"Hohe Aufmerksamkeit für Verletzte und Frustrierte"
Die besondere Zuwendung zu den wiederverheirateten Geschiedenen, Menschen in Not und der Jugend hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in seinem aktuellen Fastenhirtenbrief in den Mittelpunkt gestellt. Er bezeichnet in seinem Schreiben die Kirche als "Weggemeinschaft" und die lebendige Mitte dieser solidarischen Weggemeinschaft, die niemanden ausschließt, sei Jesus selbst:
Ich möchte als Bischof inmitten einer Kirche unterwegs sein, die sich mit besonderer Aufmerksamkeit den Verletzten und Frustrierten zuwendet.
Besonders am Herzen würden ihm all jene liegen, deren Partnerschaft oder Ehe zerbrochen ist. Die meisten von ihnen hätten eine neue Beziehung gewagt. Die "Initiative Neu beginnen", die an einigen Orten Tirols in diesem Frühjahr startet, habe das Ziel, "von den Betroffenen zu lernen und Schritte konkreter Versöhnung anzubieten", so Glettler wörtlich und weiter:
Nur das Annehmen der Wirklichkeit macht frei. Wir sind Wegbegleiter und nicht Richter. Wir haben von Jesus den Auftrag, einander zu stützen und bei schwierigen Wegstrecken in besonderer Weise nahe zu sein.
Die Familien - "wie bunt auch immer" - seien die ersten und wichtigsten Weggemeinschaften der Kirche; ebenso seien es Freundeskreise und Vereine, kirchliche Aktivgruppen, Kollegen am Arbeitsplatz und Dorfgemeinschaften. "In all diesen wichtigen Zellen unserer Gesellschaft wirkt Gottes Geist. Er stiftet immer Gemeinschaft und befähigt zu einem respektvollen und achtsamen Umgang miteinander", so der Bischof. Er empfinde zudem große Dankbarkeit "gegenüber allen, die über den Tellerrand ihrer eigenen Interessen und Befindlichkeiten hinausschauen".
Besonders wolle er auch die Gründung von konkreten Weggemeinschaften bewerben: Die Vision dahinter sei ein Netzwerk von überschaubaren Gruppen, die sich in den Häusern und Wohnungen treffen, sich austauschen und auch mit- und füreinander zu beten. Diese Weggemeinschaften sollten aktive Lernorte des Glaubens sein. Und in einem zweiten Schritt gehe es in diesen Gruppen dann um die Frage, "wo in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Besuch, eine konkrete Hilfestellung oder ähnliches notwendig ist", so Glettler:
Diese soziale Aufmerksamkeit ist das beste und schönste christliche Zeugnis!
Jesus nehme die Angst, Menschen aufzusuchen, Distanz abzubauen und Begegnungen zu wagen. Es sei notwendig, "dass wir unsere sicheren Wände verlassen, auch wenn uns oft tausend Ausreden einfallen".
Glettler plädiert für eine "Kultur der Begegnung", von der auch Papst Franziskus spricht. Vor allem sei es notwendig, "dass wir jene Orte aufsuchen, wo sich das Leben der jungen Leute abspielt. Wir müssen ein ehrliches Interesse für ihre Sehnsüchte, Visionen und Ängste entwickeln, ohne sie für uns vereinnahmen zu wollen".
Freilich, die Nachfolge Jesu sei auch kein besinnlicher Spaziergang, räumt der Bischof ein: "Mit Jesus unterwegs sein, ist herausfordernd." Und weiter wörtlich:
Vergessen wir nicht den mühsamen Kreuz-Weg, den so viele Menschen gehen müssen: Armutsgefährdete, Opfer von Gewalt, Kranke, Einsame, Drogensüchtige, Arbeitslose - und die vielen, die ihre Heimat verlassen mussten, lange Wege der Enttäuschung hinter sich haben und eine neue Existenz aufbauen müssen.
Bei alledem gelte aber letztendlich:
Unser letzter Weg auf dieser Erde wird nicht in die Auslöschung führen. Wir sind unterwegs in die Arme Gottes. Nach Hause. Die Weggemeinschaft mit dem lebendigen Herrn gibt uns in allem die nötige Zuversicht.
Quelle: kathpress