Turmkreuzkugel des Linzer Doms erstmals seit 1901 geöffnet
Mit der feierlichen Öffnung der Turmkreuzkugel in rund 130 Meter Höhe fiel am Dienstag der offizielle Startschuss für die Turmhelmsanierung am Linzer Mariendom. Die Kugel wurde dabei erstmals seit 1901 wieder geöffnet. Eine im Inneren der Messingkugel befindliche Kupfer-Kartusche wurde vor Ort in luftiger Höhe an Bischof Manfred Scheuer übergeben und von diesem nach unten in die Turmhalle des Mariendoms gebracht. In der Kartusche befanden sich eine Pergamenturkunde, verfasst vom damaligen Bischof Franz Maria Doppelbauer, sowie zahlreiche Reliquien, wie die Diözese Linz in einer Aussendung mitteilte.
Demnach bestand der Inhalt der Kartusche aus Teilchen des Heiligen Kreuzes, aus Knochenreliquien der Heiligen Paulus, Cyprian, Laurentius, Franz von Assisi, Paulus vom Kreuze, der heiligen Jungfrauen Theresia und Clara sowie der heiligen Witwe Monika. Dazu kamen ein sogenanntes "Agnus Dei" (päpstlich geweihtes Wachsstück mit Asche von Märtyrern) und einige kleine geweihte Medaillen. Weiters befanden sich im Inneren der Kartusche eine Ausgabe des "Linzer Volksblattes" und der "Katholischen Blätter", das letzte Heft der Dombauzeitschrift "Ave Maria" und eine Ansichtskarte vom Turmkreuz. Bischof Manfred Scheuer sagte bei der Öffnung der Kugel:
Der Dom als Bauwerk ist Zeugnis der Geschichte des Landes und der Kirche in unserem Land: der Stifte und Klöster, der Stadt Linz, des Kaisers, der gesellschaftlich verantwortlichen Kräfte zur Jahrhundertwende. All das zeigt sich auch im Inhalt der Turmkapsel.
Die Bedeutung der Reliquien erläuterte der Bischof so:
Wir verdienen uns unseren Glauben nicht durch eigene Schufterei, sondern durch das Zeugnis von Menschen vor uns, letztlich durch Jesus Christus selbst.
An der feierlichen Öffnung der Kugel nahmen auch Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer und Vize-Bürgermeisterin Karin Hörzing teil, die sich beide freuten, "bei diesem spannenden historischen Ereignis dabei sein zu dürfen".
Vor wenigen Tagen wurde der Aufbau des rund 150 Tonnen schweren Gerüstes am Turm des Mariendoms fertig gestellt. Als einer der ersten notwenigen Schritte der Renovierungsarbeiten werden das rund 5 Meter hohe Turmkreuz und dessen Verankerung begutachtet und eventuelle Schäden repariert. Im Zuge dessen wurde die Kreuzkugel geöffnet.
Mit der Öffnung der Zeitkapsel und der Renovierung des Mariendoms verbinde er das Thema der Zeitgenossenschaft, aber auch die Frage der Generationengerechtigkeit, so Bischof Scheuer. Die Renovierung des Mariendoms sei Ausdruck dafür, "dass jede Generation Verantwortung zu übernehmen und Zukunft zu gestalten hat, damit Glaube kein Museum und kein Relikt vergangener Zeiten ist". Jede Zeit habe "in guter, solidarischer und kritischer Zeitgenossenschaft das Evangelium je neu zu leben", so der Bischof und weiter:
Wir haben auch den Auftrag, unseren Glauben so zu leben und die Ressourcen so zu gebrauchen, dass wir unseren Enkelkindern in die Augen schauen können.
Zeitkapseln wertvolles Kulturgut
"Der Brauch, in Turmkugeln von Kirchen Zeitkapseln mit Reliquien zu hinterlegen, entstammt einer alten Tradition der Bauhütten", erklärte Judith Wimmer vom Kunstreferat der Diözese Linz:
Man legte große Hoffnung in die wundersame Heilkraft bei Krankheit oder zum Abwenden von Unglück. Sie sollten dem Gebäude einen besonderen Segen verleihen und beispielsweise vor Blitzschlag schützen.
In diesem Sinne seien Reliquien heute als Symbole der Vergänglichkeit und als Glaubenszeugnisse wertvolles Kulturgut.
Klaus Birngruber, Leiter des Linzer Diözesanarchivs, sagte, dass nicht jede Öffnung einer Kreuzkugel mit einer Zeitkapsel aufwarten könne. Der Brauch sei aber nicht nur alt und sondern auch recht weit verbreitet. Aus Oberösterreich seien weitere Beispiele dokumentiert.
Umfangreiche Sanierungsarbeiten
In den kommenden zwei Jahren wird der Turmhelm des Mariendoms ab einer Höhe von 65 Metern umfangreich saniert; gestartet wird mit der Renovierung der Turmspitze und des Turmkreuzes. Dabei werden alle Eisenteile entrostet und Elemente, die neu vergoldet werden, demontiert. Um das Innere der Turmspitze begutachten zu können, sind Sichtbohrungen für den Einsatz von Suchkameras notwendig.
Im Zuge der weiteren Bauarbeiten werden vor allem das rund 3,5 Kilometer lange Fugennetz zwischen den Sandsteinblöcken saniert sowie Krabben (aus Stein gemeißelte Schmuckelemente) und Zierteile restauriert oder neu gefertigt. Die gesamte Steinoberfläche des Turmhelms wird gereinigt und entsalzt. Die Arbeiten werden - mit Unterstützung externer Unternehmen - in erster Linie von der Dombauhütte Linz unter der Leitung von Dombaumeister Wolfgang Schaffer und Domhüttenmeister Gerhard Fraundorfer durchgeführt. Die Turmhelmsanierung soll bis Ende 2021 abgeschlossen sein, das geplante Bauvolumen beträgt rund 3,9 Millionen Euro. Bauherrin ist die Bischof-Rudigier-Stiftung.
Turmkreuzweihe vor 118 Jahren
Der Bau des Mariendoms erfolgte nach der Grundsteinlegung am 1. Mai 1862 in vier Phasen. Erst 1886 wurde mit dem Turmbau begonnen. Der Anblick der Baustelle zu dieser Zeit ließ zwei voneinander getrennte Gebäudeteile aufscheinen. Der südliche Teil, mit der Votivkapelle und dem Presbyterium, stand dem nördlichen Gebäudeteil, dem Turm, unverbunden gegenüber. Diese Bautaktik sollte verhindern, dass beim Bau des Doms von den Ursprungsplänen von Vincenz Statz abgewichen oder der Dom insgesamt oder der Turm beispielsweise aus Geldmangel verkleinert werden konnte. Zwei getrennte Gebäudeteile mussten früher oder später verbunden werden. Mittels dieser Bautaktik wurden willkürliche Abweichungen umgangen. Im September 1901 wurde das Kreuz auf die dazu vorgesehene Verankerung gesetzt, die Weihe des Turmkreuzes und der Glocken erfolgte am 1. Mai 1902.
Quelle: kathpress