Stainer-Hämmerle
Pauschalurteile gegen "die Politiker" sind ungerecht
Stainer-Hämmerle
Pauschalurteile gegen "die Politiker" sind ungerecht
Die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle hat Politiker vor Pauschalverurteilungen in Sachen Anständigkeit in Schutz genommen. Obwohl es ein Skandal-Video wie jenes mit FPÖ-Spitzenpolitikern auf Ibiza noch nie gab, herrsche in der Bevölkerung eine Pauschalverurteilung von Verantwortungsträgern im Sinne von "andere machen das ja auch" - zu Unrecht, wie die Politologin in einem aktuellen Interview mit der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen erklärte. Ihrer Einschätzung nach gibt es 98 Prozent integre Politiker "und 80 Prozent, die auch gut arbeiten - aber in der Zeitung stehen nur die zwei Prozent der Nicht-Musterbeispiele", so die Expertin.
Die Medien würden somit zu dieser Generalisierung viel beitragen, weil sie sich als Aufdecker der schwarzen Schafe sehen, sagte die an der Fachhochschule Kärnten lehrende Wissenschaftlerin. Aber wenn Medienkonsumenten nur noch von Missständen lesen würden, bekämen sie das Gefühl: Politiker sind ohnehin alle korrupt und abgehoben.
Mit dem Muster "immer auf andere zeigen" kombiniert mit einem "Jetzt erst recht"-Kurs würden "gewisse Parteien für sich noch mobilisieren können", sagte Stainer-Hämmerle. "Das ist erstaunlich und zeigt schon einen Verfall der moralischen Anforderungen an Politik." Um in die Politik Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen, müssten deren Vertreter in Bezug auf transparente Finanzierung oder ehrliche Kommunikation in die Pflicht genommen werden. Zudem könnten sie Verantwortung zeigen, wenn es Verfehlungen oder Schieflagen in der eigenen Partei gibt, riet die Forscherin.
Kritik an Demokratie-"Konsumenten"
Aber auch die Bürgerinnen und Bürger seien gefordert: Stainer-Hämmerle beobachtet eine "zunehmende Konsumentenhaltung auch in der Politik, die sich darauf reduziert, einen Schuldigen zu finden". Solche Demokratie-"Konsumenten" müssten dann nicht viel mehr tun als "abwählen, neu wählen oder bezichtigen". Die Politikwissenschaftlerin sprach sich für vielfältige Formen der Bürgerbeteiligung und auch für politische Bildung aus, um dem entgegenzuwirken.
Konkret schlug Stainer-Hämmerle vor, die Bürger in Gestaltungsprozesse vor Ort einzubeziehen und mehr Mitbestimmung in Form von Abstimmungen zuzulassen; man könnte sie ins Rathaus einladen oder auffordern, im Gasthaus eine Diskussion zu organisieren; Jugendliche oder einzelne Gruppen sollten mehr gefördert werden, selber etwas zu gestalten, indem man ihnen ein kleines Budget zugesteht. "Ich glaube, das wäre viel wichtiger, als nur bei Wahlen alle fünf Jahre ein Kreuz zu machen."
Quelle: Kathpress