Glettler: Christlicher Glaube bedeutet Beheimatung und Aufbruch
Christlicher Glaube bedeutet Beheimatung, aber auch Aufbruch, er steht für "mehr als nur Wissen" und hat durch sein Eingreifen für "jene, die vom Leben gezeichnet sind", auch eine politische Dimension: Diese unterschiedlichen, oft "nebeneinander existierenden" Modi des Glaubens hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in seinem Beitrag für das knapp 400 Seiten starke Jubiläumsbuch zum 150-jährigen Bestehen des "Styria"-Unternehmensgruppe skizziert. Welche Gestalt der Glaube in Zukunft haben wird, lasse sich schwer voraussagen, schrieb Glettler. Aber:
Mit Sicherheit wird ein Glaube, der seine Relevanz für die zukünftige Gesellschaft behalten wird, einerseits mystischer und zugleich auch politischer sein.
In die Zukunft weisen in dem beim großen "Styria"-Jubiläumsfest am Freitag vergangener Woche in Graz vorgestellten Band auch Gastbeiträge u.a. von Peter Handke, Peter Strasser, Renata Schmidtkunz, Ursula Plassnik oder Sabine Ladstätter, die unter www.styriabooks.at/styria-medien-menschen nachlesbar sind. Präsentiert wurde er vom Geschäftsführer der "Styria"-Buchverlage, Matthias Opis, der als Unternehmenshistoriker der Mediengruppe auch einen Überblick über die Entwicklung seit der Gründung des "Katholischen Preßvereins" im September 1869 gab.
Glaube als "Synthese des Ganzen"
Bischof Glettler - selbst ein aus der Steiermark stammender "Styria"-Autor - hob in seinem schlicht "Glaube" betitelten Beitrag die Integrationskraft des Christentums hervor. Diese habe sich etwa bei der weltweiten Betroffenheit nach der Brandkatastrophe in der Pariser Kathedrale Notre Dame gezeigt. Das Gotik-Meisterwerk stelle in seiner Bündelung von visionärer Theologie, Naturwissenschaft und Astronomie, sowie einer Fülle von Alltagswissen, Handwerk und Kunst die "uralte Zeugin einer verloren gegangenen Einheit" dar. Und das in der heutigen Zeit der Segmentierung und Auflösung, in der es viel "Sehnsucht nach einer Synthese des Ganzen" gebe. Diese Synthese leiste der Glaube, so Glettler:
Wer Glaube sagt, meint das Ganze, den größeren Horizont und eine Zugehörigkeit zu Gott.
Quer durch alle Religionen wüssten sich Glaubende "in einer inneren Verbundenheit bei Gott beheimatet", wies der Bischof hin. Christlicher Glaube gehe noch einen Schritt weiter: "Jesus, Gottes Sohn, hat seine göttliche Heimat verlassen, um sich in die flüchtige Heimat menschlicher Existenz einzuschreiben." Dies ermögliche ein Zuhause-Sein der Seele, "das sich beim definitiven 'Heimgehen' dann in seiner Fülle erschließen wird".
Aufbruch statt "Besitzstandverteidigung"
Diese stabilisierende Dimension des Glaubens werde ergänzt durch das Moment des "stets notwendigen Aufbruchs" nach dem Vorbild des ins ungewisse gelobte Land aufbrechenden, alles zurücklassenden biblischen Abrahams. Glettler:
In dieser Radikalität des Loslassens gibt es etwas, das den Lebensnerv unserer Zeit berührt. Wir sind zu sesshaft geworden. Besitzstandverteidiger.
Nach der Überzeugung des Innsbrucker Bischofs bleibt der Glaube "nur im Modus des Aufbruchs lebendig, dynamisch, bereit für Überraschungen und Zumutungen". Nicht umsonst habe man junge Kirche den "Neuen Weg" genannt, erinnerte Glettler.
Diese Aufbruchs- und Weg-Dynamik wird hoffentlich zukünftig ein Markenzeichen christlicher Spiritualität sein.
Einen Absatz widmete der Bischof auch der "Stammtischparole", wonach Glaube Nicht-Wissen heiße. Demgegenüber Glettler: "Glaube braucht die Ratio und umgekehrt." Ein Faktum sei freilich, dass es weit mehr gebe, als sich mit technischem Zugriff messen und begreifen lasse. Der Glaube berge das "Gespür für die Geheimnishaftigkeit, Größe und Abgründigkeit von allem, was existiert". Somit gelte:
Glaube weitet den Horizont, nicht im Kontrast zu Wissenschaft und Technik, sondern in einem komplementären Blick auf das Ganze.
Eine Absage erteilte der Bischof dem Verständnis von Glauben als Privatsache. Glettler berichtete von einem Besuch in der kriegszerstörten syrischen Metropole Aleppo, wo ein Jesuit im Rahmen einer christlich-muslimischen Initiative täglich 8.000 Mahlzeiten für Bedürftige organisiere. "Christlicher Glaube greift ein, immer solidarisch, in größtmöglicher Verbundenheit besonders mit jenen, die vom Leben gezeichnet sind", betonte Glettler.
Die knapp 400 Seiten umfassende Festschrift "Styria. Medien.Menschen." auf Deutsch und Englisch enthält auch zahlreiche Angaben über den aktuellen Stand des Medienunternehmens, zu dem neben den Tageszeitungen "Kleine Zeitung" und "Die Presse" u.a. das christliche Wochenblatt "Die Furche" und das Magazin "Wienerin" gehören. Neben Printmedien gibt es Radiosender, Internetseiten und einen erfolgreichen Buchverlag: Bischof Hermann Glettler verfasste gemeinsam mit dem Psychologen Michael Lehofer den "Styria"-Band "Die fremde Gestalt. Gespräche über den unbequemen Jesus". Die insgesamt 70 Unternehmen der "Styria Media Group" erwirtschaften gemeinsam 413 Millionen Euro Jahresumsatz.
Quelle: kathpress