Neutestamentlerin: Kirche braucht Machtausübung nach Vorbild Jesu
Die Kirche muss beginnen, alternative Konzepte lebendiger und Leben spendender Machtausübung nach dem Vorbild der Bibel zu entwickeln und einzuüben. Wie die deutsche Neutestamentlerin Bettina Eltrop in einem Beitrag für die theologische Feuilleton-Website feinschwarz.net darlegte, gehe es dabei darum, "Macht an echte Autorität zu binden und zu demokratisieren". Es genüge nicht mehr, die Legitimität von Machtausübung allein an das Vorhandensein einer Weihe oder einer formalen Beauftragung zu binden. "Wessen Worte zu leeren Formeln verkommen sind, (...) dem wird das Volk die Macht entziehen - mag er noch so sehr die formale Beauftragung für sich beanspruchen können", so Eltrop. Als Schlüssel sieht sie die "Ermächtigung von Benachteiligten".
Die verantwortliche Redakteurin der in Stuttgart erscheinenden Zeitschrift "Bibel und Kirche" gab auf "Feinschwarz" einen Überblick über das aktuelle Schwerpunktthema "Kirche und Macht" (Ausgabe 2/2019). Bibelwissenschaftler wie Michael Theobald (Tübingen), Burkhard Hose (Würzburg) und Heinz Blatz (Paderborn) beleuchten darin Fragen wie: Ist die Kirche in der Spur Jesu und der Bibel? oder "Wie könnte die Kirche die eigenen Machtstrukturen heute weiterentwickeln?"
Ämter für Frauen als Machtfrage
Die sich auf das Apostelamt gründende Amtsnachfolge in der katholischen Kirche bewertete der renommierte Neutestamentler Theobald, der 2014 mit dem Theologischen Preis der Salzburger Hochschulwochen ausgezeichnet wurde, aus exegetischer Sicht als "dogmatisch interessiertes Konstrukt": Die "behauptete Kette männlicher Leitungsvollmacht" habe es nicht gegeben, Frauen hätten beim Aufbau der Gemeinden und ihrer Leitung eine wichtige Rolle gespielt, verwies Theobald auf die lange als solche unterschlagene "Apostelin" Junia im Römerbrief des Paulus. Für eine vollgültige Einbeziehung von Frauen in das kirchliche Amt spreche biblisch-theologisch betrachtet "alles", so der Experte in "Bibel und Kirche". Weil Rom aber die Debatte darüber "viel zu früh als beendet erklärt" habe, sei inzwischen eine Machtfrage daraus geworden.
Freilich wäre die Kirche mit der Öffnung des Priesteramts oder des Diakonats für Frauen nicht automatisch wieder "in der Spur" des Evangeliums, merkte Bettina Eltrop dazu an. Solange die Grundstruktur von Kirche als "System von Unter- und Überordnungen" bestehen bleibe, sei dieser Schritt zwar gut - weil er die "Beschämung der Frauen" aufhebe -, aber "nicht endgültig im Sinne Jesu". Die Kirche müsse der "vertikalen Machtschiene" entsagen, auch um den Preis des Kontrollverlusts, und stattdessen die von Jesus vorgelebte "Beziehungsmacht" wieder ins Zentrum stellen. Erst dann könne sie für Menschen wieder glaubwürdig und anziehend wirken, befand Eltrop. Nachsatz: "Ist das vielleicht auch der Grund, warum die Evangelische Kirche auch nicht viel besser dasteht als die Katholische?"
Als "Beziehungsmacht" beschrieb die Neutestamentlerin die in vielen biblischen Heilungserzählungen über Jesus ersichtliche "verlebendigende" Macht Gottes, die in Worten, Berührungen und Gesten zwischen Menschen wirke - jedenfalls dann, wenn sich Menschen ihr öffnen. "Wo die Gotteskraft jedoch nicht auf empfangsbereite Menschen trifft, kann sie auch nicht wirken", wies Eltrop hin.
"Bei euch aber soll es nicht so sein..."
Burkhard Hose nannte in seinem "Bibel und Kirche"-Beitrag zwei für das Thema Macht zentrale Passagen aus dem Neuen Testament: Paulus habe im Galaterbrief (Gal 3,28) ein alternatives Konzept von Macht vorgestellt, nämlich die Ermächtigung gesellschaftlich benachteiligter Menschen durch die Taufe: "Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus." Und über den Philipperbrief schrieb Hose: "Es gibt keine extremere Form, kritisch mit Macht umzugehen", als im dortigen Christushymnus (Phil 2,6-8):
Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.
Bettina Eltrop nannte eine weitere Stelle aus dem Markusevangelium, um eine positiv zu verstehende Macht einer auf Unterdrückung basierenden Herrschaft gegenüberzustellen. Vor der Hintergrundfolie des Imperium Romanum habe Jesus seinen Jüngern eingeschärft: "Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein" (Mk 10,42ff.). (Link: www.feinschwarz.net; www.bibelundkirche.de)
Quelle: kathpress