Ex-Bundespräsident Fischer sieht Kirchen "überwiegend positiv"
"Als jemand, der seine Mitgliedschaft in der katholischen Kirche angesichts der Ereignisse rund um Kardinal Groër beendet hat, möchte ich heute meine letzten Endes positive Sicht auf die Kirche skizzieren": Wie Ex-Bundespräsident Heinz Fischer am Karsamstag in einem Essay für die "Kleine Zeitung" darlegt, sehe er Religion als "einen fixen Bestandteil der Gesellschaft und für viele Menschen einen Teil ihres Lebens". Daher solle die Gesellschaft den Religionen ihren Freiraum garantieren und umgekehrt die Religion auf der Seite der Freiheit und der Menschenwürde stehen, plädierte Fischer.
Kirche und Sozialdemokratie hätten nach den Konflikten in der Ersten in der Zweiten Republik mehr Verständnis füreinander zu entwickeln begonnen, wies Fischer hin. Das habe sich schon in den 1950er-Jahren mit der Einigung über die Anerkennung des Konkordates zwischen dem Vatikan und der Republik Österreich gezeigt und in der Ära Bruno Kreiskys verstärkt fortgesetzt. Der SPÖ-Kanzler von 1970 bis 1983 "hatte große Wertschätzung für die Rolle des Christentums in unserer Gesellschaft", erinnerte dessen langjähriger Wegbegleiter. Auf Seiten der katholischen Kirche sei damals mit Kardinal Franz König ein "wunderbarer Gesprächspartner" zur Verfügung gestanden: "Jedes Gespräch mit Kardinal König unterstützte und festigte die Überzeugung, dass es für Christentum und Sozialdemokratie viele gemeinsame Ziele und Aufgaben gibt."
Das Thema Fristenlösung sei dann in den 1970er-Jahren "ein Stachel im Fleisch dieser Beziehungen" gewesen; "schwere Irritationen" seien durch die Missbrauchsfälle in der Kirche ausgelöst worden, die in der Ära von Königs selbst beschuldigtem Nachfolger Hans Hermann Groër und danach bekannt wurden. Er sei "weder befugt noch in der Lage, dazu ein profundes Urteil abzugeben, aber ich habe den Eindruck, dass unter der Führung von Kardinal Schönborn sehr ernsthafte Anstrengungen unternommen wurden und werden, mit diesem tragischen Thema sehr verantwortungsbewusst umzugehen", so der Alt-Bundespräsident.
Kirchen verteidigen Menschenwürde
Mit großem Respekt und Dankbarkeit nehme er auch zur Kenntnis, dass "Vertreter der Kirchen in Österreich nicht schweigen, wenn in mehreren Staaten Europas, darunter leider auch Österreich, der Begriff der Menschenwürde an den Rand gedrängt oder sogar ignoriert wird, wenn es um Flüchtlinge geht; dass nicht geschwiegen wird, wenn eine Ausdrucksweise um sich greift, die Flüchtlinge pauschal als gefährlich oder als clevere 'Einwanderer in unser Sozialsystem' darstellt, als ob die Flucht aus einer in Krieg und Terror verstrickten Heimat ein raffinierter Schachzug wäre, um sich aus dem Sozialsystem anderer Länder die Rosinen herauszupicken".
Er habe verschiedene Phasen in seiner Einstellung zu Kirche und Religion erlebt, resümierte Fischer. Seine ablehnende Haltung gegen Krieg, Gewalt und Nationalismus sei bereits in seiner Gymnasialzeit durch die Augenzeugenberichte seines vom Zweiten Weltkrieg traumatisierten Religionsprofessors befördert worden. Er sei "froh, dass heute der Einfluss der Kirchen auf unsere Gesellschaft meiner Meinung nach überwiegend positiv ist, weil sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte aussprechen".
Quelle: Kathpress