Missbrauchsprävention auch in Österreich ständig verbessern
Wenn ab morgen im Vatikan Vertreter der Weltkirche über das Thema Missbrauch und Missbrauchs-Prävention debattieren, dann kann dies letztlich "nur ein Anfang auf ganz breiter Basis" sein - die eigentliche Arbeit der Prävention muss dann vor Ort in den Diözesen, Pfarren und kirchlichen Einrichtungen geschehen. Das hat der Feldkircher Diözesanbischof Benno Elbs in einem Interview mit der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" am Mittwoch betont. In Österreich sei man beim Umgang mit Missbrauch und möglicher Prävention bereits auf einem guten Weg - aber "auch wir müssen uns ständig um noch bessere Präventionsmaßnahmen bemühen", so Elbs, der in der Österreichischen Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Salzburger Weihbischof Hansjörg Hofer für das Thema Opferschutz zuständig ist.
In Richtung des vatikanischen Anti-Missbrauchsgipfels, bei dem Österreich in Person von Kardinal Christoph Schönborn vertreten sein wird, äußerte Elbs die Hoffnung, dieser möge zu einer Schärfung des Problembewusstseins insgesamt beitragen. Für manche Teile der Weltkirche mag dies ein "wirklicher Startpunkt" sein, manche - wie auch Österreich - hätten diesbezüglich bereits seit einigen Jahren gute Fortschritte erzielt. Insgesamt sei jedoch "eine ständige Bewusstseinsbildung notwendig (...), ein ständiges Wachhalten des Themas" sowie - wie es auch Kardinal Schönborn gefordert hat - die "Schaffung von einheitlichen Standards zum Schutz vor Missbrauch und im Umgang mit Missbrauchsopfern".
"Kultur des Hinsehens"
In Österreich - und somit auch in der Diözese Feldkirch - sei man in den vergangenen Jahren den Weg verstärkter Prävention gegangen, etwa in Form von Gewaltschutzschulungen für Mitarbeiter in der Diözese und in Pfarren, in Form der Einrichtung unabhängiger Ombudsstellen und diözesaner Kommissionen. Ziel sei es, den Opferschutz zu verbessern und insgesamt eine "Kultur des Hinsehens" zu etablieren. Kirchlich habe nämlich lange Zeit eine "Kultur des Wegsehens" vorgeherrscht - dies habe sich zum Glück geändert: "Heute sieht man hin, obwohl es schmerzt."
Auf gezielte Schulungsmaßnahmen für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter setzt man auch in der Erzdiözese Wien: So berichtet die Leiterin der Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz in der Erzdiözese, Martina Greiner-Lebenbauer, etwa von Gruppenleiter-Schulungen, in denen Mitarbeiter lernen würden, mit Nähe und Macht umzugehen und "ein Gespür für Grenzverletzungen zu entwickeln" - sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Gefordert seien dennoch immer auch die Eltern, appellierte Greiner-Lebenbauer in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag": Es sei wichtig, dass Eltern "genau hinschauen und dass sie sich auch trauen, Fragen zu stellen", wenn es etwa um Jungschar-Lager oder ähnliche Angebote gehe, wo Kinder und Jugendliche im kirchlichen Kontext Zeit verbringen.
Sr. Mayrhofer: Ombudsstellen für Ordensfrauen
Für weitere konkrete Schutz- und Präventionsmaßnahmen speziell im Blick auf Ordensfrauen sprach sich die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden, Sr. Beatrix Mayrhofer, aus: Auch wenn in Österreich mittlerweile "sehr gute Strukturen im Umgang mit Missbrauch" etabliert wurden - etwa in Form einer verbindlichen kirchlichen Rahmenordnung oder diözesaner Ombudsstellen -, so sei eine ähnliche Anlaufstelle auch für Ordensfrauen in Österreich wichtig.
Daher rege sie eine entsprechende Ombudsstelle für Ordensfrauen an, "die unkompliziert anrufbar" und erreichbar ist, so Mayrhofer ebenfalls im Gespräch mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag":
Ich denke da an kein Büro und an keinen Schreibtisch, sondern an ein bis zwei kompetente Personen, die wissen, was zu tun ist, und im jeweiligen Fall die nächsten Schritte einleiten.
P. Mertes: Fokussierung auf "Lichtgestalt" ist Teil des Problems
Der bekannte Jesuit und frühere Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, P. Klaus Mertes, verwies einmal mehr auf die Notwendigkeit einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche: Die Unabhängigkeit könnte etwa erzielt werden, wenn eine unabhängige, mehrheitlich mit Laien besetzte Kommission dafür Sorge trägt, dass innerkirchlich angezeigte Straftaten auch tatsächlich zur Staatsanwaltschaft gelangen. Ein solcher Schritt, den die US-Bischöfe vorgeschlagen haben, würde letztlich "auch das Bischofsamt entlasten, das ja in komplexe Loyalitätskonflikte kommt, sobald Kleriker oder Mit-Bischöfe des sexuellen Missbrauchs oder der Vertuschung beschuldigt werden", führte Mertes im Interview mit der Kooperationsredaktion der westösterreichischen Kirchenzeitungen aus.
Als ein Teil des Problems bezeichnete Mertes dabei u.a. eine falsche Erwartungshaltung im Blick auf den Papst: "Es ist ein Problem monarchischer Regierungsformen, Lösungen von einer Lichtgestalt an der Spitze zu erwarten" - das treffe letztlich auch auf die Kirche und Papst Franziskus zu. Daher sei es auch notwendig, "dass der Papst sein Amt - nicht seine Person - als Teil des Problems definiert, weil es sich ja letztlich jeglicher Kontrolle entzieht."
Eine mögliche praktische Konsequenz der innerkirchlichen Missbrauchsprävention könne laut Mertes etwa in der Zulassung homosexueller Männer zur Priesterweihe bestehen: Schließlich führe ja gerade die Verweigerung der Weihe dazu, dass junge Männer dieses Thema bewusst verschweigen und dies somit auch zu einem "schweren Hindernis für die Reifung" werde, wenn es nicht mehr möglich ist, über die je eigene Sexualität auch innerkirchlich zu sprechen. Auch der Zölibat trage zu einer solchen Verdrängung bei, führe dieser doch gerade im Zusammenhang mit Homosexualität zu dem "Trugschluss": "Ich leben zölibatär und dann habe ich das Problem gelöst". Auf diese Art werde die zölibatäre Lebensform indes für Männer attraktiv, "die sich nicht mit ihrer Sexualität auseinandersetzen wollen."
Quelle: kathpress