Kurienpräfekt: "Weggemeinschaften sind DNA der Orden"
Wir geben Zeugnis für Gott dadurch, indem wir gemeinsam unterwegs sind in der Vielfalt der Charismen. Weggemeinschaften sind die DNA der Orden.
Das sagte der Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Institute des geweihten Lebens, Kardinal Joao Braz de Aviz, bei den "Ottmaringer Tagen". In dem bayerischen Ort nahe Augsburg sind noch bis Freitag 100 Mitglieder von Orden und geistlichen Gemeinschaften aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Belgien und Schweden zu einer Konferenz unter dem Titel "Begegnung von Charismen. Miteinander heute Kirche sein" versammelt. Veranstalter ist die Arbeitsgruppe "Miteinander der Orden" der Fokolar-Bewegung. Die deutsche Ordensobernkonferenz und die Vereinigung "Ordensgemeinschaften Österreich" unterstützen das Treffen.
Es gebe heute heute die Versuchung, Fremdheit und 'das Andere' als Bedrohung zu sehen, sagte Braz de Aviz laut Veranstaltern in seinem Impulsreferat: "Wir müssen neu erkennen, dass jede Gabe eine Gabe Gottes ist und dass Einheit in der Unterschiedlichkeit bezeugt wird." Vielgestaltigkeit und Verbundenheit gehörten zusammen, betonte der aus Brasilien stammende Kurienkardinal. "Darin wirken die Orden und Bewegungen über die Kirche in die Gesellschaft hinaus." Aviz verwies dazu auch auf jene Zeichen, die Papst Franziskus selber setze, um Verbundenheit mit allen Menschen - gerade auch mit denen am Rande - zu zeigen:
Werdet nicht müde, diese Geschwisterlichkeit zu leben, denn sie wird wirken.
Seit dem vom Papst ausgerufenen "Jahr des geweihten Lebens" 2015 sieht Aviz eine neue Dynamik in den Orden. Gleichzeitig konstatiert er nüchtern, dass sich die Klöster in den nächsten Jahrzehnten "weltweit halbieren werden, dass es einen Schwund an Berufung gibt, der Kontakt unter den Generationen oft von Konflikten geprägt ist". Es gelte, vieles auf den Prüfstand zu stellen und miteinander neue Wege zu gehen: in der Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen, im Verständnis von Autorität oder auch in der Zeugniskraft von Spiritualität im Bereich von Wirtschaft und Finanzen.
Bleibt nicht an den Schwierigkeiten stehen. Neuer Wein gehört in neue Schläuche. Und Jesus ist dieser neue Wein, diese neue unvergängliche Wirklichkeit. Seine Gegenwart bleibt und Nachfolge heißt, ihm ganz und mit Leidenschaft gemeinsam zu folgen, mit ihm gemeinsam unterwegs zu sein, Wegräume zu eröffnen.
Damit wandte sich der Kardinal an die Mitglieder von Orden und geistlichen Gemeinschaften.
Ordensobere: Mehr Mut und Risikofreude
Die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Sr. Katharina Kluitmann, rief zu "mehr Mut, Risikofreude und Pannentoleranz" auf und betonte, dass die Kirche in der Welt "Sauerteigfunktion" habe. Die Franziskanerin warnte:
Wenn Kirche nur mehr um sich selbst kreist und sich nicht mehr um die Menschen - um alle Menschen - kümmert, verliert sie ihre Existenzberechtigung.
Kirche verwirkliche sich "nicht durch Masse, sondern durch kleine Elemente, durch Einzelne, die zusammenwirken, Persönlichkeiten, die ihre Berufung leben." Die Schwester fügte an, sie hoffe "auf die subversive Sauerteig-Dynamik dieses Treffens".
Kluitmann sprach auch gelungene Beispiele für ein neues Zusammenwirken von Orden und Bewegungen an. Ebenso hob sie Erfahrungen in ökumenischer Hinsicht hervor, ein Miteinander von verschiedenen Konfessionen ebenso wie Lebensformen, die sich zu geistlichen Familien entwickeln.
Zölibat jenseits von "Pflicht"
Zum Thema Zölibat verwies die DOK-Vorsitzende auf den Unterschied zwischen der freiwilligen Ehelosigkeit in Orden und Gemeinschaften und dem Pflichtzölibat für Priester. "Ich glaube mittlerweile, dass derzeit die Pflicht zum Zölibat die Schönheit der ehelosen Gottesliebe eher verdunkelt als erhellt", sagte Kluitmann:
Gerade die, die freiwillig ehelos leben, können die Schönheit dieser Wahl repräsentieren - und deshalb vielleicht unverdächtiger die Frage stellen, ob sie für Priester zwingend sein sollte.
Kirche habe Erneuerung nötig, betonte die Ordensfrau. Sie hoffe "auf die subversive Sauerteig-Dynamik dieses Treffens". Es müsse gelingen Gewohntes zu verlassen und Grenzen zu überspringen. Dies gelte auch für das Thema Gleichberechtigung in der Kirche. "Unsere Gemeinschaften geben uns einen gewissen Freiraum und die Chance, dass sich die Geschlechter auf eine neue und andere Art begegnen. Denn Gleichberechtigung ist noch nicht fertig, nicht in der Gemeinschaft und ganz zu schweigen in meiner Kirche", so Kluitmann. Und weiter:
Da geht noch was, wenn Männer und Frauen zusammenhalten, und zwar so, dass nicht einfach nur Frauen geweiht werden, sondern dass sich das gesamte Machtgefüge ändert, das an vielen Stellen dem Evangelium widerspricht.
"Es reicht, wenn wir anfangen zu glauben"
Einen weiteren Hauptimpuls bei den "Ottmaringer Tagen" hielt der international bekannte Geigenbaumeister und Autor spiritueller Bücher, Martin Schleske. "Die wesentlichsten Dinge im Leben können wir nicht machen, sondern nur empfangen, uns selbst empfänglich machen", sagte Schleske, der in seinem auf persönlichen Erfahrungen aufgebauten Vortrag "Beten als Resonanzraum - Vom Erlernen einer heiligen Kunst" dem Dreiklang der Berufungen "Wort - Werk - Wunder" nachging. "Diese drei können nur im Zusammenklang ihre volle Wirkung entfalten, denn das Wort alleine wäre herrschaftlicher Dogmatismus, das Werk alleine kraftloser Humanismus und Wunder alleine geistloser Triumphalismus. Gerade bei der Kirche sehe ich eine große Not der Kraftlosigkeit und eine Not der Glaubenslosigkeit", sagte Schleske.
Aus seiner Sicht habe sich "enttäuschter Glaube in eine resistente Erwartungslosigkeit zurückgezogen", so der Autor. Er "spüre eine große Sehnsucht der Menschen nach Gott, nicht nach der Kirche", sagte Schleske. Gleichzeitig machte er Mut: "Es braucht einen Glauben, der nicht groß sein muss, aber mit der Gnade zusammenspielen lernt", meinte Schleske.
"Es reicht, wenn wir anfangen zu glauben", sagte der Autor. Er sieht in manchen Fürbittgebeten "den Versuch der Überredungskünste, so als müssten wir Gott an seine Liebe erinnern". Aber, so Schleske:
Wir sollen nicht den Arm Gottes - tu etwas - bewegen wollen, sondern uns selber empfänglicher machen. Gott tut schon und die Gnade erzwingt nichts, sondern steht zur Verfügung. Glauben heißt eigentlich erlauben, dass die Gnade, Gott selber mit mir, an mir und durch mich wirkt.
Quelle: kathpress