Pädagogische Werktagung: "Geborgenheit" hat religiöse Dimension
Auf die religiöse Dimension des Themas "Geborgenheit finden" hat Erzbischof Franz Lackner bei der Eröffnung der Pädagogischen Werktagung hingewiesen. Die bereits 68. Internationale Fachtagung findet unter diesem Titel von Mittwoch bis Freitag in Salzburg statt. "Geborgenheit finden in den Armen eines anderen Menschen, im Glauben, in einer Gemeinschaft" - den vielen Facetten von Geborgenheit im Zusammenhang mit Erziehung ist die vom Katholischen Bildungswerk in Kooperation mit der Caritas Österreich und der Universität Salzburg veranstaltete Tagung gewidmet. Am Eröffnungsabend waren neben Erzbischof Lackner auch "Bildungsbischof" Wilhelm Krautwaschl (Graz) und der Theologe und Uni-Rektor Heinrich Schmidinger anwesend.
Der Salzburger Erzbischof skizzierte in seinen Grußworten am Mittwochabend das Spannungsfeld zwischen dem Menschen in seiner Einzigartigkeit und seinem gleichzeitigen Streben nach einem Gegenüber, schließlich einer letzten Instanz. "Das macht den Menschen zu einem religiösen Wesen, auch wenn er nicht religiös ist", interpretierte Lackner diese Ursehnsucht nach Geborgenheit. Er wandte sich an den Religionspädagogen Anton A. Bucher in dessen Funktion als Präsident der Werktagung und hinterfragte dessen im Zusammenhang mit einem flächendeckenden Ethikunterricht geäußerten Satz "Nicht jeder Mensch muss religiös sein, aber jeder Mensch muss ethisch sein". Nach Lackners Überzeugung münden Religionen - "so sie ernsthaft gelebt und praktiziert werden" - unweigerlich in einen ethischen Imperativ. Ethik sei von religio nicht trennbar. Nicht umsonst bezeichne der Psychologe Hans Mogel den Menschen als ein "Geborgenheitswesen", der schon in der Bibel gebetet habe: "Behüte mich, Gott, denn bei dir habe ich mich geborgen!" (Ps 16,1).
Im Namen von Land und Stadt Salzburg begrüßten Landtagsabgeordnete Michaela Eva Bartel (ÖVP) und Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer (SPÖ) die Teilnehmer. Bartel reflektierte die menschliche Suche nach Geborgenheit und hinterfragte die Auswirkungen der digitalen Welt und sozialen Medien auf das Selbstverständnis Heranwachsender. Wie ein Mensch durch andere wahr- und angenommen wird, werde in Zeiten von "Likes" und "Followern" zunehmend quantifizierbar und übe bedenklichen Druck aus. Hagenauer nahm die Rolle von Krisenpflegeeltern in den Blick, die "Kindern Geborgenheit vermitteln, die zuvor in die Welt 'geworfen' wurden", abgelegt etwa in Babyklappen, und keinen Schutz durch ihre leiblichen Eltern erfahren durften. Ihr Anliegen ist es, diese notwendige Hilfestellung auszubauen.
Kindern vermitteln: "Ich sehe dich"
Eröffnungsredner Joachim Bauer, in Berlin lehrender Arzt und Psychiater, machte dem Publikum aus neurobiologischer Sicht eindrücklich bewusst, dass Geborgenheit viel mehr sei als nur "heiße Luft". Der Autor von Bestsellern wie "Prinzip Menschlichkeit", "Das kooperative Gen" und zuletzt "Wie wir werden, wer wir sind: Die Entstehung des menschlichen Selbst durch Resonanz" (2019) erklärte, "Geborgenheit mag weich und altmodisch anmuten, sie hat aber eine große Wucht". Was in der frühkindlichen Entwicklung passiert, habe Auswirkungen auf die Aktivität unserer Gene und das erlebte Gefühl von Schutz und Geborgenheit spiele hier eine bedeutende Rolle. "Unsere Gene sind die Klaviatur, auf der unsere soziale Umwelt spielt", verdeutlichte Bauer.
Die "Selbstnetzwerke", die das Wesen eines Menschen definieren, müssten sich beim Säugling erst entwickeln. Die Kommunikation mit Neugeborenen passiere daher über Resonanz - die neuronalen Systeme des Kindes reagierten auf die Signale seines Gegenübers und umgekehrt. Nur wenn diese Phase durch Geborgenheit, Wohlwollen und eine positive Tonalität geprägt ist, erfahre der Säugling, dass er angenommen und erwünscht ist. Bauer verwies auf Studien, wonach liebevolle Fürsorge das Gehirnwachstum fördert und der Mensch als "soziales Tier" sehr früh die Qualität der sozialen Beziehungen wahrnimmt, in denen er sich gerade befindet. Das Wichtigste sei, Kindern in allen Altersstufen zu vermitteln: "Ich sehe dich." Nicht verwechselt wissen möchte der Neurowissenschafter diese achtsame Haltung allerdings mit dem Verwöhnen: "Verwöhnen ist das Gegenteil von Gesehenwerden."
Den anwesenden Erziehenden gab Bauer mit auf den Weg, durch ihre volle Präsenz, Leidenschaft und überzeugte Wertehaltung in den Kindern positive Resonanz auszulösen und sie in ihrer Entwicklung zu begleiten - auch bis in die Pubertät, wenn die Qualität der Beziehung von "sieh mich, bleib mir zugewandt" meist erweitert werde um den Aspekt "leide an mir". (Info: www.bildungskirche.at/Werktagung)
Quelle: kathpress