Papst fordert mehr Solidarität mit Flüchtlingen
Papst Franziskus hat während eines Besuchs auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa "brüderliche Solidarität" mit den Flüchtlingen aus Afrika und Asien angemahnt, die über das Mittelmeer nach Europa kommen. Niemand fühle sich verantwortlich für die alltäglichen "Dramen" während der Überfahrt von Afrika nach Europa und das "Blut der Brüder und Schwestern", die hierbei ums Leben kämen, sagte Franziskus am Montag während einer Messe mit Flüchtlingen und Inselbewohnern am Hafen der kleinen Insel zwischen Sizilien und Tunesien, die seit Jahren Anlaufpunkt für Armutsmigranten aus ganz Afrika ist.
Vor dem Gottesdienst war der Papst am Montagvormittag mit Einheimischen und Bootsflüchtlingen zusammengetroffen. Bei einer Bootsfahrt vor der Küste warf Franziskus einen Kranz ins Mittelmeer - zum Gedenken an die Menschen, die bei der gefährlichen Überfahrt von Nordafrika ums Leben kamen. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind dabei Schätzungen zufolge mindestens 20.000 Menschen ertrunken oder verdurstet.
Indirekte Kritik an Flüchtlingspolitik der EU-Staaten
In seiner Predigt kritisierte Franziskus indirekt die EU-Flüchtlingspolitik sowie die politischen Führungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Er bat Gott um Vergebung für die "Grausamkeit in der Welt, in uns und auch in jenen, die in der Anonymität Entscheidungen sozialer und wirtschaftlicher Natur treffen, die den Weg für Dramen wie dieses ebnen".
Franziskus beklagte eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit". Diese mache alle zu "anonymen Verantwortlichen ohne Namen und ohne Gesicht". Unter dem Deckmantel der Anonymität versuche jeder, die Verantwortung von sich zu weisen. Ein Christ dürfe sich jedoch nicht aus der Verantwortung stehlen. Gott rufe jeden von ihnen beim Namen und verlange Rechenschaft von ihm. Der Papst dankte zudem den Bewohnern von Lampedusa sowie den freiwilligen Helfern und Sicherheitskräften. Ihr Einsatz für die Flüchtlinge sei ein "Vorbild der Solidarität".
Papst: "Gesellschaft hat das Weinen verlernt"
In der heutigen "Kultur des Wohlbefindens" sei der "Sinn für brüderliche Solidarität" abhandengekommen, so der Papst in seiner Predigt. "Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt, es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es ist nicht unsere Sache." Die Menschen lebten wie in einer "Seifenblase" und seien unempfindlich für den "Schrei der anderen". Der Papst feierte die Messe als Bußgottesdienst. Er wolle Gott um Vergebung für die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Flüchtlinge bitten.
Die heutige Gesellschaft habe das Weinen verlernt, sagte der Papst weiter. Niemand beweine die toten Bootsflüchtlinge, die Mütter, die mit ihren Kindern auf den Barken über das Mittelmeer setzten.
"Wo ist Dein Bruder?" - Wortlaut der Predigt von Papst Franziskus auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa
Quelle: Kathpress/red