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Glettler: Es braucht neue ethische Basis des Wirtschaftens

Innsbrucker Bischof in Ö1-Magazin "Saldo": Blick auf Gemeinwohl und Nachhaltigkeit statt "Geldvermehrung auf Teufel komm raus"

21.12.2018

Für eine neue ethische Basis des Wirtschaftens, die den Blick auf Gemeinwohl und Nachhaltigkeit statt auf bloße Gewinnmaximierung lenkt, hat sich der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler ausgesprochen. Europa maß er dabei eine besondere Rolle bei, wie er am Freitag im Ö1-Wirtschaftsmagazin "Saldo" erklärte. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei hier wieder Wohlstand erreicht worden, dies sei ein Auftrag, sich jetzt stärker dort zu engagieren, wo schwierige Entwicklungsbedingungen herrschen bzw. wo "über Jahrhunderte ausgebeutet" wurde. Auch habe Europa eine lange Tradition des sensiblen sozialen Umgangs und der Einbindung auch sozial Schwächerer.

 

Laut Glettler liegt es im Hinblick auf gegenwärtige Flüchtlingsströme im Interesse Europas, dort zu investieren, wo viele Menschen keine Perspektive sehen. Ein "weitsichtiges, konsequentes Engagement in den armen Ländern Afrikas und Lateinamerikas" sei entscheidend für die Zukunft, ist der Bischof überzeugt. Er unterstrich die Bedeutung grenzüberschreitender Solidarität mit einem afrikanischen Spruch: "Du kannst nur in den Himmel kommen mit deinem ganzen Dorf", d.h. nach wahrgenommener Verantwortung für alle.

 

Dem entspreche auch die eigentliche Bedeutung von "Ökonomie" - nämlich sich um den "oikos", wie im antiken Griechenland die Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft genannt wurde, zu kümmern. "Also nicht Geldvermehrung auf Teufel komm raus, sondern Blick auf: Was dient dem guten Leben?", wie Glettler sagte. Dazu gehöre auch ein achtsamer Umgang mit der Schöpfung. Auch die Kinder und Enkel heutiger Akteure sollten sich auf der Welt noch wohlfühlen können.

 

Zur Kommerzialisierung und Idyllisierung von Weihachten sagte der Bischof, das Fest spreche eine Sehnsucht des Menschen an, ein bestimmtes Ambiente gehöre dazu und "scheinbar auch das Shopping". Aber am Ende des Tages werde allen klar: "Das Wesentliche lässt sich nicht kaufen."

 

Appelle an die Politik

 

Kritische Anmerkungen machte Glettler in der ORF-Sendung zu den von der Regierung beschlossenen Einschränkungen bei der Mindestsicherung. Hier brauche es "mehr soziale Sensibilität". Auch dass junge Flüchtlinge nach negativem Asylbescheid aus Lehrverträgen "herausgerissen" und abgeschoben werden, missfällt dem Bischof, zumal auch seitens der Wirtschaft angesichts von 25.000 unbesetzten Lehrstellen und Engpässen in Mangelberufen darüber Unverständnis geäußert werde.

 

An die Politik richtete Glettler den Appell, in den Arbeitsmarkt bzw. das AMS zu investieren. Die Sorge, dass möglichst viele Arbeit haben, dürfe nicht nachrangig werden; denn gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun, sei ein sehr hoher Wert. Glettler verwies hier auch auf das bisher gute Zusammenspiel in der Sozialpartnerschaft, dem Österreich seinen Wohlstand verdanke. Das sollte "nicht mutwillig aufs Spiel gesetzt" werden, betonte er.

 

Dass die Kirche in manchen Bereichen wie z.B. beim "hohen Gut" des arbeitsfreien Sonntags Allianzen mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer eingeht, erachtet Glettler als wichtig - auch wenn sich die Kirche grundsätzlich nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen wolle. Doch einem Handel, der unter immer höheren Leistungsanforderungen an die Mitarbeitenden immer stärker ausgeweitete Öffnungszeiten durchsetzen möchte, gelte es "Stopp!" zu sagen. Bei Produktionsengpässen sei es verständlich, dass eine Firmenleitung Ausnahmen von der sonst üblichen Arbeitszeit anstrebt, anerkannte der Innsbrucker Bischof. Auch in Dienstleitungsbereichen wie Tourismus und Gastronomie sei Arbeit am Sonn- und Feiertag notwendig. Der florierende Tourismus sei zum einen Glück und Segen für Tirol, habe aber auch seine Schattenseiten, verwies Glettler auf "Phänomene der Erschöpfung".

 

Märkte brauchen Regulierung

 

Ständige Gewinn- und Geldmaximierung sei ein "sehr gefährliches Vorzeichen" für das Wirtschaften. Er misstraue Thesen, wonach eine "frei galoppierende Marktwirtschaft" schon ausreichende Selbstregulierungskräfte entwickelt, sagte Glettler.

 

Da braucht es strengere Vorgaben, besonders auch im Bereich der internationalen Finanzwirtschaft, die aus den Fugen gerät und mit Realwirtschaft nur ganz wenig zu tun hat.

 

Wenn etwa auf Nahrungsmittel bzw. deren Mangel spekuliert wird und damit Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden, ist nach Überzeugung Glettlers "die rote Linie längst überschritten". "Diese Art von Wirtschaft tötet", zitierte er ein berühmt gewordenes Wort von Papst Franziskus.

 

Statt ethischer Appelle zur Umkehr hält der Bischof - wie er sagte - eine Verhaltensänderung durch Anreize für erfolgversprechender. Es brauche "positive Erzählungen" über gelingende wirtschaftliche Ansätze, die nicht nur den eigenen Profit, sondern das gesamte Umfeld berücksichtigen. "Der Appell kommt zum Schluss, ist aber auch oft notwendig", so Glettler.

 

 

Quelle: kathpress

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