Religionen an den Unis: "Menschen geben ihre Seele nicht ab
Religion, Spiritualität und Ethik sollten in Zeiten einer zunehmenden Vielfalt von Glaubensrichtungen in der Gesellschaft einen fixen Platz an den Universitäten haben: Das war der Tenor einer hochkarätigen Podiumsdiskussion, zu der die Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) in ihren Festsaal geladen hatte. "Menschen geben ihre Seele nicht an der Eingangstür ab", brachte dies der Ökonom Wolfgang Mayrhofer bei der Veranstaltung der Reihe "WU matters. WU talks" auf den Punkt. Seine Mitdiskutanten waren die Pastoraltheologin Regina Polak, der Historiker Philipp Blom und die Feministin Dudu Kücükgöl, es moderierte die evangelische Theologin und Journalistin Renata Schmidtkunz.
Der Begriff "Religionsfreiheit" werde heute bereits "überstrapaziert" durch ständige Forderungen, man wolle im öffentlichen Raum nicht mit Religion "belästigt" werden, befand Regina Polak, Vorstand des Instituts für praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Die schon länger diskutierte Frage, wie öffentlich oder privat Religion sein dürfe, erfordere Antworten, wobei die größte Konfliktlinie "nicht zwischen Christen und Moslems, sondern zwischen Religiösen und säkularen Atheisten" verlaufe, beobachtete die katholische Theologin.
Auch angesichts der großen kulturellen wie auch religiösen Diversität an den Universitäten sähe sie hier großen Handlungsbedarf, erklärte die Theologieprofessorin.
Konfessionelle und religiöse Zugehörigkeit sind Basis für den Menschen, seine Werthaltung und welche Einstellung er hat.
Religion müsse, so ihr Plädoyer, "Gegenstand der Bildung" sein, aus Gründen der Menschenrechte, da Bildung die Basis für Verständnis, Toleranz und Freundschaft sei. Genau um die Bildung gehe es bei dieser Debatte auch, "nicht um Glaubensvermittlung oder Katechese".
Für die universitäre Debatte zu diesem Thema sei die "Macht der Vernunft und des Diskurses" leitend, wofür es Religiosität "in säkulare Logik" zu übersetzen gelte. Als "Grenze" dieser Diskussion nannte die Wiener Pastoraltheologin den "Respekt vor der weltanschaulichen Freiheit des anderen"; die "radikale Andersheit des anderen" gelte es zu akzeptieren. Ebenso die Andersheit der Atheisten: "Man muss auch Nietzsche kennen, man muss Marx kennen, man muss Freud kennen. In mir wohnt auch eine halbe Atheistin", so Polaks Plädoyer für "umfassende" Bildung an Universitäten.
"Kein ethikfreier Raum"
Der Historiker und bekennende Atheist Philipp Blom sprach sich bei der Diskussion "für Diversität, aber gegen die Privilegierung einzelner Gruppen" aus. Wie er hervorhob, sei die Auseinandersetzung mit der zunehmenden Multikulturalität von hoher Bedeutung für den Frieden in der Gesellschaft; ein "Aussitzen" habe sich in Wien bereits vor rund 100 Jahren verheerend ausgewirkt. Auch dürfe die Universität "kein ethikfreier Raum" sein: Da wirtschaftliches Handeln reale Auswirkungen auf Menschen habe und etwa vielen Arbeitern nicht einmal den Mindestlohn gewährt werde, müsse Ethik Bestandteil der Bildung sein, "gerade an einer Wirtschaftsuniversität".
Die Wirtschaftspädagogin und Vorstandsmitglied der Muslimischen Jugend Dudu Kücükgöl sah in der Religion mögliche "wertvolle Beiträge an den Universitäten und in der Gesellschaft", wohingegen die Tabuisierung von Religion schnell zu Problemen führen würde. Muslime seien nicht der Anlass für die Debatte in Österreich, könnten diese jedoch "bereichern".
Gegen "Verflachung"
WU-Professor Wolfgang Mayrhofer, selbst bekennender Katholik, nannte als eine Aufgabe von Universitäten den "respektvollen Pluralismus, der sich nicht scheut, über die Inhalte der Religionen in positivem Sinn zu streiten". Zentrale religiöse Themen - wie Berufung, Bedauern, Vergebung und Stille - seien auch für Führungskräfte in der Wirtschaft hochaktuell, und selbst Prinzipien wie Verantwortung und Nachhaltigkeit hätten ihren Ursprung eigentlich aus dem Umfeld der Religion. "Diese Begriffe scheinen immer wichtiger zu werden, flachen jedoch ab und werden eindimensional, wenn die Herkunft nicht bekannt ist", betonte der Ökonom.
Quelle: kathpress