
Caritas fordert Vorkehrungen für Anstieg der Arbeitslosenzahlen
Caritas, das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Netzwerk "arbeit plus" prognostizieren für das kommende Jahr einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosenrate. Caritas-Präsident Michael Landau, "arbeit plus"-Geschäftsführerin Judith Pühringer und WIFO-Leiter Christoph Badelt forderten daher bei einem Pressegespräch in Wien am Dienstag anlässlich des "Tags der Arbeitslosen" von der Regierung, für schwierigere Zeiten schon heute eine aktivere Arbeitsmarktpolitik vorzubereiten und dafür budgetäre Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Das Pressegespräch fand im Rahmen der Caritas-Jobmeile statt, deren Angebote rund 2.000 Menschen in Anspruch nahmen.
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müsse laut Landau das erste und oberste Ziel der Bundesregierung sein. "Dafür benötigen wir eine Politik an der Seite der Schwächsten und keine, die die Not von Menschen vergrößert", unterstrich der Caritas-Präsident. In den letzten Monaten habe er jedoch den Eindruck gewonnen, "dass die Bundesregierung nicht auf der Seite der Schwächsten unserer Gesellschaft steht". 8,7 Prozent betrug die Erwerbslosenquote Ende 2018. Zum Jahreswechsel waren 355.637 Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet. Hinzu kamen 58.299 Personen, die sich in Kursen oder Schulungen befanden.
Konkret sichtbar sei dies etwa an der in der vergangenen Woche beschlossenen Abschaffung der Mindestsicherung geworden. Denn die neu geschaffene Sozialhilfe werde die Not im Land verschärfen und nicht lindern und den Druck auf Betroffene erhöhen, mahnte Landau. Wie die neue Sozialhilfe die Situation Betroffener verändern wird, könne heute noch nicht exakt gesagt werden; sehr wahrscheinlich werde es jedoch "für viele Menschen dramatisch eng" - ebenso wie auch vorhersehbar sei, dass dass vor allem Kinder und Familien die Kürzungen spüren würden. Der Caritas-Präsident appellierte deshalb an den Bundesrat, die Entscheidung über das neue Sozialhilfegesetz zu einer Gewissensentscheidung zu machen und die Zustimmung zu verweigern.
Notstandshilfe nicht abschaffen
Sorgen bereitet Landau auch die Ankündigung der Regierung, noch heuer das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe reformieren zu wollen. "Mit der Erfahrung der letzten Monate muss das in den Ohren arbeitsloser Menschen wie eine gefährliche Drohung klingen." Es gebe zwar die Zusage der zuständigen Ministerin, in Österreich werde es kein Hartz-IV-Modell wie in Deutschland geben, die ersten Konkretisierungen, die das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben, machten Landau da aber nicht so sicher. Verschlechterungen bei der Notstandshilfe hätten massive soziale Folgen und gesellschaftliche Folgekosten. Er appellierte deshalb an die Regierung, die Notstandshilfe nicht abzuschaffen oder in ein Arbeitslosengeld Neu zu integrieren.
Landau forderte auch eine systematische Senkung der Lohnnebenkosten für Geringverdiener. "Ich bin überzeugt, dass in Österreich nicht nur Unternehmens- und Börsengewinne steigen dürfen, sondern dass das auch in gleicher Weise für die Löhne der Menschen gelten muss - vor allem dann, wenn es um Menschen geht, die sehr wenig verdienen", so Landau. Laut offizieller Statistik gibt es in Österreich derzeit knapp 316.000 Menschen, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben und ihre Familien nicht mehr ernähren können.
Lobend äußerte sich Landau zum Schritt der Bundesregierung, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge bei niedrigen Einkommen zu senken. Doch die Entlastung solle bei der nun anstehenden Steuerreform noch weitergehen. Kritisch sieht die Caritas die Kürzung bei den Mitteln für das AMS.
Spezielle Angebote für Langzeitarbeitslose
Zum Thema machte der Präsident auch jene Menschen, die meist keine realistische Chance mehr haben, nachhaltig in den regulären Arbeitsmarkt integriert zu werden. "Als Caritas sind wir überzeugt: Für Menschen, für die ein Wiedereinstieg in die sogenannte normale Arbeitswelt so schnell keine realistische Option ist, brauchen wir so etwas wie einen 'erweiterten Arbeitsmarkt und ein erweitertes Chancenangebot' - ein dauerhaftes, existenzsicherndes Angebot mit Durchlässigkeit zu regulären Jobs."
Landau wünscht sich eine Politik, die den Schicksalen Betroffener stärker Rechnung trage, die Achtsamkeit und Respekt auch in der Sprache finde und die Begrifflichkeiten wie "soziale Hängematte", "Langschläfer" oder "Durchschummler" aus ihrem Wortschatz streicht. Erwerbslose Menschen dürften, so der Präsident, nicht unter Generalverdacht gestellt werden, denn Erwerbslosigkeit sei zuallererst ein strukturelles Problem und in der Regel keine Frage der individuellen Arbeitswilligkeit.
"Besorgniserregende und beispiellose Wende"
Den Forderungen schloss sich Judith Pühringer, Geschäftsführerin von "arbeit plus", an. Auch ihr Netzwerk gemeinnütziger sozialer Unternehmen registriere eine "besorgniserregende und beispiellose Wende" im Umgang mit Arbeitslosen. "Die Idee unseres Sozialstaats steht auf dem Spiel", warnte auch sie. Statt die Arbeitslosigkeit selbst zu bekämpfen, setze man davon Betroffene unter Druck. Auch Pühringer befürchtet - wie Landau - ein "österreichisches Hartz IV".
Hohe Arbeitslosigkeit sei nicht nur sozial, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht inakzeptabel, betonte WIFO-Leiter Christoph Badelt. Schon für 2020 rechnet er wieder mit einem leichten Anstieg der Beschäftigungslosigkeit. Dagegen halten müsse man vor allem auch mit Bildungs- und Integrationsmaßnahmen. Die Bundesregierung müsse zudem ihren "Weg der Entlastung von Geringverdienern weitergehen", merkte er dahin gehend positiv an.
Quelle: Kathpress