorden". Die Kirche existiere "nur im Untergrund".
"Radikal verändert" habe sich die Verfolgung auch in Syrien - von den Repressionen des totalitären Vorkriegs-Regimes hin zur offenen Gewalt durch islamistische Gruppierungen. Unter der kriegsbedingten Anarchie und dem Terror habe die gegen Christen verübte Gewalt ihr Höchstmaß erreicht, heißt es im Bericht. Ins Land strömende und von "islamischen Staaten finanzierte Dschihadisten" hätten christliche Städte wie Homs und Aleppo wie ausgestorben zurückgelassen.
Mit dem Terroranschlag auf die "All Saints"-Kirche in Peschawa, im September 2013, bei dem 89 Menschen ums Leben kamen, habe auch die Verfolgung in Pakistan einen Höhepunkt erreicht. Es herrsche ein Klima des Misstrauens. Besonders betroffen seien Christen muslimischer Herkunft. Open Doors stuft Pakistan deshalb von Platz 14 auf Platz acht hoch.
Die verschlechterte Lage für Christen durch Kämpfe zwischen Kriegsherrn und aus dem Tschad und dem Sudan angeheuerten Dschihadisten hat die Organisation 2014 zum ersten Mal veranlasst, die Zentralafrikanische Republik in den WVI aufzunehmen. Das Terror-Regime der Seleka-Rebellen habe die Republik mit einem Schlag auf Platz 16 katapultiert. Christen seien in dem Land Opfer von "brutaler Gewalt".
Einen rasanten Aufstieg hat auch Kolumbien gemacht: die hohe Entführungs- und Mordrate in den von der Guerilla und den Paramilitärs kontrollierten Gebieten lässt das südamerikanische Land von Platz 46 auf 25 schnellen. Christen würden immer wieder zwischen die Fronten geraten, wenn Splittergruppen der FARC, andere Rebellenfraktionen und neue Verbrecher- und Drogenbanden versuchten, ihre Gebiete auszuweiten. Aber auch die indigenen Christen in den selbstverwalteten Reservaten würden von den Stammesältesten vermehrt unter Druckt gesetzt. 5,5 Millionen der rund 44 Millionen Einwohner seien Binnenvertriebene.
Mehr als 50 Angriffe auf die Kirche in einem Jahr haben auch Sri Lanka erneut auf den WVI gebracht. Ursache sei die erstarkende Bewegung buddhistischer Nationalisten.
Verschlechtert habe sich die Situation für Christen auch in anderen asiatischen Ländern. China, das religiöse Aktivitäten auf subtile Weise unterdrücke, spiele dabei eine Vorbildwirkung. So habe zum Beispiel Vietnam ein neues Religionsgesetz verabschiedet, das das christliche Leben einschränke. In Indien leide die Kirche unter Hinduextremisten und maoistischen Aufständischen. Verfolgung in Südostasien spiele sich aber vor allem auf lokaler Ebene und im Verborgenen ab, so ein Experte von "Open Doors": "Die Behörden finden ausgeklügelte Wege, um Repressionen unter einem Deckmantel auszuüben, zum Beispiel durch neue Gesetze, die auf den ersten Blick nichts mit Religion zu tun haben, jedoch das Kirchenwachstum beschneiden".
Unter den vielen Tragödien gebe es aber auch erfreuliche Begebenheiten, so Ron Boyd-MacMillan von "Open Doors". Im pakistanischen Lahore habe es etwa nach der Zerstörung von 160 christlichen Häusern wegen falscher Blasphemievorwürfe erstmals eine Entschuldung von Seiten der Muslime gegeben und in Syrien sei die Kirche trotz des Klimas des Hasses noch nie so stark gewachsen.