Kirche in Sorge über VfGH-Urteil zur Samenspende
Bestürzt hat der St. Pöltner Bischof Klaus Küng auf das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zu Samenspenden für lesbische Frauen reagiert. Der Verfassungsgerichtshof veröffentlichte am Freitag seinen Beschluss, wonach es verfassungswidrig sei, wenn Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben, von der Erfüllung eines Kinderwunsches durch künstliche Fortpflanzung mittels Samenspende ausgeschlossen werden.
"Diese Entscheidung erfüllt mich mit Sorge", so Bischof Küng dazu in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress". Ein "Kinderwunsch" sei nur dann legitim, wenn er auch die Wünsche des Kindes ernst nimmt. Und Kinder wünschten sich und hätten auch das Recht auf Vater und Mutter. Küng: "Bei einer lesbischen Lebensgemeinschaft ist die Möglichkeit, mit einem Vater aufzuwachsen, von vornherein ausgeschlossen." Hier bestehe die Gefahr, "wesentliche Elemente des Lebens zum Gegenstand der Selbstverwirklichung zu machen, ohne die Menschenwürde eines anderen ernst zu nehmen". Bischof Küng ist in der Österreichischen Bischofskonferenz u.a. für Familienfragen zuständig.
Der Verfassungsgerichtshof begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass durch die bisherige österreichische Regelung Frauen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften diskriminiert würden, wofür keine "besonders überzeugenden oder schwerwiegenden Gründe" vorliegen. Der vom Gesetzgeber ins Treffen geführte Grund, nämlich die Vermeidung der Gefahr der Leihmutterschaft, treffe bei der Samenspende gerade nicht zu. Der bei dieser Form der künstlichen Befruchtung weitgehende natürliche Schwangerschafts- und Geburtsvorgang werfe - anders als die Befruchtung von Eizellen im Labor und die Eizellspende - auch keine besonderen ethischen oder moralischen Fragen auf.
"Gleichgeschlechtliche Partnerschaften stehen gesellschaftlich gesehen nicht in einem Substitutionsverhältnis zu Ehen und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, sondern treten zu diesen hinzu; sie vermögen diese daher auch nicht zu gefährden", hält der Verfassungsgerichtshof weiters fest.
Wie der Verfassungsgerichtshof festhält, beziehe sich die Entscheidung ausdrücklich auf Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben. Es gebe keine Aussage dazu, ob die Entscheidung Konsequenzen für allein lebende Frauen haben muss. Gleichzeitig bedeute die Entscheidung nicht, dass Männern, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, nunmehr die Möglichkeit der Leihmutterschaft eingeräumt werden muss. Dem Gesetzgeber wird eine Frist bis Ende des Jahres eingeräumt, um das betroffene Fortpflanzungsmedizingesetz zu modifizieren.
Kritik auch von Aktion Leben
Kritik am aktuellen Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zu Samenspenden für lesbische Frauen äußerte auch der überkonfessionelle Lebensschutzverein "aktion leben": "Durch seine Entscheidung lässt der Verfassungsgerichtshof klar erkennen, dass das Wohl des Kindes nicht im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand", sagte "aktion leben"-Generalsekretärin Martina Kronthaler gegenüber "Kathpress".
Nach wie vor existiere kein Recht auf ein Kind, hingegen aber hätten Kinder Rechte, die durch diese Entscheidung mehr als in Frage gestellt werden, bemängelte Kronthaler. "So hat jedes Kind das Recht, seine Eltern - Vater und Mutter - zu kennen und bei ihnen aufzuwachsen. Die Möglichkeit, auch mit einem Vater aufzuwachsen, wird manchen Kindern also bewusst verwehrt".
Die Erweiterung der Samenspende bei In-vitro-Fertilisation für lesbische Paaren bedeute zugleich, "noch mehr Kinder den Risiken einer In-vitro-Fertilisation auszusetzen". Zu diesen Risiken gehörn laut Kronthaler unter anderem früher Tod durch Fehlgeburt und gesundheitliche Risiken durch Frühgeburtlichkeit.
Katholische Aktion: "Vaterlose Gesellschaft" gewollt?
Bedenken gegen das VfGH-Urteil äußerte am Freitag auch die Katholische Aktion Österreich (KAÖ). Für Kinder sei es nachweislich wichtig, "eine männliche und eine weibliche Identifikationsfigur zu haben", hieß es in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress". Zwar könne es durchaus sein, dass "zwei gute Mütter besser sind als eine schlechte Mann-Frau-Beziehung". Die geplante Eröffnung einer Mutterschaftsmöglichkeit für lesbische Paare widerspreche aber der Tendenz, Väter mehr einzubeziehen. Es stelle sich die Frage: "Wollen wir wirklich die vaterlose Gesellschaft zur Norm machen?"
Bei der von der KAÖ durchgeführten Umfrage des "Zukunftsforums" hatte sich selbst in der Frage des Adoptionsrechtes für gleichgeschlechtliche Paare eine Mehrheit gegen ein solches Recht ausgesprochen.
Es gebe dazu in der wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskussion zwei Tendenzen, die in ihrer Widersprüchlichkeit zu denken geben sollten. Während auf der einen Seite die These verfochten wird, dass die klassische Familienkonstellation (Vater-Mutter-Kind) keinerlei Mehrwert für die Entwicklung des Kindes habe, stehe man auf der anderen Seite vor einem Trend, den Vater aufgrund seiner prägenden Rolle mehr in die Kindererziehung einzubeziehen (Stichwort: Vaterkarenz) bzw. dem Kind das Recht einzuräumen, Vater und Mutter zu sehen und zu erleben, gab die KAÖ zu bedenken. Sie hob zugleich hervor, dass es bei dem Entscheid des VfGH nicht um ein Urteil über gleichgeschlechtliche Partnerschaften gehe.
Die KAÖ erinnerte auch an ein abweichendes Votum, dass sechs Mitglieder der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt im April 2012 abgegeben haben. Der VfGH hatte die Kommission um eine Stellungnahme zu der Causa gebeten. Eine Mehrheit hatte sich für die Zulassung der Samenspende für lesbische Paare ausgesprochen. Zu den abweichenden Stimmen zählten der Wiener Mediziner und Moraltheologe Matthias Beck, der Wiener Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal und der Wiener Arzt Johannes Meran.
Sie hoben damals hervor, der Gesetzgeber übernehme in Zusammenhang mit künstlichen Befruchtungen "Verantwortung über das soziale Umfeld". Der Fortpflanzungswille sei zudem dem Kindeswohl gegenüberzustellen. Es gäbe noch keine klaren und eindeutigen Studien, die belegen, dass die Entwicklung von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht leide. Es gebe nach wie vor "Unsicherheiten und beträchtliche Spannungen in den Ergebnissen". Es fehlten vor allem genügend Fallzahlen und Langzeitbeobachtungen an Kindern hinsichtlich ihrer langfristigen psychosexuellen Entwicklung.
Geht man von einem ganzheitlichen Menschenbild aus - der Mensch als bio-psycho-soziale Einheit -, wie es sich im letzten Jahrhundert langsam und auf breiter Ebene durchgesetzt hat, könne die biologisch-genetische Herkunft für die psycho-soziale Identitätsentwicklung nicht bedeutungslos sein.
Das Votum gab zudem zu bedenken, dass als nächstes männliche gleichgeschlechtliche Paare gegen Diskriminierung in diesem Bereich klagen könnten. Damit würde aber auch das in Österreich geltende Verbot der Leihmutterschaft gefährdet, denn ein homosexuelles männliches Paar könne nur durch Leihmutterschaft zu einem genetisch verwandten Kind kommen. Leihmutterschaft verletze aber Frauen "in ihrer psychischen und physischen Integrität", und es könne gerade nicht im Sinne der Frauen sein, dass dieses Verbot in Österreich gekippt wird.
Quelle: Kathpress