"Es wird Reformen geben"
Kardinal Christoph Schönborn ist überzeugt, dass Papst Franziskus sein Reformtempo beibehalten wird und es zu Änderungen kommen wird - und dies vielleicht sogar bei den berühmten "Heiße-Eisen"-Themen wie wiederverheiratete Geschiedene oder Zölibat. "Zeichen und Wunder werden geschehen. Es wird Reformen geben", so der Wiener Erzbischof im Interview mit der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".
Papst Franziskus kenne keine "Diskussionsverbote", sein Fokus liege aber insgesamt weniger auf den "heißen Eisen" als vielmehr beim Thema "Kirche der Armen für die Armen", so Schönborn. "Er kommt aus einer Welt, die vor ganz anderen Problemen steht" - insofern wollten die Kardinäle mit der Wahl von Franziskus auch demonstrieren: "Wir müssen unseren Horizont erweitern."
Er kommt aus einer Welt, die vor ganz anderen Problemen steht. Die Wahl eines Südamerikaners zum Nachfolger Petri war ein bewusstes Signal der Kardinäle: Wir müssen unseren Horizont erweitern.
Der päpstlichen Formel "Diese Wirtschaft tötet" kann Schönborn einiges abgewinnen: Sie sei "ein richtiger Befund", jedoch sei sie dezidiert nicht auf die "soziale Marktwirtschaft" bezogen, "sondern auf den Kapitalismus und die eklatanten Ungerechtigkeiten, welche der liberale Turbokapitalismus mit sich bringt". Diese Weggabelung, vor der die Wirtschaft heute stehe, habe bereits Johannes Paul II. 1991 in seiner Sozialenzyklika "Centesimus annus" vorhergesehen.
"Zu wenig" werde laut Schönborn heute thematisiert, dass sich Militär- und Verteidigungsstrategien immer stärker "nach innen richten, mit Blick auf mögliche Aufstände in den eigenen Ländern". Dies sei "erschreckend" und zeige die ganze Dramatik der gegenwärtigen Situation insofern, als man offenbar "mit einem wachsenden Unmut in der Bevölkerung" rechne.
"Mehr Prophet als Revolutionär"
Die Kirche habe in dieser Situation die Aufgabe, "daran zu erinnern, dass es noch Zeit ist umzukehren". Insofern sei auch Papst Franziskus aus seiner Sicht "mehr Prophet als Revolutionär", so Schönborn. Als solcher werde er auch weiterhin Dinge sagen, die für Aufsehen und Unruhe sorgen, zeigte sich der Wiener Erzbischof überzeugt. "Franziskus muss, und er wird authentisch bleiben."
Die Kirche hat die Aufgabe, daran zu erinnern, dass es noch Zeit ist, umzukehren. Franziskus ist mehr Prophet als Revolutionär.
Das Reform-Programm des Papstes lasse sich letztlich beim heiligen Franziskus selbst ablesen: So gehe es schlicht darum, "das Evangelium an die erste Stelle zu setzen" und die Kirche damit "jesuanischer" zu machen. Die Schwierigkeit zur Unterscheidung der Geister liege nun jedoch darin, "dass alle das Evangelium auf ihre Fahnen schreiben, seien es die Reformbereiten oder die, die sich gegen Reformen sträuben".
Schließlich äußerte sich Schönborn auch noch zur aktuellen Sterbehilfe-Debatte in Deutschland: So hatte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, geäußert, dass er seine schwer erkrankte Frau - falls sie dies wünsche - auf dem Weg zur aktiven Sterbehilfe begleiten würde. Schönborn dazu: "Über das absolute Nein zur aktiven Sterbehilfe darf es keine Debatte geben". Die Kirche werde dazu nie ihre Zustimmung geben, so Schönborn. Er erinnerte dabei an das Wort von Kardinal Franz König, wonach der Mensch "an der Hand, aber nicht durch die Hand eines Menschen sterben" solle.