Kirchen "Oasen des Vertrauens in Kultur der Angst"
Die Kirche darf Menschen mit ihren Ängsten nicht allein lassen, egal ob es sich dabei um die Angst vor dem Corona-Virus oder gar vor schutzsuchenden Menschen handelt. Darauf hat der Wiener Theologe und Religionssoziologe Paul Zulehner in einem Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (aktuelle Ausgabe) hingewiesen. "Die Kirchen könnten heute wie Oasen des Vertrauens inmitten der Kulturen der Angst sein", so der Pastoraltheologe. Erforderlich dafür sei jedoch ein Neuaufbruch der Kirche und weniger Klerikalismus, betonte Zulehner dessen neues Buch "Damit der Himmel auf die Erde kommt" im Herbst im Patmos-Verlag erscheint.
Die stärksten Reformimpulse der Kirche kamen laut Zulehner bisher "immer aus einer mystischen Tiefe". Darum dürfe auch heute nicht auf mystische Menschen vergessen werden, die keine Frömmler seien, "sondern zumeist revolutionär". Als Beispiel nannte er die Armutsbewegung von Franz von Assisi oder Papst Franziskus, der die Bedeutung der Schöpfung betone.
In dieser Tradition sehe der Theologe auch seine Forderung nach einem Neuaufbruch der Kirche: so brauche es einen Ausweg aus der sogenannten Priesterkirche, die "unmündige Menschen betreut, die vielleicht gar nicht mündig werden wollen, weil sie das in der Kirche bisher kaum erlebt haben". Mit dieser Forderung stelle er die Kirche - die derzeit "auf dem klerikalen Kopf" stehe - wieder "auf gesunde Beine", meinte Zulehner.
Angesprochen auf Kirchenaustritte meinte der Pastoraltheologe und Priester, dass vielleicht mehr Menschen in der Kirche mitleben würden, "wenn diese aus dem Mittelpunkt gerückt würde". Die Kirche müsse damit "gleichsam aus der Sonne gehen", die Jesus sei, und diesen wieder mit dem alltäglichen Leben der Menschen in Verbindung setzen. Hintergrund von Zulehners Reformvorschlägen sind Ergebnisse seiner Langzeitstudie "Religion im Leben der Österreicher*innen 1970-2020", die heuer im Matthias-Grünewald-Verlag erschienen ist.
Quelle: kathpress