
Theologe fordert neues Ökumenisches Sozialwort der Kirchen
Ökumenischer Schulterschluss in Sachen Wirtschafts- und Sozialethik: Gemeinsam riefen der Salzburger Theologe und Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, Prof. Alois Halbmayr, und der frühere Diakonie-Direktor Michael Chalupka die christlichen Kirchen in Österreich dazu auf, ein neues Ökumenisches Sozialwort zu verfassen. Ein solches Sozialwort wäre "ein Gebot der Stunde", insofern es "den politischen Diskurs in Österreich bereichern" und einen "wichtigen Beitrag zur Humanisierung unserer Welt" leisten könnte, sagte Halbmayr am Dienstagabend in Salzburg. Angesichts einer ungebrochenen "finanzkapitalistischen Dominanz" brauche es "starke Stimmen für eine gerechtere Umgestaltung der ökonomischen Rahmenbedingungen" im Land.
Halbmayr und Chalupka äußerten sich im Rahmen des Ökumenischen Empfangs der Stiftung "Pro Oriente" am Dienstagabend in Salzburg. An der Veranstaltung nahm u.a. auch Erzbischof Franz Lackner teil. Der Empfang stand unter dem Titel "Gerechtigkeit, Gerechtigkeit - ihr sollst du nachjagen" und knüpfte damit auch an die kommenden Gebetswoche für die Einheit der Christen an (18. bis 25 Jänner). Gerechtigkeit sei ein Grundwort des Zusammenlebens betonte Erzbischof Lackner vor den Vertretern der christlichen Kirchen. "Gerechtigkeit darf uns nicht selbstverständlich werden."
Das heuer seit 15 Jahren existierende bisherige Ökumenische Sozialwort der Kirchen in Österreich brauche dringend eine Aktualisierung, so Halbmayr weiter. Seither hätten sich die Rahmenbedingungen verändert, auch würden in dem damaligen Papier wichtige Themenbereiche wie etwa Migration, Klima oder auch Fragen des internationalen Finanzsystems fehlen. Gescheitert sei indes aus Halbmayrs Sicht auch der vor fünf Jahren begonnene Versuch, mit dem Projekt "Sozialwort 10+" das bestehende Sozialwort weiterzuentwickeln. Die Kirchen müssten sich heute ganz neu auf den Weg machen, um ein solches Dokument gleichsam von der Basis her neu zu entwickeln.
Kirchenamtliche Dokumente als Ermutigung
Als Ermutigung in diese Richtung erachtet Halbmayr zwei kirchenamtliche Dokumente, die "leider viel zu wenig bekannt sind", die jedoch "Musterbeispiele" dafür seien, "dass recht verstandener Glaube gar nicht anders kann, als sich um das Schicksal der Welt und ihrer Zukunft zu kümmern". Konkret verwies der Dekan auf das Dokument "Oeconomicae et pecuniariae quaestiones" (Fragen der Wirtschaft und des Geldes) der Glaubenskongregation und des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen sowie auf ein Papier des Exekutivausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen. Beide Dokumente arbeiten sich kritisch und teils sehr genau und mit konkreten Alternativvorschlägen an der aktuellen Lage der Welt- und Finanzwirtschaft ab. Anlass beider Dokumente ist der zehnte Jahrestag seit Ausbruch der Finanz- und Schuldenkrise.
Das vatikanische Papier ziehe eine "ernüchternde Bilanz" und sieht vertane Chancen bei der Etablierung eines alternativen Wirtschaftssystems, das - vor dem Hintergrund der kirchlichen Soziallehre - das Gemeinwohl stärker im Auge hat. Trotz mancher durchklingender Naivität sei das Dokument erstaunlich detailliert in seiner Analyse und auch Kritik des Finanzsystems, urteilte Halbmayr. Um so erstaunlicher sei es, dass das Dokument bislang so wenig Resonanz gefunden habe. Gleiches gelte für das ebenfalls lohnende ÖRK-Papier.
Chalupka: Kritik an Sozialpolitik
Der frühere Diakonie-Direktor und jetzige Geschäftsführer der Diakonie "Eine Welt", Michael Chalupka, unterstützte die Forderung nach einem neuen Ökumenischen Sozialwort, nutzte die Gelegenheit jedoch zugleich, um einen Mangel an Gerechtigkeitssinn im aktuellen Regierungshandeln zu orten: "Gerechtigkeit geschieht im Tun, und ethische Verpflichtungen gelten für alle - und sie gelten gegenüber allen. In der Öffentlichkeit ist es anders: So sollen etwa Asylberechtigte bei der Mindestsicherung schlechter gestellt werden, weil sie die Sprache noch nicht ausreichend beherrschen."
Im öffentlichen Diskurs sei heute oft von einer "neuen Gerechtigkeit" die Rede: "Und neue Gerechtigkeit heißt: Leistung muss sich lohnen. Die Mindestsicherung soll das Mindeste sichern, das Menschen zum Leben brauchen. Das ist eine Frage der Menschenwürde - und unabhängig davon, wie viel und wie lange jemand 'ins System' eingezahlt hat oder woher er oder sie kommt", plädierte Chalupka.
Der Vorsitzende der von "Pro Oriente" Salzburg, der Kirchenhistoriker Prof. Dietmar Winkler, ging seinerseits auf die aktuellen Umbrüche und Komplikationen in der orthodoxen Welt im Zuge der Autokephalie der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche ein: "Die Orthodoxie versteht sich als Bund gleichberechtigter selbstständiger Kirchen mit je eigenem Oberhaupt. Dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel wird die Rolle eines Ersten unter Ranggleichen zuerkannt, das heißt er ist jener, der die orthodoxen Kirchen koordiniert und für sich auch das Recht in Anspruch nimmt, einer Kirche die Selbstständigkeit zu gewähren", so Winkler.
Quelle: Kathpress