Folgen der Erdbebenkatastrophe noch immer enorm
Der Karibikstaat Haiti benötigt zehn Jahre nach dem schwersten Erdbeben in der Geschichte Nord- und Südamerikas weiterhin Hilfe von außen. Darauf haben Caritas Österreich und "Jugend eine Welt" in Aussendungen am Freitag hingewiesen. Trotz der internationalen Hilfsbereitschaft - auch aus Österreich - in den Wochen und Monaten nach dem Beben seien die Folgen noch immer massiv spürbar, so die Hilfsorganisationen. Die Erdbebenkatastrophe am 12. Jänner 2010 habe "eine völlig unvorbereitete und verarmte Bevölkerung getroffen und innerhalb von wenigen Minuten hunderttausende Menschenleben ausgelöscht", erinnerte Caritas-Haiti-Länderreferent Robert Moosbrugger, der vor zehn Jahren als Katastrophenhelfer die Nothilfe vor Ort mitorganisierte.
Ein Jahrzehnt nach dem Beben sei die Lage für viele Menschen in Haiti weiterhin prekär. Noch immer lebten 38.000 Menschen in 26 Camps, mehr als 100.000 Menschen hätten keine adäquaten Unterkünfte, schilderte Moosbrugger. Einzig positiv sei, dass nach mehreren Cholera-Ausbrüchen die Epidemie vorerst besiegt zu sein scheint: "2019 wurde keine weitere Cholera-Erkrankung registriert."
In Kooperation mit lokalen Projektpartnern versorgte Caritas Österreich rund 90.000 Menschen bzw. 18.000 Familien in den ersten Monaten nach der Naturkatastrophe mit medizinischer Hilfe, Nahrungsmittel, sauberem Wasser, Küchen- und Hygienesets, sowie Material für Notunterkünfte. "Weniger als zwölf Monate nach dem Erdbeben konnten die ersten Familien in erdbebensichere Häuser einziehen, die von der Caritas unter Einbeziehung der Bevölkerung gebaut worden sind", so Moosbrugger. Insgesamt wurden von der Caritas 428 neue Häuser gebaut und 500 beschädigte Häuser renoviert. Zudem wurden eine Volksschule für 1.200 Kinder im Elendsviertel Cite Soleil in Port-au-Prince wieder aufgebaut und ein Wohnheim für 150 Mädchen errichtet.
In einer derartigen Katastrophensituation "war und ist es unsere Pflicht als Caritas, sofort zur Stelle zu sein und die schwer getroffenen Menschen mit unserer Hilfe rasch, konkret und nachhaltig zu unterstützen", hielt auch Caritas-Präsident Michael Landau zum Jahrestag des Haiti-Bebens fest. Möglich sei diese Hilfe für den Wiederaufbau durch die "riesige Hilfsbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher" geworden, so Landau, der sich bei den Spendern bedankte.
Wirtschaftliche und politische Krise
Haiti stecke auch zehn Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in einer wirtschaftlichen und politischen Krise, schilderte der Salesianerpater Victor Auguste. Dringend erforderlich sei darum ein stärkeres Interesse von Seiten der Weltöffentlichkeit und mehr Hilfe, forderte der Projektpartner der Hilfsorganisation "Jugend Eine Welt" in Haiti. Die Bevölkerung sei verzweifelt, denn auch das "reine Überleben ist extrem teuer geworden". Auch Schulbesuche für ihre Kinder könnten sich viele Eltern aufgrund der hohen Inflation nicht mehr leisten.
Aktuell ist der Inselstaat von Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Jovenel Moise, dem Korruption und Misswirtschaft vorgeworfen werden, geprägt. Auch der Schulbetrieb sei davon betroffen, berichtete der Salesianerpater. Das Bildungsministerium hatte im Dezember den Kalender für das Schuljahr 2019/20 auf 140 Schultage verkürzt, nachdem die meisten Schulen aufgrund der Unruhen von September bis November geschlossen waren. Nun soll die Opposition angekündigt haben, nur noch an Wochenenden und in den Abendstunden zu Demonstrationen aufzurufen, um den Schulbetrieb nicht weiter zu gefährden.
Laut "Jugend Eine Welt"-Geschäftsführer Reinhard Heiserer werden laut UN-Prognosen von März bis Juni 2020 in Haiti etwa 4,1 Millionen Menschen, also rund 40 Prozent der Bevölkerung, auf Nothilfe angewiesen sein. Die Bereiche Bildung und Nahrungsmittelhilfe würden besonders Unterstützung benötigen. "Haiti darf nicht vergessen werden - so ein enormer Solidaritätsschub wie nach dem Erdbeben wäre auch jetzt dringend notwendig", appellierte Heiserer.
Quelle: kathpress