Alterzabt Varszegi: Klöster heute noch "Kommunikationszentren"
Klöster haben auch heute noch die Chance, als "Kommunikationszentren" zu wirken: Das hat der emeritierte Erzabt der ungarischen Benediktinerabtei Pannonhalma, Asztrik Varszegi, am Mittwoch bei der Herbsttagung der Orden im Wiener Kardinal-König-Haus dargelegt. Ordensgemeinschaften seien Mittler zwischen Gott und den Menschen, wobei ihre Kulturgüter spezielle Anknüpfungspunkte darstellten und auch in einer säkularisierten Welt eine große Anziehungskraft hätten. "Kultur öffnet Türen, denn selbst gute Agnostiker zeigen Ehrfurcht vor unseren Bibliotheken und Sammlungen. Das Christentum muss auch in Kultur und Wissenschaft präsent sein", so der 72-jährige Ordensmann.
Die lange Geschichte - Pannonhalma wurde bereits im Jahr 996 von Fürst Geza, dem Vater des ersten ungarischen Königs Stephan, gegründet - locke heute gleichermaßen Wallfahrer wie auch Touristen in das Benediktinerkloster, so der langjährige Leiter der Territorialabtei, die seit 1996 UNESCO-Weltkulturerbe ist. Schritt für Schritt finde nun eine Erneuerung des Klosters statt, wie etwa jüngst die Altarversetzung ins Zentrum der mittelalterlichen Stiftskirche und die Wiederherstellung des Chorgestühls, mit der man den monastischen Charakter betonen wollte. Das eigene Erbe gelte es für pastorale Zwecke fruchtbar zu machen, wobei man eigene neue Schwerpunkte setze wie etwa in der Ökumene oder im Dialog mit dem Judentum, berichtete Varszegi.
Derzeit werde man sich in Ungarn auch von offizieller Seite des kirchlichen Kulturerbes immer mehr bewusst. Dessen Erforschung und Dokumentation werde vom Staat gefördert, um so dem Verkauf oder Verschwinden des Vorhandenen vorzubeugen. Varszegi sprach von einer "heilsamen, positiven Arbeit" nach der Wende von 1989. Der Staat unterstütze die Kirchen beim Kulturerhalt mit einer Summe von rund 10 Millionen Euro. 60 Prozent davon gehe an die Katholische Kirche, wobei die Bischofskonferenz die Gelder an die Diözesen und Ordensgemeinschaften weiterleite.
Ungarns mittelalterliche Geschichte gelte es aus europäischer Perspektive neu zu erforschen, betonte der emeritierte Erzabt, der selbst promovierter Historiker und Philosoph ist. Viel Reichtum und Kultur sei durch den Mongolensturm von 1241 beschädigt und schließlich durch die 150 Jahre der Osmanenherrschaft ab dem 16. Jahrhundert zerstört worden. Doch auch das ebenfalls sehr turbulente 20. Jahrhundert gelte es zu ergründen, insbesondere die Kirchen- und Ordensgeschichte. Seitens der Bischöfe sei das Interesse daran enden wollend, in Pannonhalma widmeten sich jedoch etliche der jüngeren Mitbrüder dieser Forschung, bekundete Varszegi.
Für die Kirchen blieb die kommunistische Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg schwierig, insbesondere für die Orden: 63 Gemeinschaften mit insgesamt über 11.500 Mitgliedern wurden 1950 mit einem Schlag aufgehoben und 635 Ordenshäuser verstaatlicht. Um nach Außen den Anschein religiöser Freiheit zu wahren, durften nur die Benediktiner, Franziskaner, Piaristen und Armen Schulschwestern jeweils zwei Gymnasien führen. Wohl habe es auch im Untergrund weiterhin Kommunitäten gegeben, einige seien sogar in dieser Zeit gegründet worden. Die Kontrolle und Überwachung durch die Geheimpolizei - wo es eine eigene Abteilung für die Auffindung von Geistlichen im Untergrund gab - sei jedoch erdrückend gewesen.
Bei seinem eigenen Ordenseintritt in den 1960er-Jahren sei es völlig unklar gewesen, ob das Ordensleben und auch die Kirche in Ungarn Zukunft haben werde, berichtete Varszegi. Selbst als Bischof - der Ordensmann wurde 1988 Weihbischof von Esztergom-Budapest - habe er Priesterweihen noch in seinem Büro in der ungarischen Hauptstadt geheim durchführen müssen. Heute könne die Kirche in einem freien Staat - jedoch unter anderen gesellschaftlichen Vorzeichen - ihr Wirken neu entfalten, und auch die Ordensgemeinschaften: 22 Männer- und 40 Frauengemeinschaften sind heute in Ungarn tätig, berichtete der Hauptredner der Ordenstagung.
Quelle: kathpress