Elisabeth Gössmann: Große Theologin mit "Geburtsfehler weiblich"
Einen Nachruf auf Elisabeth Gössmann als eine der "Nestorinnen historisch-theologischer Frauenforschung", deren wissenschaftliche Karriere durch den "Geburtsfehler weiblich" behindert wurde, hat die Grazer Bibelwissenschaftlerin Irmtraud Fischer für das theologische Feuilleton-Portal "feinschwarz.net" verfasst. Als eine der ersten Frauen, die in den 1950er Jahren im deutschsprachigen Raum einen theologischen Doktortitel erwarb, bewarb sich Gössmann 37 Mal vergeblich an deutschen Hochschulen um einen Lehrstuhl und lehrte bis zu ihrer Pensionierung an der Seishin-Frauenuniversität in Tokio. Am 1. Mai war Gössmann nach längerer Krankheit im Alter von 90 Jahren in München gestorben.
Als Mediävistin, deren Werk mit vielen "Meilensteinen der historischen Frauenforschung" einer "archäologischen Grabung" gleichkomme, setzte sich Gössmann immer wieder mit misogynen theologischen Konzepten auseinander, "die letztlich auch ihr eigenes Schicksal bestimmten", schrieb die Alttestamentlerin Fischer, selbst erste Theologin Österreichs auf einem bibelwissenschaftlichen Lehrstuhl. Die deutschsprachige universitäre Theologie habe Gössmann "die Früchte ihrer Arbeit vorenthalten", indem sie ihr die Annahme einer "qualitativ exzellenten Habilitationsschrift" an theologischen Fakultäten in den 1960er-Jahren "aus sachfremden Gründen" verweigert habe. 1978 gelang der zweite Habilitations-Versuch im Fach Philosophie bei Eugen Biser - laut Fischer eine "Re-Habilitation".
Die verdienstvolle Forschungsarbeit der nun verstorbenen Galionsfigur der feministischen Theologie habe sich zwischen der Ausbildung in Westeuropa und der Lehrtätigkeit im äußersten Osten Asiens ereignet, sie reichte "von der vorkonziliaren Theologie über alle Hoffnungen, die das Zweite Vatikanum in ihrer Generation entfacht hat, bis zur nachkonziliaren Ernüchterung, die in der Katholischen Kirche gerade in Frauenfragen bis heute anhält", so Fischer.
Der von der Grazer Theologischen Fakultät gestiftete Gössmann-Preis für hervorragende Arbeiten zur Frauen- und Geschlechterforschung werde heuer durch den Tod der Namensgeberin zu einem Gedenkpreis, "der die Erinnerung an diese große Theologin, der nicht nur die feministische Theologie viel verdankt, wachhalten wird".
Die Grazer Theologische Fakultät würdigte Elisabeth Gössmann 1985 mit einem Ehrendoktorat und hat seit 25 Jahren den von Irmtraud Fischer koordinierten Forschungsschwerpunkt Frauen- und Geschlechterstudien. Der diesjährige Gössmann-Preis wird im Herbst verliehen. (Infos: https://genderforschung-theologie.uni-graz.at/de/forschung/elisabeth-goessmann-preis)
Quelle: Kathpress