Im Lichte der Schwarzen Sonne
Wien, Neonazis & Esoterik
Im Lichte der Schwarzen Sonne
Wien, Neonazis & Esoterik
"The Movement" soll jene Bewegung heißen, die Europas Rechte einen und bei der Europawahl 2019 zum Triumph führen soll. Das hat kein geringerer als der frühere Berater von US-Präsident Donald Trump, der US-Rechtspopulist Steve Bannon, heuer im Herbst kundgetan. Das sollte gewiss Staatsschützer und politische Beobachter aufhorchen lassen, aber auch für akademische Geister bietet das Raubein Bannon einiges an Untersuchenswertem, etwa sein Gebrauch von rechtsextremen Codes und die Zitation rechter und esoterischer "Klassiker". So berichtet der Heidelberger Religionswissenschaftler Julian Strube von einem denkwürdigen Statement Bannons ausgerechnet bei einer Konferenz im Vatikan 2014, bei der er sich auf den Esoteriker und Rassentheoretiker Julius Evola (1898-1974) berief.
Diese Episode könnte getrost ins Reich der Skurrilitäten verbannt werden, wenn sie laut Strube nicht bezeichnend sei für eine von der Forschung weitgehend unterbelichtete Frage, nämlich jene nach dem Konnex von Esoterik und Rechtsextremismus. Zwar würde diese Verbindung immer wieder auch "popkulturell" ausgeschlachtet bzw. auf schrille und absonderliche Beispiele reduziert - eine tiefere Erforschung dieser Verbindung und ihrer Wurzeln, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, sei indes bis heute obsolet. Dabei würden sich gerade in den heute polit-medial so präsenten neurechten Bewegungen die esoterischen Narrative und Ideen in besonderer Weise finden, so Strube.
Die Wiederkehr der Schwarzen Sonne
Gewiss, das Phänomen ist vielschichtig und lasse sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Es reiche von einer Begeisterung für einen "neonazistischen Okkultismus" über die unpolitisch motivierten, jugendkulturellen Suchbewegungen - die in Esoterik das zu finden hoffen, was ihnen die etablierten Religion nicht mehr zu bieten im Stande sind - bis hin zu der akut-gefährlichen politischen Präsenz dieser explosiven Mischung: sei es in Form etwa Steve Bannons, des Putin-Beraters und rassistischen "Eurasianismus"-Anhängers Alexandr Dugin oder in Form der "Schwarzen Sonne", die ukrainische Milizen-Regimente ebenso als Marken- und Erkennungszeichen tragen wie Jobbik-Sympathisanten in Ungarn.
Tatsächlich lasse sich gerade am Beispiel der "Schwarzen Sonne" diese Verquickung von rechtsextremer Symbolik und popkultureller Verwässerung aufzeigen, die eine seriöse Beforschung des Gebietes so schwierig macht. Dass es sich lohnt, steht für Strube außer Zweifel, lasse sich doch nur so deutlich machen, dass Esoterik nicht etwas für "Spinner" ist, dass ihre teils völkischen, teils rassistischen Narrative nicht außerhalb der Gesellschaft stehen und vor allem wirken, sondern dass sie eine bleibende Faszination haben und damit auch eine Gefahr für demokratische Gesellschaften darstellen können.
Die Spur der "Schwarzen Sonne" sowie ihrer heutigen Interpreten führt dabei ausgerechnet nach Wien: Dort nämlich wurde nicht nur die bei Rechtsextremen weit verbreitete "Ariosophie" - eine Vermengung esoterischer, theosophischer, völkisch-rassistischer und antisemitischer Ideen - um die Jahrhundertwende entwickelt, die einen wichtigen Bezugspunkt auch für den Nationalsozialismus darstellte, sondern das Symbol von Anhängern des so genannten "Wiener Zirkels" in Publikationen seit den 1950er Jahren mit einem für Außenstehende abstrusen Narrativ aufgeladen:
So entwickelten Autoren wie Wilhelm Landig (1909-1997), Rudolf Mund (1920-1985) und Erich Halik (1926-1995) das Narrativ einer Begründung der Zivilisation in Atlantis und dem nordischen Thule. Bis in die 1990er Jahre publizierten Anhänger dieser im Kern antisemitischen Ideengeschichte Schriften, in denen etwa über den Fortbestand einer technisch hoch entwickelten und überlegenen "esoterischen SS" in unterirdischen Basen unter den Polen schwadroniert wird.
Suchbewegungen in Zeiten verflüssigter Identitäten
Die "Schwarze Sonne" als nicht unter das Verbotsgesetz fallendes neonazistisches Erkennungssymbol wurde ebenfalls in diesem Kreis ideologisch aufgeladen als Symbol für die Streitkräfte jener "esoterischen SS", die im Geheimen operieren und in denen sich nach der Niederlage im "exoterischen" Zweiten Weltkrieg nun die "Kräfte des Lichts" sammeln, um gegen die Mächte der Finsternis - gemeint vor allem: die Juden - anzukämpfen. Zuletzt waren es die Nachfolge-Organisationen des "Wiener Zirkels", die Wiener "Tempelhofgesellschaft" sowie die "Causa Nostra", die ähnliche Ideen in den vergangenen Jahren immer wieder in Publikationen einspeiste und so zu einem wichtigen ideologischen Player im Hintergrund neurechter Bewegungen wurden.
Wichtig sei ihm bei all dem, so Strube im Gespräch mit "Kathpress", dass man diesen Bereich in der Forschung ernster nehmen und die Ideengeschichte und Quellen der Esoterik im 19. Jahrhundert weiter erforschen sollte. Denn die Zusammenhänge mit neurechten wie neonazistischen Bewegungen seien nicht etwa einem Irrationalismus geschuldet, wie es Theodor W. Adorno in seinen "Thesen gegen den Okkultismus" 1951 behauptete, sondern einer Mischung aus Suchbewegungen in Zeiten verflüssigter Identitäten und einer Sehnsucht nach neuen Narrativen und politischen Lösungen in einer überbordend komplexen Welt.
Julian Strube lehrt Religionswissenschaft an der Universität Heidelberg
Ende November 2018 hielt er als Gastdozent ein Seminar am Institut für Religionswissenschaft der Universität Wien zum Thema Esoterik und Rechtsextremismus.
Quelle: Kathpress / Info-Dienst