NGOs für Zukunftspakt mit Afrika: Nicht nur Wirtschaft beachten
"Weil Konzerne nicht Schule machen" ist eine neue Partnerschaft mit Afrika nötig, die neben wirtschaftlichen auch soziale und ökologische Aspekte gleichrangig berücksichtigt: Das haben Vertreter der Mitgliedsorganisationen des EZA-Bündnisses "AG Globale Verantwortung" in einer Pressekonferenz am Montag im Hinblick auf das tags darauf beginnende EU-Afrika-Forum in Wien unterstrichen. Wirtschaftliche Impulse seien für das oft einseitig als Krisenkontinent gesehene Afrika wichtig, aber Aufgaben wie Bildung, Gesundheitsversorgung oder Sicherung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten würden Unternehmen nicht leisten, so der Tenor. Ziel müsse somit ein umfassender Zukunftspakt mit Afrika sein, den Österreich als derzeitiges EU-Rats-Vorsitzland vorantreiben solle.
Für Christoph Schweifer, Auslandshilfe-Chef der Caritas Österreich, sind dabei die UN-Nachhaltigkeitsziele ("Agenda 2030") eine taugliche Leitlinie, die trotz aller unleugbaren Fortschritte bei der Bekämpfung von Hunger und Armut nach wie vor vorhandenen Probleme anzugehen. Ohne die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse könnten die Menschen in Afrika nicht zu Akteuren auf den lokalen Märkten werden. Laut Schweifer braucht es ein Zusammenwirken von politischen und zivilgesellschaftlichen Kräften mit Investoren in die Wirtschaft, um eine nachhaltige Entwicklung zu erzielen.
Der Caritas-Generalsekretär ortet ein Afrika verschiedener Geschwindigkeiten: Neben von Umweltkrisen und gewaltsamen Konflikten geprägten Regionen wie Westafrika, die Sahelzone oder Süd-Sudan gebe es sich auch ökonomisch rasch entwickelnde Länder wie Äthiopien oder Ruanda. "Vor allem in den wenigsten entwickelten Regionen Afrikas investieren Unternehmen nicht", so Schweifer. Um den dort unzureichenden Rahmenbedingungen wirksam zu begegne, brauche es Programme für "Good Governance", zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Friedenssicherung & Konfliktprävention und nicht zuletzt der Menschenrechte.
Europa zeige in Afrika eine "Politik der Widersprüche", wies der Caritas-Experte auf ein Nebeneinander von positiven Kooperationen einerseits und ausbeuterischem Fischfang oder Steuerflucht andererseits hin. Auch Österreich habe "Hausaufgaben" zu erledigen, etwa die Erreichung des seit langem versprochenen und auch im türkisblauen Regierungsprogramm verankerten "0,7-Prozent-Ziels" bei der Entwicklungszuammenarbeit (EZA). Im Vorjahr verfehlte Österreich dieses Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in Entwicklungshilfe zu investieren, mit nur 0,3 Prozent erneut klar. Er würde sich wünschen, so Schweifer, dass die Regierung dieses Ziel ebenso ambitioniert verfolgt wie andere.
Bei der Pressekonferenz sprachen weiters Annelies Vilim, Geschäftsführerin der "AG Globale Verantwortung", Reinhard Heiserer von "Jugend Eine Welt", Andrea Barschdorf-Hager von "CARE Österreich", Hartwig Kirner von "FAIRTRADE Österreich", Rupert Weber von Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe "Menschen für Menschen" und Celine Fabrequette als Vertreterin des ADYFE (African Diaspora Youth Forum in Europe).
Österreich soll auf EU-Politik einwirken
Vilim betonte, nachhaltige Entwicklung dürfe "nicht dem Markt alleine überlassen werden". Sie legte eine Liste von Maßnahmen vor, die Österreich im Rahmen des "Zukunftspaktes mit Afrika" auf europäischer Ebene einfordern solle - etwa eine faire Handelspolitik, die Förderung kleinbäuerlicher und nachhaltiger Landwirtschaft, eine ambitionierte Klimapolitik inklusive einer modernen Energieversorgung, weiters die Förderung von Resilienz, also Widerstandsfähigkeit gegenüber z.B. Naturkatastrophen oder Gewaltkonflikten und Kampf gegen illegale Finanzströme.
Auf die Bemühungen von "Jugend Eine Welt", der vorwiegend jungen Bevölkerung Afrikas in Zusammenarbeit mit Don Bosco und lokalen Initiativen eine "Grund-, Berufs- und Herzensbildung" zu ermöglichen, verwies Geschäftsführer Heiserer. Unternehmen würden nicht in Bildung investieren, sie als Grundlage für wirtschaftliche Erfolge aber benötigen. NGOs leisteten somit wertvolle Vorarbeit, die Zivilgesellschaft vor Ort spiele eine bedeutende Rolle beim Aufbau.
Österreichische Unternehmen sollten ihr Augenmerk nicht nur auf kurzfristigen "Return on Investment" (d.h. Kapitalrentabilität) richten, forderte Heiserer. Er kritisierte, dass die Wirtschaftskammer ihren Fokus allein auf Südafrika, Ägypten und Algerien lege und eine langfristige Perspektive vermissen lasse. "Prognosen zufolge wird sich die Bevölkerung Afrikas bis zum Jahr 2050 auf 2,6 Milliarden Menschen verdoppeln", teilte der "Jugend Eine Welt"-Geschäftsführer mit. Doch schon jetzt fehlten Millionen Arbeitsplätze für junge Menschen. "Ambitionierte Bildungs-, Ausbildungs- und Jobinitiativen sind daher ein Gebot der Stunde."
Millionen "Klimaflüchtlinge" auch in Afrika
Nach den Worten von "Care"-Geschäftsführerin Barschdorf-Hager spüren die Auswirkungen der Klimaveränderung vor allem viele afrikanische Länder. Bei der jüngsten Weltklimakonferenz in Katowice hätten nationale politische Interessen zufriedenstellende Weichenstellungen verhindert - ungeachtet der Tatsache, dass es bereits 170 Millionen "Klimaflüchtlinge" - vor allem in deren Heimatländern - gebe. Regeln zur Reduzierung von CO2-Emissionen könnten nur von der internationalen Gemeinschaft, also den Regierungen, aufgestellt werden, betonte Barschdorf-Hager. Unternehmen müsse man in die Pflicht nehmen, diese Regeln auch einzuhalten.
Dass die aktuelle Handelspolitik der EU vielerorts die Entwicklung lokaler Märkte behindere, "beispielsweise durch die Überschwemmung afrikanischer Märkte durch EU-subventionierte Gemüse, Milch- und/oder Fleischprodukte", kritisierte "Fairtrade"-Geschäftsführer Kirner. "Menschen für Menschen"-Vorstandsvorsitzender Weber wies darauf hin, dass es vor allem die lokale, mehrheitlich kleinbäuerlich ausgerichtete Bevölkerung fernab städtische Ballungszentren zu stärken gelte, um nachhaltige Entwicklung anzustoßen.
Die Afrikanerin Celine Fabrequette wandte sich gegen ein klischeehaft düsteres Bild von Afrika: Es gebe gerade unter der Jugend viele Talente; ihr Leadership müsse gestärkt werden, beispielsweise durch ein innerafrikanisches Jungunternehmerprogramm und die Gründung innovativer Start-Ups. Migration werde dennoch ein globales Phänomen bleiben, sagte Fabrequette. Dieses solle positiv beurteilt und nicht bekämpft werden.
Schweifer: "EZA bringt's sehr wohl!"
In der Diskussion erklärte Caritas-Auslandshilfe-Chef Schweifer, es sei positiv, dass beim EU-Afrika-Forum Staaten auf dem schwarzen Kontinent nicht nur als "Problemländer" wahrgenommen würden. Und auch bei krisengebeutelten Ländern gebe es bei differenziertem Hinsehen mehr Chancen, als man auf den ersten Blick erwarte. Als "völlig daneben" erachtet Schweifer - wie er sagte - die Meinung, Entwicklungszusammenarbeit bringe für die betreffenden Länder letztlich nichts, Erfolg habe nur wirtschaftliches Investment. Aus der Sicht des Caritas-Vertreters ist EZA eine "Erfolgsgeschichte": "Wie sonst hätten Hunger und Armut weltweit halbiert und der Zugang zur Bildung erheblich gesteigert werden können?" Freilich bleibe noch viel zu tun, um die von 193 UNO-Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2030 anvisierten Ziele zu erreichen. (Info: www.globaleverantwortung.at)
Plattform für neue EU-Handelspolitik
Für eine "fundamentale Änderung der EU-Handelspolitik" hat sich am Montag die Plattform "Anders Handeln" im Hinblick auf das EU-Afrika-Forum in Wien ausgesprochen. Bei der thematischen Ausrichtung des Gipfeltreffens sehen die Mitgliedsorganisationen Dreikönigsaktion, "attac", "Südwind" und "ÖBV-Via Campesina Austria" "das Pferd am Schwanz aufgezäumt", wie es in einer Aussendung hieß: Werde die bisher übliche wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter ausgebaut, würden sich die Lebensbedingungen nicht verbessern.
Die neoliberalen Wirtschaftspartnerschaften und die WTO-Abkommen seien ein massiver Angriff auf die lokale Produktion und Wirtschaft afrikanischer Länder, kritisierten die vier NGOs. Sie dienten ausschließlich den Interessen europäischer und US-amerikanischer Konzerne sowie der afrikanischen Exportindustrie, die Blumen oder Textilien und Leder in den Weltmarkt liefert. "Nur ein verbindliches Regelwerk wie der geplante UN-Vertrag über multinationale Konzerne verhindert Armut und Ausbeutung durch Wirtschaftspolitik" und damit auch mögliche Fluchtursachen, wird in der Aussendung betont.
Besonders begehrt sind afrikanische Rohstoffe, um die sich Unternehmen und Staaten geradezu einen Wettlauf lieferten, wies Herbert Wasserbauer von der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar hin. Die damit verbundenen Entwicklungsversprechen blieben uneingelöst: Das Gros der Wertschöpfung und die verarbeitende Industrie mit gut bezahlten Jobs entstünden dabei nicht in Afrika, Hauptprofiteure seien transnationale Unternehmen, "die noch dazu ihre Gewinne mit Steuertricks aus den Ländern schleusen". Für wirkliche Fairness bräuchten afrikanische Länder, dass ihnen "handelspolitisch Luft gelassen" wird, auf Basis ihres Rohstoffreichtums lokale Entwicklung in Gang zu bringen.
"Licht für die Welt": Partner auf Augenhöhe
Die NGO "Licht für die Welt" erinnerte zum Afrika-Gipfel im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs an die Relevanz des Themas auch für Menschen mit Behinderungen: In Afrika sei jeder siebte Einwohner betroffen, weil Armut, Krankheiten, Naturkatastrophen, Kriege und Hunger Beeinträchtigungen verursachen. Die UN-Behindertenrechtskonvention müsse daher in allen Bereichen, auch in der wirtschaftlichen Entwicklung, der Maßstab sein, forderte die Hilfsorganisation.
Europäische Unternehmen, die in Afrika tätig werden, müssten "menschenrechtlich einwandfrei agieren". Das bedeute auch Inklusion und Barrierefreiheit in den Betrieben und Arbeitsstätten, in der Infrastruktur, bei der Digitalisierung und in allen sozialen Maßnahmen.
Quelle: kathpress