Kirchenhistoriker Wolf in Linz:
Tradition bietet reichen Fundus für Kirchenreformen
Kirchenhistoriker Wolf in Linz:
Tradition bietet reichen Fundus für Kirchenreformen
Wie kann ein Reformvorhaben in der katholischen Kirche gelingen, ohne eine Kirchenspaltung zu provozieren? Diese Frage hat der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf bei einem Vortrag in Linz mit dem Hinweis auf "vergessene Optionen" in der Tradition der Kirche geantwortet. Auch heute vielfach geforderte Anliegen wie mehr Mitspracherechte oder eine Aufwertung der Frauen hätten eine gute Fundierung in der Kirchengeschichte und könnten "das Gesicht der Kirche nachdrücklich verändern, ohne dadurch ihre Katholizität infrage zu stellen", so der renommierte Historiker in seinem Vortrag bei der Akademie des Forums St. Severin, der in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Quart" des Forums Kunst-Wissenschaft-Medien der Katholischen Aktion Österreich in gekürzter Form abgedruckt wurde.
In seinen Ausführungen unter dem Titel "Kollege Papst, Frau Kardinal? Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte" wies Wolf auf die im Mittelalter viel wichtigere Stellung des Kardinalskollegiums als "eine Art ständiger Senat" hin, das den Papst in allen wichtigen Fragen "beraten und kontrollieren" sollte. In weiterer Folge sei das Konsistorium - die Vollversammlung der Kardinäle - "nach und nach entmachtet" worden.
Die von dem an der Universität Münster lehrenden Priester hinterfragte "einsame Stellung des Papstes" zeige sich auch in der mangelnden Umsetzung eines Prinzips, "das die katholische Kirche quasi erfunden hat: das Subsidiaritätsprinzip". Johannes Paul II. habe im Zuge der Kirchenrechtsneufassung 1983 alle Bestimmungen in diese Richtung streichen lassen und einen "zentralistischen und autokratischen Führungsstil" gepflogen. Erst Papst Franziskus habe dem davor unausgeloteten Verhältnis von Gesamt- und Teilkirche wieder neue Möglichkeiten eröffnet, als er z.B. auf die Dienstfunktion der römischen Kurie hinwies, erinnerte Wolf. Würde das Subsidiaritätsprinzip angewendet werden, könnten Fragen wie die Auswahl geeigneter Bischofskandidaten, der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen oder die Gemeindeleitung durch Laien "dort entschieden und gelöst werden, wo sie entstehen".
Ohne Jubel der Gläubigen Bischofswahl ungültig
"Reformbedürftig" erscheint dem Kirchenhistoriker auch das Verfahren bei Bischofsernennungen. Die freie Ernennung durch den Papst, wie im Kirchenrecht festgehalten, habe Rom erst im Lauf des 20. Jahrhunderts durchsetzen können. Davor seien erst die betroffenen Gemeinden, später der lokale Klerus und weltliche Herrscher sowie laut dem Wiener Konkordat von 1448 das jeweilige Domkapitel maßgeblich gewesen. Auch das Kirchenvolk hatte laut Wolf Mitentscheidungsbefugnis, als Kaiser und Könige das Sagen hatten: Fehlte die Akklamation, der zustimmende Beifall, zum präsentierten neuen Bischof, "galt die Wahl als ungültig".
Auch für eine Aufwertung der Frauen in der Kirche sähe der Kirchenhistoriker Ansatzpunkte in der Geschichte: Wolf wies auf die im Neuen Testament (Röm 16,1) bezeugten Diakonin und auf Äbtissinnen hin, die über Jahrhunderte dem Rang eines Bischofs kaum nachgestanden seien. Das II. Vatikanische Konzil habe die Jurisdiktionsgewalt in der Kirche von der Weihe abhängig gemacht und damit die Option erschwert, "wichtige Ämter mit den dafür am besten qualifizierten Personen zu besetzen", so Wolf. Er sieht diese Regelung als reformierbar, "und dann sind Frauen auch in kirchlichen Führungspositionen grundsätzlich denkbar".
Die Kirche sei in ihrer Geschichte "nie ein monolithischer Block" gewesen, "unterschiedliche Katholizismen" hätten immer wieder miteinander gerungen. Auch Ämter und Institutionen hätten sich im Lauf der Zeit entwickelt, "ebenso die katholische Lehre", merkte Wolf an. Sein Fazit: "Die Kirche ist also definitiv reformierbar, und sie kann dazu aus der Vielfalt ihrer Tradition schöpfen."
Quelle: Kathpress