Vatikan-Handbuch für Missbrauchsverfahren nun auch auf Deutsch
Ein in dieser Woche veröffentlichter Vatikan-Leitfaden zum juristischen Umgang mit Missbrauchsfällen liegt nun auch auf Deutsch vor. Das "Vademecum" der Glaubenskongregation ist als Hilfestellung für Mitarbeiter der kirchlichen Rechtspflege gedacht und legt Schritt für Schritt die Verfahrenswege bei sexuellen Vergehen von Klerikern an Minderjährigen dar. Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria, hatte die neun Kapitel und 164 Punkte umfassende Handreichung, mit der bestehende kirchliche Normen zum Thema erstmals in strukturierter Form für alle Schritte eines Verfahrens dargestellt sind, am Donnerstag via Vatikanerklärung und Onlinevideo vorgestellt. Auf der Vatikan-Website www.vatican.va ist das Vademecum nun in vorerst sieben Sprachen abrufbar.
Ausdrücklich werden in dem Vademecum Kirchenverantwortliche aufgefordert, jedwede Hinweise auf mögliche Missbrauchstaten ernst zu nehmen. Dies gelte auch für anonym vorgebrachte Hinweise, gleichwohl es in solchen Fällen angemessen sei, "große Vorsicht walten zu lassen", wie es in den Leitlinien heißt. Die Anonymität des Anzeigenden dürfe jedoch nicht dazu führen, diese Hinweise automatisch für falsch zu halten.
Ebenso enthalten die Leitlinien die Aufforderung, mögliche Fälle an staatliche Behörden weiterzuleiten, und zwar auch in Ländern, in denen dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. "Auch in Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung soll die kirchliche Autorität bei den zuständigen staatlichen Behörden Anzeige erstatten, wenn sie es zum Schutz der geschädigten Person oder anderer Minderjähriger vor der Gefahr weiterer verbrecherischer Akte für unverzichtbar hält", hält das Vademecum fest.
Erhalten Priester im Rahmen von Beichtgesprächen Hinweise auf mögliche Missbrauchstaten sind diese Informationen durch die "strenge Bindung an das Beichtgeheimnis" weiterhin streng geschützt. "Es wird daher nötig sein, dass der Beichtvater (...) versucht, den Pönitenten zu überzeugen, seine Informationen auf anderen Wegen bekannt zu geben, um den Zuständigen in die Lage zu versetzen zu handeln", weist der neue Leitfaden aber wörtlich hin.
Keine Änderung der Gesetzeslage
Der Leitfaden war nach einem von Papst Franziskus einberufenen Gipfel zur Missbrauchsprävention im Vatikan im Februar 2019 angekündigt worden. Änderungen der Gesetzeslage sind damit nicht verbunden, betonte Glaubenspräfekt Ladaria zur Veröffentlichung der Handreichung. Die Glaubenskongregation ist für die kirchenstrafrechtliche Aufarbeitung von Missbrauchsdelikten zuständig und arbeitet darin eng mit Diözesangerichten weltweit zusammen.
Das Vademecum richte sich insbesondere an Bischöfe, Ordensobere, Kirchengerichte, Rechtsfachleute und Verantwortliche der von den Bischofskonferenzen eingerichteten Meldestellen, erklärte der Sekretär der Glaubenskongregation, Kurienerzbischof Giacomo Morandi. "In Anbetracht der Komplexität der Normen und der Praxis möchte dieser Leitfaden den Weg weisen und den Zuständigen helfen, nicht den Überblick zu verlieren", sagte er dem Portal "Vatican News".
Wesentliche Grundlagen für den Leitfaden sind der 2001 veröffentlichte und 2010 überarbeitete Papst-Erlass "Sacramentorum sanctitatis tutela" mit seinen aktuellen Ergänzungen, das Papstschreiben "Vos estis lux mundi" vom Mai 2019 und die Rechtspraxis der Glaubenskongregation, die für die strafrechtliche Aufarbeitung von Missbrauchsdelikten in der katholischen Kirche zuständig ist.
Quelle: Kathpress