Bioethiker im Interview
Theologe Virt sieht steigenden Druck zu "perfektem Kind"
Bioethiker im Interview
Theologe Virt sieht steigenden Druck zu "perfektem Kind"
Der Bioethiker und Moraltheologe em. Prof. Günther Virt kritisierte in einem Interview der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" die Instrumentalisierung von Menschen durch Gentechnik-Versuche und den gesellschaftlichen Druck zum perfekten Kind. Hintergrund waren die Schlagzeilen rund um das "erste Gentechnik-Baby" aus China, die Virt hinterfragte und auch "Fake-News" nicht ausschloss, "denn niemand kann das zum jetzigen Zeitpunkt überprüfen". Eine "genetische Intervention" bei Nachkommen sei auf jeden Fall zu kritisieren und ein Verstoß gegen Menschenrechte und Menschenwürde, meinte der emeritierte Moraltheologe. Er forderte eine "umfassende ethische Bildung auf allen Ebenen".
Genetisch veränderte Nachkommen seien "den Plänen und Können gerade lebender Wissenschaftler ausgeliefert und alle Nachkommen unumkehrbar von den Folgen betroffen", warnte der Bioethiker. Solche Menschenversuche würden sowohl gegen Menschenrechte, wie auch gegen die "Wissenschaftsregeln verstoßen, die die Grundlagen für die vielen Ethikkommissionen bilden."
Der Wunsch nach einem "gesunden Kind" ergibt sich für Virt durch den gesellschaftlichen Druck. Der Moraltheologe sprach in dem Zusammenhang von einer "Rush hour" des Lebens, bei der man mit "29 1/2" Studium, Wohnung, Partnerschaft und Nachwuchs geregelt haben sollte. Dabei werde das Kind nicht mehr als Gabe betrachtet, "sondern als Erfüllung von ganz unterschiedlichen Träumen und eben gesellschaftlichen Zwängen."
Frage nach Menschen- und Tierethik
Vorsicht mahnte Virt im Umgang mit technischen Möglichkeiten ein, wie der in Wien entdeckten "Gen-Schere". Durch diese wachsende Technik seien "einfache und wirksame Eingriffe in die Genetik von Pflanzen, Tieren und Menschen" möglich geworden. Als Beispiel nannte Virt das Heranwachsen menschliche Organe im Tier für eine Rücktransplantation zum Menschen. Hier sei "extreme Vorsicht angebracht, was an eventuellen Krankheiten und Erregern aus dem Tierreich in den Menschen importiert werden könnte". Gleichzeitig gebe es eine ethische Verpflichtung dem Tier gegenüber, "das ebenso leiden kann wie der Mensch".
Im Falle von Krankheiten existiert für den Bioethiker zwar "kein Diktat der Natur, denn sonst dürfte es keine Medizin geben", Heilversuche und Therapien müssten aber strengen Regeln unterliegen. So dürfe das "Eingreifen in den Bauplan des Menschen, also in die genetischen Grundlagen" nur nach ausführlicher Aufklärung und nach freier Zustimmung am einzelnen Individuum geschehen.
Der Bioethiker warnte in diesem Zusammenhang vor den Folgen genetischer Veränderungen an Menschen. So soll es Hinweise geben, dass "durch solche Eingriffe alle ca. 35.000 Gene in ihrer Wechselwirkung betroffen sein können und so neue Formen von Krebswucherungen entstehen könnten, die an künftige Generationen weitergegeben werden könnten.
Ethische Bildung für alle
Menschen ohne "eigenes, gebildetes ethisches Urteil" seien leicht zu verführen, meinte Virt. Er forderte darum eine "umfassende ethische Bildung auf allen Ebenen" , die auch Menschen betreffe, "die die Algorithmen herstellen, mit denen wir am Computer konfrontiert werden, wo alle unsere Daten von großen Firmen abgesaugt werden." Eckpfeiler dieser ethischen Bildung sei dabei die Würde aller Menschen und, dass "jeder Mensch um seiner selbst willen zu achten und zu schützen ist und dass man ihn niemals nur als Mittel zum Zweck einsetzen kann." Diese Menschenwürde gründe für Virt in einem "christliches Verständnis" und der "Gottebenbildlichkeit eines jeden Menschen".
Prof. Virt hält am 30. Jänner (18.30 Uhr) bei den Theologischen Kursen in Wien (Stephansplatz 3) einen Vortrag zum Thema "Den Menschen optimieren? Von den Grenzen des Machbaren. Unterwegs zum Übermenschen?"
Quelle: Kathpress