Tagung im Gedenken an Vorreiter des christlich-islamischen Dialogs
Der Priester, Bibelwissenschaftler und Orientalist Hermann Stieglecker (1885-1975) war seiner Zeit weit voraus: Bereits in den 1930er-Jahren vertrat er den Ansatz, den Islam umfassend und aus der Perspektive muslimischen Selbstverständnisses darzustellen. Diese Haltung prägte auch sein Hauptwerk "Die Glaubenslehren des Islam" (veröffentlicht 1958-1962), das nicht zuletzt durch die Wertschätzung von Kardinal Franz König das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Erklärung "Nostra Aetate" beeinflusste. Dem Gedenken an Stieglecker ist die am Sonntag begonnene, bereits dritte Monotheimus-Tagung des "Forums für Weltreligionen" im Stift St. Florian gewidmet.
Der polyglotte, rund 70 Sprachen beherrschende Linzer Weltpriester war Professor an der Theologischen Hauslehranstalt des oberösterreichischen Augustiner-Chorherrenstifts. Im Stiftsarchiv ist auch Stiegleckers Nachlass aufbewahrt, den das "Forum für Weltreligionen" in den letzten drei Jahren aufgearbeitet hat. Dabei wurde sein 800 Seiten starker Islam-Band aktualisiert und mit entsprechenden bibliographischen Quellenangaben versehen. Er wird im Herbst als Neuauflage im "Schöningh"-Verlag auf den Markt kommen. Ausführliche biographische Informationen über den wegweisenden Theologen finden sich im Sammelband "Monotheismus. Interreligiöse Gespräche im Umfeld moderner Gottesfragen im Anschluss an Hermann Stieglecker", der im Oktober - herausgegeben von Petrus Bsteh und Brigitte Proksch - ebenfalls bei "Schöningh" - erscheinen wird.
"Gastfreundschaft wie bei Abraham"
Die diesjährige Monotheimus-Tagung beleuchtet das Thema "negative Theologie". Eröffnet wurde sie vom jüdischen Religionsphilosophen Ephraim Meir mit einem Vortrag über die Gottebenbildlichkeit des Menschen, ihre Bedeutung für die monotheistischen Weltreligionen und die daraus folgende Forderung nach "bedingungsloser Gastfreundschaft nach dem Vorbild Abrahams". Das Bild Gottes im Antlitz des Anderen wahrnehmen zu lernen und im ethischen Handeln daraus Konsequenzen zu ziehen, sei Aufgabe biblischer Lebensgestaltung, erklärte Meir.
Am Montag und Dienstag erfolgt der Austausch von Fachleuten verschiedener Disziplinen über das Offenbarungsverständnis und den Gottesbegriff der abrahamitischen Religionen im Gegenüber zur Gottessuche und Gottesfrage anderer Religionen und geistiger Systeme bis hin zur Konfrontation mit dem Atheismus. Referenten sind u.a. der Orientalist Philipp Bruckmayr, der Stiegleckers Nachlass auswertete, der Religionswissenschaftler Petrus Bsteh und der islamische Theologe Zekirija Sejdini.
Die Tagung in St. Florian findet zum 35-jährigen Bestandsjubiläum des in Wien ansässigen "Forums für Weltreligionen" statt, das sich als außeruniversitäre ökumenische Forschungs- und Arbeitsstelle vor allem dem Dialog im Bereich von Theologie und Spiritualität, aber auch in gesellschaftspolitischen Themen, sowie der Zusammenarbeit der Religionen widmet. (Info: http://weltreligionen.at)
Quelle: kathpress