
"Rechtes Wort zur rechten Zeit"
Zulehner lobt Hirtenwort der Bischöfe
"Rechtes Wort zur rechten Zeit"
Zulehner lobt Hirtenwort der Bischöfe
Das pfingstliche Hirtenwort der österreichischen Bischöfe "Für eine geistvoll erneuerte Normalität" ist für den Pastoraltheologen Prof. Paul Zulehner ein "rechtes Wort zur rechten Zeit". In einem Beitrag auf seinem Blog hob er den seiner Meinung nach umfassenden und zukunftsweisenden Charakter des Schreibens hervor und hoffte auf eine rege Rezeption. Zugleich hat der Pastoraltheologe aber auch einige Kritikpunkte anzubringen - vor allem die Tatsache, dass die Laien in dem Schreiben zu wenig vorkommen. Und er wünscht sich für die Zukunft eine Art "Kirchenparlament" für Österreich.
Das Hirtenwort sei wie eine kleine "zeitsensible Pastoraltheologie der Covid-19 Pandemie", so Zulehner. Es stehe in der bewährten Spur der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) und knüpfe wie diese bei den Erfahrungen an, die Menschen in höchst unterschiedlicher Weise in den letzten Monaten gemacht haben. Kaum eine Bevölkerungsgruppe werde ausgelassen.
Das Hirtenwort sei zugleich "ein Sozialwort, welches das grandiose Schreiben der christlichen Kirchen Österreichs updatet - freilich leider nicht in derselben ökumenischen Weise", bezog sich Zulehner auf das "Sozialwort" der gesetzlich anerkannten Kirchen aus dem Jahr 2003. Wesentlich sei jedenfalls die sozialpolitische Botschaft, wonach die Meisterung der Pandemie-Krise eine Lernerfahrung für ein ebenso entschlossenes Handeln in der Klimakrise sein könnte.
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Hier können Sie das Hirtenwort herunterladen
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Ökologie als Grundmelodie
Wie ein Basso continuo durchziehe das ökologische Anliegen das Schreiben. Alle Förderungen, die derzeit zur Rettung der Wirtschaft, von Unternehmen, Arbeitsplätzen, Kunst, Kultur und Bildung, auf Pump gemacht werden, seien vor jener kommenden Generation zu verantworten, der die Schulden aufgeladen werden. Das setze einen mutigen Wandel der neoliberalen in eine ökosoziale Marktwirtschaft ebenso voraus wie die Einsicht der Bevölkerung, dass ihr Lebensstil und ihr Kaufverhalten sich rasch verändern müssten. Das Hirtenwort könne sich dabei auf Papst Franziskus und seine epochalen Dokumente "Laudato si" sowie "Querida Amazonia" berufen. Zulehner: "Eine bessere fachlich wie sozialethisch abgesicherte Quelle wird man derzeit nicht so einfach finden."
Neben der Klimakrise sind laut dem Theologen die vielfältigen Formen der Flucht eine weitere Mega-Challenge. Leider übergehe dabei aber das Hirtenwort die vielen kriegerischen Konflikte, die neben hoffnungsloser Armut und sich mehrender Naturkatastrophen immer mehr Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen. So zog Zulehner den Schluss: "Beides wird künftig nötig sein: eine forcierte Entwicklungszusammenarbeit verbunden mit einer internationalen Friedenspolitik einerseits und die Aufnahme schutzsuchender Menschen andererseits."
"Fokus zu sehr auf Kirchenhierarchie"
So gelungen das Hirtenwort inhaltlich ist, hat es laut Zulehner aber doch auch einen "unguten Beigeschmack", denn es sei zu sehr auf die Kirchenhierarchie bzw. den Klerus fokussiert. Das habe schon mit der Beobachtung begonnen, dass die Digitalisierung von Gottesdiensten zu einer Fokussierung der Eucharistiefeier auf das Geschehen am Altar und das Handeln des Priesters geführt hat, so Zulehner: "Von einer schleichenden Reklerikalisierung war die Rede. Ein ähnlicher Prozess der Fokussierung auf den Priester findet in den Strukturreformen vieler Diözesen statt, wo es zumindest in einem ersten Schritt um die Bearbeitung des Priestermangels geht. Und im vorgelegten Hirtenwort sprechen nur die Bischöfe für die Kirche." Das Kirchenvolk bleibe weithin im Hintergrund.
Zulehner: "Es wird zwar gedankt: der Caritas, den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, den Pfarren und Einrichtungen der Ordensgemeinschaften, leider nicht die Bildungseinrichtungen oder den Schulen und den dort unter ungewohnten Voraussetzungen Unterrichtenden." Das Wort "Laien" komme nicht vor.
Laienorganisationen wie die Katholische Aktion mit ihren vielfältigen Gliederungen hätten den Bischöfen für das Hirtenwort Kurzdossiers geliefert. Eine Synthese dieser Texte zeige, dass so gut wie alle gesellschaftspolitisch relevanten Punkte, die im bischöflichen Schreiben vorkommen, in diesen Dossiers genannt sind, bemerkte Zulehner: "Das Hirtenwort würde vielleicht noch an Kraft gewonnen haben, wäre ausdrücklich vermerkt worden, dass der Inhalt sich einer innerkirchlichen Konsultation verdankt." Das wäre umso hilfreicher, "weil ja laut Konzil die Laienorganisationen für das Handeln der Kirche in gesellschaftlichen Fragen eine eigene Zuständigkeit haben und nicht bischöfliche Marionetten sind".
"Mehr Synodalität riskieren"
Der Pastoraltheologe ermutigt in diesem Zusammenhang auch, "in der Kirche in Österreich mehr Synodalität zu riskieren". Es wäre für die Entwicklung der Kirche in Österreich höchst dringlich, "dass nach Corona eine Kirchenversammlung stattfindet". Auf dieser könnte eine Art "Kirchenparlament" eingerichtet werden - es entstünde eine institutionalisierte Dauersynodalität. Das könnte die Bischöfe enorm entlasten, zugleich aber die kirchlichen Vorgänge partizipativer werden lassen, meint Zulehner. In einer demokratischen Kultur wäre das eine Form von Inkulturation, wie Papst Franziskus sie wünscht.
Und: Dann wäre die Zeit der "Hirtenworte" vorbei, weil es dann "Kirchenworte" geben könnte. Und das nach Möglichkeit ökumenisch - auch über den christlichen Tellerrand hinaus, schlug Zulehner vor.
Quelle: Kathpress