Bischof Glettler: Häftlinge nicht abschreiben
Gefängnisinsassen dürfen nicht abgeschrieben werden. Das betont der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler im Interview mit der "Kronenzeitung" (Montag, Regionalausgabe Tirol). Die Gesellschaft brauche zum Schutz vor Straftätern Haftanstalten. Trotzdem "sollte es uns gelingen, mit den Insassen in Kontakt zu bleiben", so der Bischof. Er äußertet sich im Anschluss an einen Besuch in der Justizanstalt Innsbruck, wo er mit den Insassen und den Justizbeamten einen vorweihnachtlichen Gottesdienst feierte.
Glettler über die Häftlinge:
Wir dürfen sie nicht abschreiben. Es sind Menschen und keine Monster. Nach der Haft müssen sie wieder Teil der Gesellschaft werden.
Mit seinem Adventbesuch wolle er u.a. auch zeigen, "dass sie von uns nicht vergessen sind". Denn:
Obwohl sie eine Straftat begangen haben und dafür ihre Strafe absitzen, gibt es etwas, was uns als Menschen verbindet.
Als Bischof wolle er ihnen außerdem den Trost Gottes zusprechen und sie zu einem "Schritt der Versöhnung" einladen. Glettler hob weiters die Gefängnisseelsorge hervor. Viele Insassen seien sehr froh über dieses Angebot.
Zur Frage, ob Gefangene in Haft religiöser werden oder ihren Glauben eher verlieren, sagte der Bischof, dass beides möglich sei.
Es gibt viel Verbitterung und innere Verhärtung - besonders wenn jemand trotz Verurteilung nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Aber es gibt auch einige, die in der Extremsituation wieder zum Glauben finden.
Menschen nicht an den Rand drängen
Im "Kronenzeitung"-Interview am Wochenende nahm Bischof Glettler u.a zur sozialen Situation in Tirol Stellung. Einerseits nehme die Politik ihre soziale Verantwortung gut wahr, andererseits mache er sich schon auch Sorgen, "dass wir oft die Armen bekämpfen und nicht die Ursachen der Armut". Zum Glück gebe es diesen Winter wesentlich mehr Notschlafstellen. Auch jene, die aus dem System der Leistungsgesellschaft herausgefallen sind, "brauchen einen Raum für menschenwürdiges Dasein", betonte Glettler. Alle seien gefragt, "Menschen herein zu nehmen und nicht an den Rand zu drängen."
Zu seiner Diözese Innsbruck und zur Kirche im Allgemeinen wiederholte Glettler seine Position, dass es künftig nicht mehr gehen werde, "dass ein Pfarrer alle versorgt und für alles zuständig ist". Es brauche neue Netzwerke, Ideen und Wege. Er sei diesbezüglich auch jetzt schon dankbar, "dass wir neben den Priestern viele Frauen und Männer in pastoralen Berufen haben". Eine Pfarre lebe nicht nur vom Priesteramt. Glettler:
Es ist eine Gemeinschaft von vielen Getauften. Es ist notwendig, die Freude am Glauben wieder aufzuwecken und für möglichst viele den Schatz der Frohen Botschaft zugänglich zu machen. Das ist ein Dienst an der Gesellschaft!
Erneuerung durch kleine Gruppen
2019 werde man in der Diözese Innsbruck mit sogenannten "Weggemeinschaften" beginnen. Das seien kleine Gruppen, "die wöchentlich zusammenkommen, um über das Sonntagsevangelium zu sprechen und um sich zu fragen, wo jeder Einzelne in seiner Nachbarschaft gebraucht wird - ganz praktisch", erläuterte der Bischof. Als weiteres Projekt nannte er die Initiative "Neu beginnen" für wiederverheiratete Geschiedene. "Wir möchten ihnen ein deutliches Signal geben, dass sie in der Kirche willkommen sind", so Glettler. Zur Begleitung der geplanten Treffen würden nicht nur Priester und Diakone zur Verfügung stehen, sondern auch Paare, die in zweiter Ehe leben. "Wir müssen voneinander lernen."
Angesprochen darauf, dass die religiöse Dimension von Weihnachten im Geschäftstrubel unterzugehen droht, meinte der Bischof, dass es nichts nütze, sich darüber aufzuregen. Vielmehr gelte: "Wir müssen Menschen mit Jesus in Berührung bringen." Er verwies auf die Spitalskirche in der Innsbrucker Fußgängerzone, wo es täglich um 12.15 Uhr einen geistlichen Impuls gibt. Die Diözese versuche damit, diese Kirche in der City zu einem lebendigen spirituellen Ort zu machen, zu einem "Ankerplatz für die Seele", wie der Bischof sagte. Nachsatz: "Alle sind willkommen!"
Quelle: kathpress